Psychologie
Souverän mit sozialen Medien umgehen
Veröffentlicht am:05.03.2021
5 Minuten Lesedauer
Der Vergleich der eigenen Person und Lebenswelt mit den optimierten und teilweise geschönten Selbstdarstellungen anderer Nutzer kann das Selbstwertgefühl stark beeinträchtigen und zu Niedergeschlagenheit und gedrückter Stimmung führen. Warum ist das so? Und was können Sie tun, damit es nicht so weit kommt? Mit diesen sieben Tipps surfen Sie gesund durch die sozialen Netzwerke.
Gefahren beim Umgang mit sozialen Medien
Da immer mehr Menschen viel Zeit mit sozialen Medien verbringen, ist auch die Zahl der Studien dazu gewachsen. Viele dieser Studien malen ein düsteres Bild der Auswirkungen sozialer Medien auf die psychische Gesundheit. Einige legen nahe, dass eine intensive Social-Media-Nutzung sogar die Entwicklung von Depressionen begünstigen kann. Ein Kausalzusammenhang zwischen der Social-Media-Nutzung und der Entwicklung einer Depression ist aber noch nicht eindeutig belegt, da es sich um ein klassisches Henne-Ei-Dilemma handelt. Nutzen Menschen mit einer depressiven Veranlagung häufiger soziale Medien oder werden Menschen aufgrund ihres Social-Media-Konsums depressiv? Auch wenn sich nur Korrelationen zeigen und keine beweisbaren Kausalitäten, sind die Ergebnisse der Untersuchungen sehr aufschlussreich.
- Eine Studie der Universitäten Arkansas und Pittsburgh beobachtete 1289 Studienteilnehmer zwischen 18 und 30 Jahren über sechs Monate hinweg. 990 gaben zu Beginn der Studie an, keine depressiven Symptome zu haben. Nach den sechs Monaten hatten 95 dieser Personen (9,6 Prozent) solche Symptome entwickelt. Dabei zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Intensität der ursprünglichen Social-Media-Nutzung und dem Auftreten von Depressionen nach 6 Monaten. Das Viertel der Probanden mit der stärksten Social-Media-Nutzung zu Studienbeginn hatte ein 2,8-fach höheres Risiko eine Depression zu entwickeln als das Viertel der Probanden mit der niedrigsten Sozial-Media-Nutzung.
- Für eine Langzeitstudie der Universität Montreal wurden rund 4000 Teenager über vier Jahre begleitet. Das Ergebnis: Je mehr Zeit die Probanden mit sozialen Medien verbrachten, umso stärkere depressive Symptome entwickelten sie. Dies galt sowohl für Vergleiche zwischen Teenagern mit unterschiedlicher Nutzungsintensität sozialer Medien als auch für die individuelle Entwicklung der Probanden im Zeitverlauf. Dabei scheint es von geringerer Bedeutung zu sein, dass ein hoher Zeitaufwand für soziale Medien weniger Zeit für gesündere Aktivitäten, wie Sport, lässt. Die ungünstigen Effekte intensiver Social-Media-Nutzung scheinen eher durch soziale Vergleiche mit besser gestellten Personen getriggert zu werden. Zudem wird angenommen, dass sich Internet- und Social-Media-Nutzer insbesondere Informationen suchen, die zu ihrer Stimmung und Wahrnehmung passen. Das würde bedeuten, dass Nutzer mit einer bereits gedrückten Stimmung im Netz vor allem solche Informationen auswählen, die dieser Stimmung entsprechen und sie damit im Sinne einer Abwärtsspirale weiter verstärken.
Der soziale Vergleich
Es ist kaum möglich, sich auf Facebook, Instagram und Co. nicht mit anderen Menschen zu vergleichen. Dabei gerät oft in den Hintergrund, dass die sozialen Medien ein Filter und nicht die Realität sind. Wer ständig mit makellosen Körpern und aufregenden Hobbies konfrontiert wird, kann stärker zu Selbstzweifeln und zu einer verzerrten Selbstwahrnehmung neigen.
Der Zeitaufwand
Die Rechnung ist einfach: Je mehr Zeit vor dem Screen verbracht wird, desto weniger bleibt für echte soziale Kontakte, für kreative Projekte, das Umsetzen von Zielen, für Tagträume, Muße, Schlaf, Bewegung und vieles mehr. Werden essenzielle Bedürfnisse vernachlässigt, hat das auch negative Auswirkungen auf die Psyche.
Die Reizüberflutung
Das Gehirn besitzt nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit. Deswegen kann die enorme Informationsflut aus dem Internet zu einer Reizüberflutung führen. Eine aktuelle Studie der Universität Wien zeigt etwa: Vor allem die Fülle audiovisueller Reize, die Internet-Videokanäle bieten, kann das Gehirn überfordern. Die subjektiv wahrgenommene Informationsüberflutung ist wiederum mit depressiven Symptomen und einem reduzierten Wohlbefinden assoziiert.
