Organe
Warum wir laute Musik lieben – und wie wir unser Gehör am besten schützen
Veröffentlicht am:09.07.2024
4 Minuten Lesedauer
Die Meisten wissen, dass laute Musik den Ohren schadet. Trotzdem strömen wir in Scharen zu Konzerten, Techno-Partys und Events, die den Schallpegel eines startenden Düsenjets erreichen. Warum ist das so? Und wie schützen wir unser Gehör richtig?
Warum Musik uns glücklich macht
Wenn die Bässe den Magen massieren und die Wucht der Musik den ganzen Körper erfasst, sind viele Konzertbesucher erst richtig glücklich. Die Wirkung lauter Musik auf unseren Körper ist unbestritten. Doch was genau passiert mit uns, wenn wir laute Musik hören?
Physikalisch gesehen besteht Musik zunächst aus Schwingungen, also feinen Luftdruckveränderungen. Im Ohr wird dieses akustische Signal in einen neuronalen Reiz umgewandelt, der am Ende die Hörrinde im Schläfenlappen erreicht. Auf dem Weg dorthin fächert sich die Verarbeitung der Musik in unserem Gehirn weiter auf. Deshalb kann man auch nicht von dem Zentrum im Gehirn sprechen, in dem Musik verarbeitet wird.
Geht es zum Beispiel um die emotionale Wirkung von Musik, spielt das limbische System eine zentrale Rolle. Es bewertet die eingehenden Informationen vor dem Hintergrund unserer musikalischen Sozialisation. Gefällt uns die Musik, zum Beispiel wenn wir eine Melodie als angenehm empfinden, kommt das Belohnungssystem ins Spiel und Endorphine werden ausgeschüttet.
Das sind körpereigene Glückshormone, die auch beim Essen, Sport, Konsum von Drogen oder Sex produziert werden.
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Musik verbindet Menschen
Noch intensiver fällt die emotionale Reaktion bei Live-Konzerten aus. Zum einen verstärkt die Lautstärke die physische Präsenz der Musik. Wir spüren die Vibrationen am ganzen Körper, die Musik wird live noch direkter erfahrbar als von einem Tonträger. Zum anderen ist Live-Musik immer auch ein soziales Erlebnis, das vermutlich auf die evolutionären Wurzeln der Musik zurückgeht. Musik dient schon seit den Anfängen der menschlichen Geschichte dazu, das Gruppengefühl zu stärken und Bindungen zu fördern, was in früheren Zeiten lebenswichtig war.
In vielen traditionellen Gesellschaften sind Trommeln und Gesang noch heute fester Bestandteil von Ritualen und Zeremonien. Die gemeinschaftsstiftende Funktion von Musik zeigt sich zudem an vielen weiteren Beispielen wie Fangesängen beim Fußball, Nationalhymnen oder religiösen Gesängen. Laute Konzerte und Festivals erfüllen eine ähnliche Funktion: Sie sind emotionale Erlebnisse, die Menschen verbinden – sogar im körperlichen Sinne, wie eine in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlichte Studie herausfand. Während eines gemeinsamen Konzertbesuchs synchronisierten sich bei 132 Testpersonen unterschiedlichen Alters zahlreiche Körperfunktionen, darunter die Herz- und Atemfrequenz.
Laute Musik und Gesundheit
„Musik kann die Welt verändern“, wusste schon der weltberühmte Komponist Ludwig van Beethoven, der jedoch einen Großteil seines Lebens taub verbrachte. Um über viele Jahre Konzerterlebnisse genießen zu können, sollte man seine Ohren unbedingt schützen. Der hohe Lärmpegel kann sonst schnell zu langfristigen Schäden in unseren empfindlichen Sinnesorganen führen. Schon nach einem Konzert (etwa 90 bis 120 Dezibel) kann das Hören eingeschränkt und dumpf sein. Viele haben nach einem lauten Live-Konzert schon einmal selbst Ohrgeräusche wie Pfeifen oder Summen wahrgenommen. Diese treten meist nur vorübergehend auf und verschwinden von allein wieder. Halten die Ohrgeräusche länger als drei Monate an, sprechen Ärztinnen und Ärzte von einem chronischen Tinnitus. Hierbei hört man das Pfeifen oder Summen ständig und ohne äußeren Anlass. Bei manchen Menschen können diese Ohrgeräusche so stark werden, dass sie das Leben erheblich beeinträchtigen.
Wie laut ist welcher Lärm?
- Bei 0 dB (A) liegt die Hörschwelle des normal hörenden Menschen
- 0 bis 30 dB (A): Blätterrauschen, feiner Regen oder Flüstern
- 20 bis 40 dB (A): ruhiger Wohnraum (Weckerticken, Computer-Ventilatoren, Hintergrundgeräusche im Haus)
- 45–55 dB (A): ruhiges Gespräch
- 70–75 dB (A): Staubsauger
- 80 dB (A): vorbeifahrendes Auto
- 90 dB (A): Kreissäge
- 100 dB (A): Martinshorn
- 120–130 dB (A): Live-Musik, laute Disko
- 130 dB (A): startendes Düsenflugzeug
Tipps für den richtigen Schutz
Wer Live-Konzerte oder andere laute Orte besucht, sollte deshalb vorbeugen. Mit folgenden Tipps kann man Ohrgeräusche nach dem Konzert vermeiden:
- Gehörschutz tragen: Einen Standardgehörschutz aus Wachs oder Schaumstoff gibt es günstig in jedem Drogeriemarkt oder in der Apotheke. Besser sind Mehrwegstöpsel mit Lamellen oder sogenannte Otoplastiken, die vom Hörgeräteakustiker passgenau angefertigt werden und deshalb angenehmer zu tragen sind.
- Extra-Schutz für Kinder: Das Kindergehör ist besonders empfindlich. Bereits ab einer Lautstärke von 75 bis 80 Dezibel sollten Kinder deshalb Gehörschutz tragen. Kapselgehörschutz – bestehend aus zwei mit dämmendem Schaumstoff gefütterten Hartschalen-Kapseln – eignet sich besonders gut für Kinder, da er leicht auf- und abgesetzt werden kann. Noch mehr Komfort bietet ein individueller Gehörschutz vom Hörakustiker, der nach einem Ohrabdruck maßgefertigt wird und passgenau im Gehörgang des Kindes sitzt.
- Auf den richtigen Platz achten: In der Nähe der Lautsprecher ist es oft am lautesten. Deshalb sollte man sich bei Konzerten nicht direkt davorstellen. Tipp: Neben dem Mischpult ist der Pegel niedriger – und der Sound meist besser.
- Pausen einlegen: Vor allem bei längeren Live-Konzerten oder Festivals ist das Gehör dankbar für Pausen mit tieferen Schallpegeln, in denen unsere Ohren sich erholen können.
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