Psychologie
Gesundheitliche Risiken von Alleinerziehenden
Veröffentlicht am:10.12.2024
4 Minuten Lesedauer
Wer ein Kind alleine erzieht, muss viele Aufgaben im Alltag solo stemmen. Das kann körperliche und psychische Spuren hinterlassen. Doch welche sind das und was können Mütter und Väter tun, um ihre Gesundheit zu fördern?
Worunter kann die Gesundheit bei Alleinerziehenden leiden?
In jedem fünften Haushalt hierzulande zieht ein Elternteil eines oder mehrere Kinder alleine groß und ist damit per Definition alleinerziehend – mehrheitlich handelt es sich dabei um Frauen. Der Erziehungsauftrag ist dabei an viele Herausforderungen geknüpft: Eine alleinerziehende Mutter oder ein alleinerziehender Vater ist häufig sowohl für die Betreuung als auch für den Lebensunterhalt zuständig.
Doch obwohl viele alleinerziehende Mütter und Väter arbeiten, sind sie mit ihren Familien nicht selten von Armut betroffen. Bereits im Jahr 2019 wiesen sie eine Armutsgefährdungsquote von 42,7 Prozent auf, im Jahr 2022 betrug sie deutschlandweit 43,2 Prozent. Übrigens gilt eine Person dann als armutsgefährdet, wenn sie mit ihrem Nettoeinkommen im Vergleich weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in der Gesellschaft erreicht.
Doch nicht nur finanzielle Sorgen beschäftigen Alleinerziehende. Insbesondere die Zeit nach einer Trennung stellt eine zusätzliche Herausforderung dar, denn der Trennungsprozess kann das Bindungs- und Erziehungsverhalten von Eltern und Kindern erschüttern. Zudem bedeuten die getrennten Wege in einigen Familien einen Verlust sozialer Kontakte und den Wegfall von Unterstützungspersonen – auch das kann der Gesundheit zusetzen, denn nun sind Betreffende für beinahe alles alleine zuständig. Gleichzeitig fehlen manchmal Menschen, die im Alltag und in Krisensituationen emotional da sind, beispielsweise mit einem offenen Ohr für Probleme.
Wie gesund sind Alleinerziehende wirklich?
Es gibt viele in Deutschland durchgeführte Untersuchungen, die belegen, dass die psychische Gesundheit von Alleinerziehenden, insbesondere die der Mütter, häufiger beeinträchtigt ist als von Eltern, die als Paar gemeinsam in einem Haushalt leben. Sie leiden häufiger unter Stress, verspüren vermehrt ein Gefühl von Einsamkeit und leiden öfter unter Depressionen.
Alleinerziehende klagen zudem häufiger über Rückenschmerzen und bringen Risikofaktoren für zahlreiche Erkrankungen mit: Sie rauchen öfter und machen seltener Sport. Das kann auch Folgen für das kardiovaskuläre System haben. Tatsächlich besaßen Alleinerziehende in einer Untersuchung eine 1,3-fach höhere Wahrscheinlichkeit für eine beeinträchtigte Herz-Kreislauf-Gesundheit. Eine groß angelegte Studie, in der Forschende Daten von 2019 bis 2023 analysierten, zeigt, dass Alleinerziehende in Deutschland ihren Gesundheitszustand schlechter einschätzen als Eltern in Partnerschaften – das gilt unter anderem für die Bereiche depressive Symptome, Tabakkonsum und die Inanspruchnahme professioneller Unterstützung bei psychischen Schwierigkeiten.
Das bedeutet aber nicht, dass eine alleinerziehende Mutter oder ein alleinerziehender Vater automatisch krank ist oder wird. Schließlich gibt es nicht die klassische alleinerziehende Person – wer ohne einen Partner oder eine Partnerin ein Kind großzieht, macht das auf vielfältige Weise. Alleinerziehende haben mit dem anderen Elternteil verschiedene Betreuungsvereinbarungen und besitzen sehr unterschiedliche Ressourcen mit Blick auf ihre Persönlichkeit und die ihnen zur Verfügung stehende Zeit. Das alles kann eine Rolle bei der Gesundheit spielen, denn wer beispielsweise mehr Zeit hat, kann auch mitunter eigene Bedürfnisse besser erfüllen.
