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Wie die Zirbeldrüse unseren Tag-Nacht-Rhythmus steuert

Veröffentlicht am:15.01.2025

5 Minuten Lesedauer

Die Zirbeldrüse ist nicht nur klein, sie ist winzig. Ihre Hauptaufgabe ist die Produktion des „Schlafhormons“ Melatonin. Damit beeinflusst die unscheinbare Drüse im Gehirn maßgeblich unseren Tag-Nacht-Rhythmus.

Eine junge Frau liegt in ihrem Bett in einem lichtdurchfluteten Schlafzimmer. Sie streckt nach dem Aufwachen ihre Arme aus.

© iStock / Prostock-Studio

Kurz vorgestellt: die Zirbeldrüse

Die Zirbeldrüse ist ein wichtiger Teil des Hormonsystems. Im menschlichen Organismus müssen unzählige Prozesse wie Energiehaushalt, Wachstum oder Fortpflanzung reguliert werden. Das Hormonsystem, auch endokrines System genannt, übernimmt Steuerungsaufgaben und fungiert gewissermaßen als Kommunikationssystem des Körpers. Die Hormone dienen dabei als Botenstoffe. Die meisten Hormone werden in den endokrinen Drüsen gebildet und von diesen ins Blut abgegeben. Eine dieser endokrinen Drüsen ist die im Zwischenhirn gelegene Zirbeldrüse. Weitere endokrine Drüsen befinden sich unter anderem in der Bauchspeicheldrüse, in den Hoden und Eierstöcken oder in den Nebennieren.

Wo befindet sich die Zirbeldrüse?

Die Zirbeldrüse, in Fachkreisen auch Glandula pinealis genannt, liegt fast genau in der Mitte unseres Gehirns, und gehört zum Epithalamus, einem bestimmten Teil des Zwischenhirns. Die Drüse ist zapfenförmig und nur etwa 0,8 Zentimeter lang. Beim erwachsenen Menschen wiegt sie etwa 0,1 bis 0,15 Gramm. Der Zapfenform verdankt sie sowohl ihren volkstümlichen Namen (von den Zapfen der Zirbelkiefer) als auch ihren medizinischen Namen, in dem das Wort „Pinie“ steckt (Glandula wiederum bedeutet „Drüse“). Ein weiterer fachsprachlicher Name der Zirbeldrüse ist Epiphysis cerebri oder abgekürzt Epiphyse.

Aufgabe und Besonderheit der Zirbeldrüse

Die Zirbeldrüse wurde übrigens als letzte der endokrinen Drüsen entdeckt. Die Forschung kennt immer noch nicht alle ihre Funktionen. Die Hauptaufgabe steht aber fest: die Regulation unseres Schlaf-Wach-Rhythmus. Vor der Einführung der Computer- und Kernspintomographie machten sich Ärztinnen und Ärzte eine Besonderheit der Zirbeldrüse für Diagnosezwecke zunutze: Die Zirbeldrüse neigt dazu, mit zunehmendem Alter zu verkalken. Das ist normal und kommt dementsprechend häufig vor. Tatsächlich so häufig, dass eine verkalkte Zirbeldrüse früher oft als Orientierungspunkt auf Röntgenaufnahmen diente, um Hinweise auf Tumore oder Blutungen zu finden. Die Verkalkung der Zirbeldrüse hat in der Regel keine Auswirkung auf ihre Funktion.

Wichtigste Funktion der Zirbeldrüse: Produktion von Melatonin

Während die Zirbeldrüse zum Beispiel bei Fischen und Amphibien noch selbst lichtempfindlich ist, erhält sie bei Säugetieren und beim Menschen Informationen über Hell und Dunkel von der Netzhaut des Auges über die Sehnerven und das Zwischenhirn. Mit Einsetzen der Dunkelheit produziert die Zirbeldrüse Melatonin und gibt es in den Blutkreislauf ab. Der maximale Spiegel wird etwa gegen drei Uhr nachts erreicht und fällt dann zum Morgen hin wieder ab.

Melatonin: das „Schlafhormon“

Auf diese Weise spielen Zirbeldrüse und Melatonin eine wichtige Rolle bei der Steuerung des zirkadianen Rhythmus. Anders ausgedrückt: Zirbeldrüse und Melatonin sind Taktgeber für unsere innere Uhr. Melatonin bindet an spezielle Melatoninrezeptoren im Gehirn und hemmt dort die Wirkung wachhaltender Neuronen. Vereinfacht gesagt: Mehr Melatonin im Blutkreislauf lässt uns leichter einschlafen. Deshalb wird Melatonin umgangssprachlich auch als Schlafhormon bezeichnet. Das bedeutet aber nicht, dass Melatonin für den Schlaf unerlässlich wäre. Es gibt noch andere Faktoren, die zur Schlaffähigkeit und Schlafqualität beitragen und man kann durchaus auch mit niedrigem Melatoninspiegel einschlafen.

Forschung zu Melatonin: mehr Fragen als Antworten

Wie bei der Zirbeldrüse, die es produziert, ist die Forschung auch beim Melatonin über weitere mögliche Funktionen noch im Unklaren. Studien an Tieren legen beispielsweise nahe, dass Melatonin bei den untersuchten Tieren die Nervenfunktion und den Knochenstoffwechsel unterstützt oder die Fruchtbarkeit und den Schwangerschaftsverlauf positiv beeinflusst. Was dies jedoch für die Wirkmechanismen von Melatonin beim Menschen bedeuten könnte, ist (noch) nicht geklärt. So wird beispielsweise der Zusammenhang zwischen Melatonin und dem weiblichen Monatszyklus oder degenerativen Nervenerkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson erforscht.

