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Psychologie

ADHS bei Mädchen – welche Besonderheiten gibt es?

Veröffentlicht am:04.12.2024

5 Minuten Lesedauer

Ruhelos, unaufmerksam und unüberlegt, was die Konsequenzen des Handelns betrifft – Kinder mit ADHS zeigen verschiedene Symptome. Doch was kann bei Mädchen anders sein und kann das dazu führen, dass die psychische Auffälligkeit bei ihnen öfter unentdeckt bleibt?

Eine circa 8-jährige Schülerin sitzt an ihrem Platz in der Klasse und schaut verträumt zur Seite, während alle anderen konzentriert arbeiten.

© iStock / shironosov

Was ist ADHS und wie häufig kommt es bei Mädchen vor?

Wie ein Flummi springt das Kind umher und ist nicht mit voller Aufmerksamkeit bei der Sache – hin und wieder ist das völlig normal. Doch wenn andere Symptome und Beeinträchtigungen hinzukommen, kann bei einigen Kindern die sogenannte Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) vorliegen. Dabei handelt es sich um eine der häufigsten psychischen Auffälligkeiten, die im Kindes- und Jugendalter auftreten. Experten und Expertinnen nehmen an, dass ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren zu der Erkrankung führt. Auch wenn ADHS nicht direkt vererbt wird, haben Kinder ADHS-betroffener Eltern ein erhöhtes Risiko, die Störung ebenfalls zu entwickeln. 

Außerdem gibt es körperliche Ursachen: Bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen liegen neuropsychologische und neurobiologische Veränderungen im Gehirn vor. Das wiederum erschwert es Menschen mit ADHS, ihre Gefühle, den Drang nach Bewegung und die Aufmerksamkeit unter Kontrolle zu halten. Mediziner und Medizinerinnen schätzen, dass etwa zwei bis sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen die Störung aufweisen. Einige Eltern haben, wenn sie sich im Bekanntenkreis umsehen, allerdings das Gefühl, dass die Diagnose vor allem auf Jungen zutrifft. Eine große Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (die KiGGS-Studie) hat tatsächlich ergeben, dass Jungen häufiger als Mädchen eine ADHS-Diagnose erhalten. Bei der Studie traf auf etwa sechs Prozent der Jungen die Diagnose ADHS zu, bei den Mädchen war dies nur bei etwa zwei Prozent der Fall.

Welche ADHS-Symptome haben Frauen und Mädchen?

Bei der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung treten drei bestimmte Symptomkomplexe besonders in Erscheinung: die Hyperaktivität, die Unaufmerksamkeit und die Impulsivität. Diese Beschwerden können sich sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen bemerkbar machen. Mädchen können zum Beispiel ausschließlich Beeinträchtigung im unaufmerksamen Symptomenkomplex haben. Dadurch fällt es Angehörigen und Lehrpersonen schwerer, diese Auffälligkeit als auffällig zu beschreiben und medizinisch abklären zu lassen. Doch wie genau wirkt ADHS auf Außenstehende?

ADHS vom Typ Unaufmerksamkeit:

  • Betroffene haben Schwierigkeiten, konzentriert bei einer Sache zu bleiben, zum Beispiel die Hausaufgaben an einem Stück zu erledigen.
  • Sie machen bei Gesprächen einen abwesenden Eindruck.
  • Sie neigen dazu, sich schnell ablenken zu lassen, zum Beispiel durch das Geschehen in der Klasse oder ihre eigenen Gedanken.
  • Es fällt auf, dass Betroffene oft Dinge verlieren, sie verlegen oder Termine vergessen.
  • Die Organisation fällt schwer – das kann sich etwa bei Projekten in der Schule zeigen, bei denen die Kinder selbstständig etwas erarbeiten sollen.

ADHS vom Typ Hyperaktivität/Impulsivität:

  • Betroffene machen einen zappeligen, aufgedrehten Eindruck.
  • Sie empfinden eine innere Unruhe und& müssen sich häufig bewegen.
  • Sie haben Mühe, Ruhe zu bewahren – sie führen Selbstgespräche oder machen Geräusche wie Schnalzen oder Summen.
  • Betroffene unterbrechen oft die Gespräche anderer und reden übermäßig viel.
  • Sie sind ungeduldig, zum Beispiel beim Anstehen in einer Warteschlange.

Diese Symptome können bei Mädchen wie bei Jungen auftreten.

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ADHS – ein typisch männliches Phänomen?