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Der Alltag verlangt Alleinerziehenden viel ab und ist oft stressbehaftet – die Entspannung sollte deshalb nicht zu kurz kommen. In Entspannungskursen der AOK lernen Teilnehmende Techniken, mit denen sie Stress besser händeln und bewusst entspannen können.
Wann drohen negative Konsequenzen für die Gesundheit?
Das Gefühl von Überforderung und Stress ist vielen Menschen nicht fremd, doch welche Faktoren kommen speziell bei Alleinerziehenden dazu? Negative Konsequenzen für die Gesundheit oder das Gesundheitsverhalten bemerken Alleinerziehende insbesondere dann, wenn zu der Belastung durch die alleinige Verantwortung weitere Faktoren hinzukommen: Dazu zählen neben dem Armutsrisiko psychosoziale Herausforderungen, zum Beispiel auf der Arbeit, aus Zeitmangel und bei fehlendem Rückhalt durch andere Menschen.
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Neue Liebe, neues Glück und mehr Gesundheit?
Alleinerziehenden fehlt oftmals nicht nur eine Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben, sondern auch ein wichtiger emotionaler Beistand und eine Quelle sozialer Wertschätzung. Dies kann zusätzlich zu einer verringerten psychischen Gesundheit beitragen. Eine erneute Partnerschaft kann das psychische Wohlbefinden verbessern. Das ist aber kein Lösungsansatz, der für jeden Menschen funktioniert. Schließlich spielen hier die fehlende Freizeit und die Bereitschaft, eine neue Beziehung einzugehen, eine große Rolle. Vielmehr geht es um den Aufbau und die Nutzung sozialer Beziehungen, die bedeutsam für das Gesundheitsverhalten sind. Auch Freunde und Familienmitglieder können demnach stressreiche Situationen abfangen und wichtige Gesprächsbeteiligte sein.
Gesundheitstipps für Alleinerziehende
Für Menschen, die alleine ein Kind großziehen, gelten grundsätzlich die gleichen Gesundheitsempfehlungen wie für alle anderen. Allerdings ist die Umsetzung dieser Empfehlungen aufgrund ihrer Lebenssituation erschwert. Mit unseren Tipps reduzieren Sie den Druck im Alltag und schenken Ihrem Wohlbefinden mehr Aufmerksamkeit.
- Soziale Kontakte knüpfen: Eine Trennung kann zu einem Kontaktabbruch führen, unter anderem von den Schwiegereltern, oder den Freundeskreis durch Loyalitätskonflikte spalten. Vielen Müttern und Vätern hilft es dann, sich auf neue Freundschaften einzulassen. Über soziale Netzwerke oder Initiativen für Alleinerziehende können sie Kontakte herstellen, auch Eltern-Kind-Sportgruppen bieten eine gute Gelegenheit. Vielleicht gibt es vorhandene Kontakte, die auch wieder intensiviert werden können? Wichtig ist, Unterstützung anzunehmen.
- Beratungsmöglichkeiten nutzen: Eltern-Kind-Kuren, Kinderzuschlag und Wohngeld – es gibt Angebote, die auch Alleinerziehende gesundheitlich oder finanziell unterstützen. Mütter und Väter können sich dafür an die Kostenträger wenden, wie die Familienkasse, an Wohngeldstellen oder die Krankenkasse. Wohlfahrtsverbände wie die Caritas oder der Verband alleinerziehender Mütter und Väter Bundesverband e.V. bieten eine Beratung zu vielen Themen an.
- Selbstfürsorge betreiben: Selbstfürsorge bedeutet, sich um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern – diese rücken bei Alleinerziehenden nicht selten aus dem Fokus. Sie vereinbaren am besten einen festen Wochentermin mit sich, um das Wohlbefinden zu steigern, das kann mit einem Freundschaftstreffen, einem Saunabesuch oder einer Joggingrunde gelingen.
- Hilfsmittel für mehr Struktur: Im Leben von Alleinerziehenden ist viel Organisationsvermögen gefragt. Damit Mütter und Väter den Überblick über Anträge bei Behörden und Termine in der Schule, der Kita, bei der Ärztin oder dem Arzt nicht verlieren, können sie Ordner, Kalender oder Erinnerungsapps nutzen.