Organe
So schützt ein starker Beckenboden vor Blasenschwäche
Veröffentlicht am:13.11.2020
6 Minuten Lesedauer
Dieser Körperteil erfährt selten große Aufmerksamkeit. Viele wissen gar nicht, wo genau er eigentlich liegt. Dabei stützt er innere Organe und gilt sogar als „Liebesmuskel“. Zeit, den Beckenboden zu trainieren.
Wo ist der Beckenboden?
Eine starke Muskulatur des Beckenbodens hat viele Vorzüge. Doch wie lässt sich für diese Körperregion ein Gespür entwickeln? Dafür empfiehlt sich ein einfacher Test: beim Wasserlassen versuchen, den Urinstrahl zu stoppen.
Dazu wird meist intuitiv eine Muskelgruppe im Unterleib angespannt. Voilà, das ist der Beckenboden. Wichtig jedoch: Das Unterbrechen des Wasserstrahls eignet sich nicht als Training für den Beckenboden! Dieser besteht aus Muskeln und Bindegewebe, verschließt die Beckenhöhle von unten und hält bei Frauen wie eine straffe Hängematte vor allem die Organe Gebärmutter, Blase und Enddarm fest.
Die Aufgaben des Beckenbodens
Ohne stabilen Beckenboden wäre ein aufrechter Gang nicht möglich. Zugleich hätten wir schwerwiegende Inkontinenz-Probleme. Denn durch das Zusammenspiel der Beckenbodenmuskeln, zu denen auch der Schließmuskel gehört, werden Urin und Stuhl in Blase und Darm zurückgehalten beziehungsweise im richtigen Moment abgegeben.
Drei Dinge muss der Beckenboden dafür können:
- sich anspannen
- sich entspannen
- einen Gegendruck aufbauen
Das ist wichtig, um standhalten zu können, wenn zum Beispiel durch kräftiges Niesen, Lachen, oder das Tragen schwerer Lasten der Druck im Bauchraum und damit auf die Blase erhöht wird. Funktioniert das nicht, kann die Blase den Urin nicht halten. „Wir sprechen dann von einer Belastungsinkontinenz“, erklärt Professor Daniela Schultz-Lampel, Direktorin des Kontinenzzentrums Südwest im Schwarzwald-Baar Klinikum in Villingen-Schwenningen.
Blasenschwäche: Wer ist davon betroffen?
Frauen und Männer können von einer Harninkontinenz betroffen sein. Allerdings leiden Frauen wesentlich häufiger darunter – nämlich bis zu 15 Millionen nach Schätzungen des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF).
Professor Schultz-Lampel: „Der weibliche Beckenboden hat drei Öffnungen: für die Harnröhre, für die Vagina und für den Darm. Allein deshalb schon ist er anfälliger für eine Schwächung.“ Daneben können Schwangerschaften hinzukommen, bei denen das Ungeborene auf den Beckenboden drückt, und Geburten, bei denen der Beckenboden und die umliegende Muskulatur maximal gedehnt werden.
Diese Belastungen können eine Senkung des Beckenbodens auslösen. Auch schwere körperliche Arbeit, eine vererbte Bindegewebsschwäche oder Übergewicht zählen zu den möglichen Ursachen.
Beckenbodentraining: Bewusstes Anspannen und Entspannen
Mit dem Alter nimmt das Risiko zu: Jede zweite Frau über 75 ist von einer Blasenschwäche betroffen, schätzt Professor Schultz-Lampel. Aber auch schon jede fünfte Frau zwischen 35 und 45 Jahren. Die Urologin vermutet darüber hinaus eine hohe Dunkelziffer. Denn viele gehen nicht oder erst bei sehr hohem Leidensdruck zum Arzt. Ein möglicher Grund: Trotz aller Aufklärung hat es die Blasenschwäche noch immer nicht aus der Tabuzone geschafft. Dabei gibt es wirksame Mittel, um den Beckenboden zu stärken – sei es als Therapie oder zur Vorbeugung.
Das Beste ist regelmäßiges Training, wie diverse Studien belegen. „Dafür braucht es auch keine besondere Sportlichkeit“, weiß Schultz-Lampel. Im Wesentlichen kommt es auf bewusstes Anspannen und Entspannen des Beckenbodens an. Dazu gibt es viele Übungen, die ein gezieltes Training auch bequem zu Hause oder unterwegs ermöglichen.
„Verbesserungen sind in jedem Alter möglich.“
Professor Daniela Schultz-Lampel
Direktorin des Kontinenzzentrums Südwest im Schwarzwald-Baar Klinikum in Villingen-Schwenningen
„In manchen Fällen empfiehlt es sich, die Hilfe von speziell geschulten Physiotherapeuten in Anspruch zu nehmen“, so die Expertin. Das sollte mit dem Arzt besprochen werden. Auch Sportarten wie Yoga, Schwimmen oder Pilates trainieren sanft den Beckenboden. Ein Nebeneffekt: Von einer „starken Mitte“ kann sogar das Empfinden beim Geschlechtsverkehr profitieren. Nicht umsonst wird der Beckenboden auch als „Liebesmuskel“ bezeichnet.
Zur Stärkung der Muskulatur sind tägliche Anspannungsübungen mit mindestens drei Wiederholungen ideal. Schultz-Lampel: „Verbesserungen sind in jedem Alter möglich.“
Übung 1: der Katzenbuckel
In Knie-Ellenbogen-Lage auf den Boden begeben. Die Füße werden nah beieinander, die Knie etwas auseinander aufgelegt, sodass Becken und Bauch angespannt sind. Den Kopf auf den Unterarmen lagern und den Atem ruhig fließen lassen. In dieser Position jetzt laut aussprechen: „Lick“, „Lack“, „Lock“. Durch den Sog des Zwerchfells werden in dieser Stellung die Harnblase und der Beckenboden angehoben. Die Dynamik der Laute überträgt sich so auf den Beckenboden und stimuliert ihn. Beim Betonen der Endlaute verstärkt sich die abspannende Aufwärtsbewegung des Zwerchfells.
Übung 2: der Käfer
Flach auf den Rücken legen und die Arme und Beine locker hochheben. In dieser Stellung einige Sekunden verweilen und den Atem fließen lassen. So verbessert sich die Durchblutung im Unterleib. Dann Übung 1 wiederholen. Beide Übungen insgesamt dreimal im Wechsel durchführen. Die Lageveränderung durch das Wechseln wirkt als zusätzliche Gefäßgymnastik.