Organe
Hodenschmerzen: Wann Sie zum Arzt gehen sollten
Veröffentlicht am:26.08.2021
4 Minuten Lesedauer
Fast jeder Mann kennt sie: Hodenschmerzen. Oft als offensichtliche Folge eines Schlages, aber manchmal ist der Grund unbekannt. Was in diesem Fall die Ursache der Schmerzen sein kann, verrät der Urologe Professor Michael Stöckle im Interview.
Inhalte im Überblick
- Warum sind Hoden so schmerzempfindlich?
- Welche Folgen hat eine äußere Einwirkung? Kann es zur Impotenz kommen?
- Sex und Hodenschmerzen: Was ist der Kavaliersschmerz?
- Hodenschmerzen ohne traumatische Einwirkung: Welche Ursachen kann das haben?
- Kann auch ein Tumor die Ursache für Hodenschmerzen sein?
- Gibt es einen Unterschied zwischen dem linken und dem rechten Hoden in der Schmerzempfindung?
- Gibt es Möglichkeiten, Hodenschmerzen vorzubeugen oder Hoden zu „trainieren“?
- Wie verhalte ich mich, wenn ich von Hodenschmerzen betroffen bin? Welcher Arzt ist der richtige?
Wohl kaum eine Stelle am männlichen Körper ist schmerzempfindlicher als der Hoden. Allein bei dem Gedanken an einen schmerzhaften Kontakt in dieser Region läuft es jedem Mann kalt den Rücken runter. Univ.-Prof. Dr. Michael Stöckle vermutet, dass diese Empfindlichkeit evolutionäre Gründe hat.
Der Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie in Homburg/Saar ist einer der anerkanntesten Experten in Deutschland auf diesem Fachgebiet. Im Interview mit der AOK erzählt er, welche Ursachen Hodenschmerzen haben können, ob es einen Unterschied zwischen dem linken und dem rechten Hoden gibt und ab wann die Beschwerden ärztlich untersucht werden sollten.
Warum sind Hoden so schmerzempfindlich?
Das hängt wahrscheinlich mit dem Egoismus der Gene zusammen. In der Genetik ist es unsere wichtigste Aufgabe im Leben, uns fortzupflanzen. Deswegen ist alles, was mit der Fortpflanzung zu tun hat, geschützt – und der beste Schutz ist, wenn man Angst hat, dass irgendetwas passieren könnte.
Es hat also nichts mit dem biologischen Aufbau der Hoden zu tun?
Nein, ich glaube, dass die Natur es bewusst eingerichtet hat, dass Fortpflanzungsorgane besonders gehütet werden. Und das Individuum schützt sich am besten, wenn es weiß, dass ihn sonst Schmerz erwartet.
Ist der Kontakt besonders hart, kann einem übel werden, warum?
Das ist wahrscheinlich eine Reaktion des vegetativen Nervensystems. Bei heftigen Schmerzwahrnehmungen kann sogenanntes reflektorisches Erbrechen eintreten. Das heißt, dass der Reiz indirekt über das vegetative Nervensystem auf das Brechzentrum einwirkt. Dieser Reflex ist aber nicht hodenspezifisch.
Welche Folgen hat eine äußere Einwirkung? Kann es zur Impotenz kommen?
Impotenz hat damit nichts zu tun und auch eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Bei länger anhaltenden Schmerzen handelt es sich in der Regel lediglich um eine Hodenprellung. Bei extremer Gewalteinwirkung kann aber die Bindegewebskapsel, die den Hoden umgibt, zerreißen, dann läuft der gesamte Hodeninhaltsstoff heraus. Das müsste dann operativ repariert werden, um zu retten, was zu retten ist. In dem Fall würde der Hoden sehr viel von seiner Funktion verlieren. Aber wenn nur einer der beiden Hoden betroffen ist, ist man weiterhin zeugungsfähig.
