Muskel-Skelett-System
Rückenschmerzen durch einseitige Belastung im Job
Veröffentlicht am:31.01.2025
5 Minuten Lesedauer
Den Rücken einen Tag lang einseitig belasten? Kein Problem. Doch wenn das berufsbedingt zur Regel wird, steigt das Risiko für Rückenschmerzen. Was dann zu tun ist, erklärt Rückenexperte Dr. Bernhard Hoehl im Interview.
Das Beste Mittel gegen Rückenschmerzen: Bewegung
Der Rücken liebt Bewegung – vor allem moderate Bewegung. Wer sich beruflich wenig bewegt, sollte täglich mindestens 21 Minuten aktiv sein, so die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Zusätzlich empfiehlt die WHO 75 Minuten anstrengende, schweißtreibende Bewegung pro Woche. Dadurch können wir Rückenschmerzen vorbeugen. Ohne regelmäßige Bewegung ist das Risiko für Rückenschmerzen hoch. Besonders dann, wenn wir den Rücken berufsbedingt häufig einseitig belasten.
Wenn einseitige Belastungen zu Rückenschmerzen führen
Wenn wir unseren Rücken einseitig belasten, kann eine muskuläre Dysbalance entstehen. Diese beschreibt das Ungleichgewicht zweier Muskeln oder Muskelgruppen, die sich gegenüberstehen. Sie sind ungleich ausgebildet und arbeiten nicht koordiniert zusammen. Dies kann zu Rückenschmerzen führen, eine solche Dysbalance lässt sich allerdings vermeiden. Besonders betroffen sind Menschen mit Berufen, in denen sie täglich gleiche einseitige Bewegungen ausführen müssen – wenn sie nicht gezielt dagegen arbeiten.
Je nach Beruf können diese Bewegungen sehr unterschiedlich sein. Dr. Bernhard Hoehl kennt sich aus: In der Sektion Wirbelsäulenchirurgie am Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie der Charité in Berlin beschäftigt er sich mit Rückenschmerzen aller Art.
Herr Dr. Hoehl, welche Berufsgruppen sind besonders gefährdet, durch einseitige Belastungen Rückenschmerzen zu bekommen?
Das sind erst einmal alle, die täglich viel sitzen – im Büro zum Beispiel. Also alle, die den unteren Rücken zu wenig bewegen. Und wenn, dann beschränken sich die Bewegungen im Alltag oft auf Beugen und Strecken. Die Rotation kommt viel zu kurz, in den meisten Berufen.
Es gibt auch viele Berufe, in denen die Wirbelsäule täglich gedreht wird, allerdings sehr einseitig: beispielsweise bei Zahnärztinnen und Zahnärzten, die immer rechts vom Patienten sitzen oder bei handwerklichen Berufen. Dann gibt es Berufe, in denen viel gehoben wird – in der Logistik, am Fließband oder in der Pflege zum Beispiel. Wenn jemand einen Patienten hebt und sich dafür nach vorne beugt, wird der Rücken stark belastet und die Kraft um ein Vielfaches auf die Lendenwirbelsäule übertragen.
Dr. Bernhard Hoehl arbeitet in der Sektion Wirbelsäulenchirurgie am Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité in Berlin. In der interdisziplinären Schmerzstation behandelt er komplexe Zustände von Rückenschmerzen.
Was können Betroffene aus den beschrieben Berufsgruppen gegen Rückenschmerzen tun?
Wichtig ist, sich auf die Gegenbewegung zur einseitigen Belastung zu konzentrieren. Wer zum Beispiel mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, dort den ganzen Tag sitzt und abends wieder nach Hause radelt, ist auch bei moderater Bewegung wieder gebeugt – macht also keine ausgleichende Bewegung. Besser gegen Rückenschmerzen wäre Schwimmen oder gezielte Übungen wie der „Rückenstrecker“. Beides wirkt direkt der Buckelhaltung entgegen, die man beim Sitzen einnimmt. Sinnvoll ist es auch, der sitzenden Tätigkeit mehrmals während der Arbeit mit gezielten Übungen entgegenzuwirken. Natürlich spielt auch die richtige Einstellung der Arbeitsmittel eine Rolle. Bei hebenden Berufen ist es wichtig, richtig zu heben – aus den Beinen heraus. Außerdem sollte die Arbeitshöhe möglichst hoch sein. In Pflegeberufen könnte darauf geachtet werden, dass die Patientenbetten elektronisch hochgefahren werden, um wenig gebeugt und überwiegend stehend arbeiten zu können. Als Sport eignet sich hier Krafttraining, das die Rumpfmuskulatur stärkt. Für Berufe mit einseitiger Belastung ist es sinnvoll, gezielt auf einen Ausgleich zu achten, um so alle Muskelgruppen zu stärken – auch jene, die im Alltag vernachlässigt werden. Das geht zum Beispiel mit Yoga.
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Gibt es allgemeingültige Tipps für alle Berufsgruppen?
Es hilft immer, Bewegungen zu trainieren, die im Alltag nicht vorkommen. Das ist universell und hilft bei der Prävention. Rückenschmerzen sind allerdings recht individuell. Es gibt Risikofaktoren wie Übergewicht und Bewegungsmangel, aber es gibt auch Normalgewichtige, die viel Sport treiben und trotzdem Rückenschmerzen haben. An der Charité arbeiten wir gerade an einer großen Rückenstudie, bei der wir uns bewusst nur Normalgewichtige angeschaut haben, die zum Teil viel Sport treiben – und die Hälfte von ihnen hat regelmäßig Rückenschmerzen. Da helfen die üblichen Tipps wenig und man muss andere Aspekte identifizieren. Die erforschen wir zum Teil noch, aber der Berufsalltag muss natürlich immer berücksichtigt werden.
Für wen sind Rückenkurse geeignet?
Für alle! Ich bin ein großer Fan davon. Rückenkurse, Rückenschulen, Rückengymnastik – das hilft nicht nur, sondern wirkt auch vorbeugend, damit man gar nicht erst Rückenschmerzen bekommt. Jeder hat im Leben Rückenschmerzen, manche öfter, manche seltener, manche sind nur lästig, manche richtig schlimm. Rückenschmerzen vorzubeugen ist daher immer eine gute Idee.
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