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Dunkelheit, Melatoninproduktion und guter Schlaf

Licht wird auf der Netzhaut des Auges von lichtempfindlichen Sinneszellen, den Stäbchen und Zapfen, wahrgenommen und über den Sehnerv und den Sehtrakt weitergeleitet. Einzelne Nervenfasern übertragen die vom Licht erzeugten Impulse an den so genannten Nucleus suprachiasmaticus im Zwischenhirn und von dort zur Zirbeldrüse. So „weiß“ sie, ob es hell oder dunkel ist. Bei komplett blinden Menschen fehlt diese Synchronisation des Tag-Nacht-Rhythmus, so dass deren innere Uhr in ihrem eigenen Rhythmus läuft, der meist etwas länger als 24 Stunden ist.

Licht in der Nacht senkt den Melatoninspiegel

Licht während des Tages und die Dunkelheit in der Nacht sind also wichtige Faktoren, um die Zirbeldrüse zur Produktion von Melatonin anzuregen. Laut Studien reicht bereits ein einziger intensiver Lichtimpuls bei ansonsten konstanter Dunkelheit aus, um den Melatoninhaushalt – und damit unseren Tag-Nacht-Rhythmus – zu beeinflussen. Zwar kann nur sehr intensives, insbesondere blaues Dauerlicht die nächtliche Melatoninausschüttung vollständig unterdrücken, aber auch schwache Lichtquellen senken zumindest die Melatoninkonzentration im Blut. Dadurch kann Melatonin seine dämpfende Wirkung auf den Organismus weniger gut entfalten.

Mit Dunkelheit die Schlafqualität verbessern

Damit genügend Melatonin gebildet wird und der Spiegel hoch bleibt, dürfen wir also nachts keinem hellen Licht ausgesetzt sein. Vor allem blaues Licht in der Nacht kann die Melatoninausschüttung stark hemmen. Allerdings ist jeder Mensch individuell. Manche Menschen schlafen auch bei hellem Licht ausgezeichnet. Wer hingegen unter Schlafproblemen leidet, sollte im Schlafzimmer für möglichst viel Dunkelheit sorgen und vor dem Schlafengehen keine Geräte benutzen, die blaues Licht aussenden, wie Tablets und Smartphones.

Eine Frau im Pyjama zieht die Vorhänge ihres Schlafzimmers beiseite und lässt das helle Morgenlicht herein.

© iStock / Nuclear_lily

Wer unter Schlafproblemen leidet, sollte in gut abgedunkelten Räumen schlafen, denn schon schwache Lichtquellen senken die Melatoninkonzentration im Blut.

Was unsere innere Uhr aus dem Takt bringt

Es gibt äußere Umstände, die unseren Schlaf-Wach-Rhythmus stören können, etwa wenn unsere Schlafphasen kurzfristig oder dauerhaft nicht mit den natürlichen Dunkelphasen des Tages übereinstimmen, zum Beispiel bei Schichtarbeit oder nach Langstreckenflügen. Nach Interkontinentalflügen über mehrere Zeitzonen hat dieses Phänomen auch einen eigenen Namen: Jetlag. Ein Jetlag klingt in der Regel innerhalb weniger Tage von selbst wieder ab. Da den meisten Menschen langes Aufbleiben leichter fällt als frühes Aufstehen, ist der Jetlag bei Flügen von West nach Ost meist ausgeprägter.

Erholsamer Schlaf ist das A und O für eine gesunde Lebensweise

Wie sinnvoll sind Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin als Einschlafhilfe?

Wenn uns Melatonin müder macht, dann sollte uns mehr Melatonin bei Einschlafproblemen helfen, oder? Dementsprechend werden Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin als unbedenkliche Einschlafhilfe als Kapseln, Tropfen, Sprays, Pulver oder Gummidrops in Drogerien, Apotheken und im Internethandel angeboten.

Da Melatonin zwar ein wichtiger, aber nicht der einzige Einschlaffaktor ist, hilft es wahrscheinlich manchen Menschen besser als anderen. Zudem ist Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel nicht so unbedenklich, wie die Hersteller versichern. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät insbesondere Schwangeren, Stillenden, Kindern und Jugendlichen sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen von einer eigenständigen und unkontrollierten Einnahme von Melatonin ab.

Die frei verkäuflichen Melatoninprodukte überschreiten teilweise die empfohlene Tagesdosis in zugelassenen melatoninhaltigen Medikamenten. Als Arzneimittel ist Melatonin unter anderem zur vorübergehenden Behandlung von Schlafstörungen bei älteren Menschen oder bei Kindern und Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störungen zugelassen. Im Gegensatz zu Arzneimitteln sind Nahrungsergänzungsmittel nicht zulassungspflichtig.

Vor allem bei längerer Einnahme können unerwünschte Wirkungen wie Tagesmüdigkeit, verminderte Aufmerksamkeit oder verlängerte Reaktionszeiten auftreten. Außerdem warnt das BfR vor Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Blutdruckabfall, niedriger Körpertemperatur, Albträumen, Kraftlosigkeit und Gangunsicherheit. Außerdem könnte Melatonin möglicherweise den Blutzuckerspiegel beeinflussen und langfristig das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöhen.

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