„Eine äußere Einwirkung auf den Hoden löst keine Impotenz aus, auch eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen.“
Univ.-Prof. Dr. Michael Stöckle
Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie in Homburg/Saar
Welche Behandlung wäre im Fall einer Hodenprellung die richtige?
Da hat man nicht viele Möglichkeiten. Gegen eine Kühlung des Hodensacks gibt es nichts einzuwenden, das könnte die Beschwerden schneller lindern. Und sonst heißt es: ruhigstellen und abwarten.
Sex und Hodenschmerzen: Was ist der Kavaliersschmerz?
Ich kenne diesen Begriff eher aus der Literatur als aus der Medizin. Das Phänomen, dass jemand Hodenschmerzen bekommt, weil er nach einer längeren Erektion nicht zum Samenerguss kommt, ist mir nicht bekannt.
Wenn man den Hoden sozusagen durch exzessiven Sex auslaugt, kann es zwar zu unspezifischen Schmerzen im Lendenbereich kommen, aber das ist dann kein intensiver Schmerz. Nicht zu vergleichen beispielsweise mit einem Fußball, den man auf die Hoden kriegt.
Hodenschmerzen ohne traumatische Einwirkung: Welche Ursachen kann das haben?
Dafür kann eine Drehung des Hodens um den versorgenden Samenstrang, eine sogenannte Hodentorsion, verantwortlich sein, die man sofort operieren muss. Aber auch Nierensteine können in Richtung der Genitale ausstrahlen, insbesondere, wenn sie in den Harnleiter wandern. Man spricht dann von Harnsteinen oder Harnleitersteinen. Allerdings ist in diesem Fall kein Druckschmerz festzustellen, im Gegensatz zu einer Hodentorsion, wo eine Berührung den sowieso schon starken Schmerz potenziert.
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Gibt es einen Unterschied zwischen dem linken und dem rechten Hoden in der Schmerzempfindung?
Der linke Hoden steht ein bisschen tiefer als der rechte, da das Blut dort etwas schwieriger abfließt. Folglich ist er immer etwas schwerer. Aus diesem gestörten Blutabfluss können sich Krampfadern im linken Hoden (Varikozele) beziehungsweise auf der linken Seite des Hodensacks entwickeln. Diese können bei Leuten, die überwiegend stehend arbeiten, wie etwa Frisöre, zu Schmerzen führen. Sind diese besonders unangenehm oder fühlt sich der Betroffene unwohl, weil die Krampfadern fürs Auge sichtbar sind, gibt es die Möglichkeit, sie zu veröden.
Gibt es Möglichkeiten, Hodenschmerzen vorzubeugen oder Hoden zu „trainieren“?
Nein, eigentlich nicht. Es gibt aber Menschen mit chronischen Hodenschmerzen, die meistens vom Nebenhoden ausgehen und die sehr unangenehm sein können. In seltenen Fällen treten diese das erste Mal nach einer Leistenbruch-OP auf. Leider gibt es dagegen keine Behandlungsmethode. Den Patienten hilft manchmal das schiere Wissen, dass die Schmerzen harmlos sind, um sie zu ignorieren oder zu bagatellisieren. Manchmal hilft es auch, wenn die Patienten Abstand von engen Hosen und enger Unterwäsche nehmen. Wahrscheinlich ist das generell empfehlenswert, aber mir ist keine Studie bekannt, die das genauer untersucht hat.
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Wie verhalte ich mich, wenn ich von Hodenschmerzen betroffen bin? Welcher Arzt ist der richtige?
Es ist in der Regel ein selbstlimitierendes Krankheitsbild. Deshalb würde ich empfehlen, erstmal eine Woche abzuwarten, ob der Schmerz von allein weggeht – meistens tut er das ja auch. Falls er nicht weggehen sollte, macht es Sinn, einen Urologen aufzusuchen. Er hat die größte Expertise auf diesem Fachgebiet. Anders ist es bei plötzlich beginnenden, sehr heftigen Schmerzen in einer Skrotalhälfte. Das sind Anzeichen für eine Hodentorsion, mit der man sofort in eine urologische Klinik sollte.