Dadurch, dass Jungen öfter die Diagnose ADHS erhalten, scheint es so, dass grundsätzlich mehr Jungen als Mädchen von der Erkrankung betroffen sind. Trotz vieler Studien gibt es jedoch bis heute keine Merkmale oder Eigenschaften, die Mediziner und Medizinerinnen anhand von Laborwerten oder Bildgebung bestimmen können, um automatisch zu der Diagnose ADHS zu kommen – das gilt sowohl für Mädchen als auch für Jungen sowie für Erwachsene. Ausführliche testpsychologische Untersuchungen sind nicht überall verfügbar. Zudem existieren bei etwa zehn Prozent der Bevölkerung leichtere Symptome, die auch auf ADHS zutreffen können – sie können im Alltag die gleichen Auswirkungen haben, aber die Diagnose wird trotzdem zurückhaltender gestellt. Das trifft insbesondere auf Kinder aus Familien zu, in denen es unter anderem weniger familiäre Konflikte oder einen höheren sozialen Status gibt.5 Hinzu kommt, dass auffällige Verhaltensweisen auch an andere Störungsbilder erinnern und in die fachliche Diagnostik einfließen. Mädchen mit einem hyperaktiv-impulsiven Krankheitsbild könnten beispielsweise eher anderen Diagnosen zugeordnet werden und bei einem unaufmerksamen Typ eher die Diagnose Depression erhalten. Jungen mit dem vorwiegend unaufmerksamen Typ bekommen bei Impulsivität hingegen häufiger eine ADHS-Diagnose. Nicht zuletzt sind die Grenzen zwischen einem „normalen“ Zustand und einer Erkrankung fließend, eine harte Abgrenzung gibt es nicht.

Darum könnte ADHS bei Mädchen weniger auffallen

Manchmal fällt die richtige diagnostische Zuordnung schwer. Bei Mädchen könnte das an Folgendem liegen:

  • Jungen gehören im Vergleich zu Mädchen öfter dem hyperaktiven/impulsiven Symptomtypen an – die zugehörigen Beschwerden fallen bei Erziehenden und Lehrenden schneller auf.
  • Besteht gleichzeitig eine Begleiterkrankung wie eine Depression oder eine Angststörung, können die ADHS-Symptome fälschlicherweise dieser Erkrankung zugeordnet werden.
  • Mädchen und besonders erwachsene Frauen können bei ADHS mit der Zeit Bewältigungsstrategien entwickeln und kommen dann im Alltag besser zurecht und suchen seltener eine Diagnostik auf.

Eltern können sich bei Auffälligkeiten vertrauensvoll an eine Praxis für Kinder- und Jugendheilkunde wenden.

Wer diagnostiziert ADHS bei Mädchen und welche Kriterien gibt es?

Nicht jedes verträumte oder unruhige Mädchen hat ADHS. Damit Mediziner und Medizinerinnen im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie die Erkrankung diagnostizieren können, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Diese sind für Mädchen und Jungen gleich. Zunächst müssen die Symptome mindestens sechs Monate lang bestehen und in der Kindheit begonnen haben. Sie müssen so massiv sein, dass sie sich negativ auf die schulische oder soziale Leistungsfähigkeit auswirken. Außerdem übersteigen die Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und/oder Impulsivität das alterstypische Niveau – das Mädchen erscheint also beispielsweise deutlich unruhiger oder deutlich verträumter als andere Kinder. Die Beschwerden machen sich zudem in verschiedenen Situationen bemerkbar – zu Hause, in der Schule, bei Familienangehörigen und Freunden. Außerdem gibt es keine andere Erklärung, wie eine Medikamenteneinnahme oder eine Entwicklungsstörung, für das Verhalten.

Ein Mädchen sitzt auf einem Sofa und kommuniziert mit einer Frau, die vor ihr sitzt.

© iStock / fizkes

Bei Mädchen mit ADHS können ergotherapeutische oder psychotherapeutische Maßnahmen zum Behandlungsplan gehören.

Wie wird ADHS bei Mädchen behandelt?

Schätzungen zufolge haben 30 bis 50 Prozent der Betroffenen auch im Erwachsenenalter Probleme mit der Aufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität. Eine möglichst frühe Diagnose und Therapie hilft Jungen und Mädchen dabei, mit der Erkrankung umzugehen – schließlich kann ADHS das schulische und soziale Leben stark beeinträchtigen. Doch was hilft bei ADHS? Je nach Ausprägung und Symptomkonstellation können eine Psychotherapie, ergotherapeutische Maßnahmen oder spezielle Medikamente in ein Behandlungskonzept gehören. Mit einem Elterntraining bekommen Eltern Alltagstipps an die Hand. Für betroffene Kinder sind unter anderem klare Regeln, ein strukturierter Tagesablauf, Entspannung und Lob wichtig.

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