Psychologie
Dunning-Kruger-Effekt – Warum sich Menschen selbst überschätzen
Veröffentlicht am:11.01.2024
4 Minuten Lesedauer
Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt das Phänomen, dass gerade unwissende Menschen ihre Fähigkeiten überschätzen und sich als kompetenter präsentieren als sie eigentlich sind. Wieso ist das so? Und welche Folgen kann eine übertriebene Selbsteinschätzung haben?
Was ist der Dunning-Kruger-Effekt?
Manche Menschen haben ein scheinbar unerschütterliches Selbstvertrauen: Selbst nach dem dritten Autounfall innerhalb eines Monats – ohne Fremdeinwirkung – sind sie der Meinung, dass sie überdurchschnittlich gute Autofahrer beziehungsweise Autofahrerinnen sind. Statt die Schuld bei sich zu suchen, schieben sie es zum Beispiel auf einen technischen Defekt am Auto oder die blendende Sonne.
Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt das Phänomen, dass Menschen mit geringer Kompetenz dazu neigen, ihre Fähigkeiten zu überschätzen, da sie nicht in der Lage sind, ihre eigenen Defizite zu erkennen. Namensgebend sind die Psychologen David Dunning und Justin Kruger, die den Effekt 1999 erstmals beschrieben. In ihrer Studie testeten sie die Teilnehmenden auf Logik, Grammatik sowie ihren Sinn für Humor. Diejenigen, die in diesen Bereichen schlecht abschnitten, neigten dazu, ihre Fähigkeiten zu überschätzen und sich als überdurchschnittlich kompetent zu betrachten. Die Teilnehmenden dagegen, die gut abschnitten, konnten ihre Fähigkeiten realistischer einschätzen.
Worauf ist der Dunning-Kruger-Effekt zurückzuführen?
Doch warum überschätzen sich Menschen? Dunning und Kruger führen den Effekt auf einen Mangel an Metakognition zurück. Das bedeutet, dass man nicht in der Lage ist, die eigenen kognitiven Prozesse (zum Beispiel Gedanken, Wahrnehmungen oder Entscheidungen) zu reflektieren.
Ein Defizit in der Metakognition führt nicht nur dazu, dass die Betroffenen sich selbst überschätzen, ihnen fehlt gleichzeitig die Fähigkeit, dies zu erkennen. Zum Beispiel: Die Fähigkeit, einen Satz richtig zu schreiben, ist die gleiche, wie die Fähigkeit zu erkennen, ob ein Satz richtig oder falsch geschrieben ist. Das bedeutet nach David Dunning, dass das Wissen, das man benötigt, um ein richtiges Urteil zu fällen, das gleiche Wissen ist, das man benötigt, um zu erkennen, ob ein Urteil richtig oder falsch ist.
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Hat der Dunning-Kruger-Effekt auch Vorteile?
Einige Studien deuten darauf hin, dass ein wenig Selbstüberschätzung nicht unbedingt schädlich sein muss. Im Gegenteil, es kann sogar von Vorteil sein. So neigen Menschen, die zu viel Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten haben, oft dazu, sich mehr auf die erwarteten Vorteile als auf die Kosten zu konzentrieren. Das kann dazu führen, dass Menschen anspruchsvollere Ziele verfolgen und sich mehr anstrengen, um diese auch zu erreichen – was teilweise auch gelingt. Es hat sich für innovative Branchen gezeigt, dass übertrieben selbstbewusste, zu selbstsichere oder zu übermütige CEOs, die in riskante Projekte investieren, oft die erfolgreicheren Innovatoren sind.
Ein übermäßiges Selbstbewusstsein kann auch einen Vorteil bezüglich des sozialen Status haben. Menschen halten andere Menschen, die übermäßig selbstbewusst sind, für kenntnisreicher und vertrauenswürdiger als ihre ebenso kompetenten, aber weniger selbstbewussten Mitmenschen und messen ihnen einen höheren Status bei.
Welche Nachteile hat der Dunning-Kruger-Effekt?
Eine realitätsfremde Selbsteinschätzung führt zu unrealistischen Erwartungen, die Enttäuschungen und Frustrationen zur Folge haben, etwa wenn gesetzte Ziele nicht erreicht werden.
Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass man in eine Art Teufelskreis der Inkompetenz gerät:
Im Vergleich zu kompetenteren Menschen überschätzen sich inkompetente Personen nicht nur. Sie sind auch weniger in der Lage, anhand von Informationen aus dem sozialen Vergleich ihr wahres Leistungsniveau zu erkennen. Gleichzeitig verkennen sie die Leistung kompetenterer Menschen. Darum fehlen womöglich die Motivation und Notwendigkeit, sich weiterzubilden und die eigene Kompetenz zu steigern.
Was tun bei falscher Selbsteinschätzung?
Laut Dunning und Kruger können inkompetente Personen kompetenter werden, indem sie ihre metakognitiven Fähigkeiten verbessern. Wie dies funktionieren kann, zeigt das Vier-Stufen-Modell der Kompetenzen. Die Stufen werden oft als eine Treppe dargestellt, bei der jede Stufe auf der vorherigen aufbaut:
- Unbewusste Inkompetenz: In dieser Stufe weiß die Person nicht, dass sie eine bestimmte Fähigkeit nicht besitzt oder dass sie Schwierigkeiten hat, sie auszuführen.
- Bewusste Inkompetenz: Die Person erkennt, dass sie eine bestimmte Fähigkeit nicht besitzt und dass sie etwas dafür tun muss, um diese Fähigkeit zu erwerben.
- Bewusste Kompetenz: Die Person hat die Fähigkeit erworben und ist in der Lage, sie anzuwenden, aber es erfordert immer noch Konzentration und Anstrengung.
- Unbewusste Kompetenz: Die erworbene Fähigkeit kann in dieser Stufe mühelos und automatisch angewendet werden.
Selbstreflexion ist also ein wichtiger Schritt. Sie kann das Bewusstsein für die Neigung zur Selbstüberschätzung schaffen und damit auch das Wissen, dass man sich weiterentwickeln muss.
Kritik am Dunning-Kruger-Effekt
Kritiker bemängeln, dass der Dunning-Kruger-Effekt zu vereinfachend sei und zu wenige Faktoren berücksichtige, die das Selbstbewusstsein und das Verhalten beeinflussen können. So stellten Forscher und Forscherinnen der University of Chicago fest, dass Menschen dazu neigen, sich bei Aufgaben, die einfach scheinen, für überdurchschnittlich gut zu halten. Dieser Effekt wird manchmal als illusorische Überlegenheit bezeichnet. Ein bekanntes Beispiel ist, dass sich die meisten Autofahrer und Autofahrerinnen für besser als der Durchschnitt halten, obwohl nur die Hälfte der Autofahrenden tatsächlich zu den besten 50 Prozent gehören kann.
Bei Aufgaben hingegen, die schwierig erscheinen, schätzen sich Menschen schlechter ein. In ihrer Studie erhöhten die Forschenden den Schwierigkeitsgrad von Quizfragen, indem sie sehr präzise Antworten verlangten. Die Teilnehmenden schätzten ihre Leistung bei diesem schwierigen Quiz im Allgemeinen schlechter ein, so dass die schlechtesten Teilnehmer eine ziemlich genaue Selbsteinschätzung hatten, während die besten Teilnehmer sich stark unterschätzten. Laut diesen Ergebnissen hätten also die kompetenteren Menschen das metakognitive Defizit und nicht die inkompetenteren wie beim Dunning-Kruger-Effekt.