Die Sucht nach Likes
Der Körper schüttet Glückshormone aus, wenn Posts gelikt, mit positiven Kommentaren versehen oder Beiträge retweetet werden. Diese angenehme Erfahrung möchte man wiederholen, insbesondere dann, wenn es im realen Leben nur wenige alternative Quellen positiver Erfahrungen gibt. So kann auch eine Sucht entstehen. Betroffene verbringen im Bemühen um Anerkennung dann immer mehr Zeit im Netz. Von einer internetbezogenen Störung spricht man, wenn die Betroffenen die Kontrolle über ihr Internetverhalten verlieren, eine Toleranz entwickeln, die dazu führt, dass mehr konsumiert werden muss, um den gleichen positiven Effekt zu erzielen und Entzugserscheinungen auftreten, wenn die Nutzung nicht möglich ist. Andere Interessen und Pflichten werden dann zunehmend vernachlässigt, aber der Internet-Konsum wird trotz der negativen Konsequenzen dieses Verhaltens fortgesetzt.
1. Trauen Sie der Glitzerwelt nicht
Nirgends herrscht so wenig Authentizität wie in den sozialen Medien. Digital sind alle schön: Filter, Photoshop und aufwendiges Makeup verändern jeden in vermeintliche Schönheitsideale. Gestellte Szenen lassen den Internetnutzer glauben, andere würden ein perfektes Leben führen und ihre Freizeit prinzipiell an Südseestränden verbringen. Natürlich sieht der Alltag dieser Menschen anders aus, die anstrengenden, frustrierenden und schmerzhaften Momente werden eben nur nicht gepostet. Denken Sie beim Surfen stets daran: Was Sie sich da anschauen, ist zum großen Teil mit viel Arbeit im Hintergrund verbunden, Fake oder nur ein einzelner Ausschnitt aus einem sonst völlig gewöhnlichen Leben.
2. Richten Sie den Fokus auf das echte Leben
Twitter, Instagram, Snapchat & Co. bieten die Möglichkeit, sich auszutauschen – gerade in Zeiten der Corona-Pandemie ist das noch wichtiger geworden. Soziale Netzwerke können aber niemals einen echten menschlichen Kontakt ersetzen. Umarmungen und Berührungen, Blicke, gemeinsames Lachen, all das stärkt die Psyche. Als soziale Wesen sind Menschen auf Kontakt angewiesen. Auch während der Corona-Pandemie ist dieser bei Beachtung der geltenden Hygiene- und Abstandsregeln möglich. Sie können aber auch Telefonieren oder zum Beispiel mit den Liebsten skypen. Entscheidend ist: Schenken Sie Ihrem realen Leben immer mehr Aufmerksamkeit als Ihrem virtuellen.
3. Surfen Sie nicht in schlechter Stimmung
Die meisten Studien zum Thema „Social Media Depression“ zeigen, dass sich gedrückte Stimmung und Niedergeschlagenheit durch die Nutzung sozialer Medien noch verstärken. Sie fühlen sich ohnehin schon traurig, einsam oder haben einfach schlechte Laune? Dann legen Sie bewusst eine Social-Media-Pause ein, bis Sie sich wieder besser fühlen. Machen Sie etwas Alternatives, das Glückshormone ausschüttet, zum Beispiel Sport oder einen Spaziergang in der Sonne.
4. Setzen Sie sich zeitliche Limits
Laut einer JIM-Studie von 2018 (Jugend, Information, Medien) verbringen Jugendliche nach eigenen Angaben täglich fast dreieinhalb Stunden im Internet. Bei ihnen und den Erwachsenen steigt die tägliche Nutzungsdauer stetig an. Die Corona-Pandemie hat diese Tendenz nun deutlich verstärkt. Eine Bitkom-Befragung hat ergeben: 75 Prozent der Internetnutzer sind während der Pandemie vermehrt in sozialen Medien aktiv. Wie viel Internet pro Tag gut tut und wie viel bereits das Wohlbefinden beeinträchtigt, ist sehr individuell. Überlegen Sie sich bewusst, zu welchen Tageszeiten und in welchen Situationen Sie auf Ihr Handy verzichten können. Wenn Ihnen der digitale Detox schwerfällt, installieren Sie eine App, die ein tägliches Zeitlimit vorgibt.
5. Suchen Sie sich authentische Vorbilder
Sie folgen super-schlanken, makellosen Fitness- oder Food-Influencern, die permanent Kalorien zählen und täglich in blendender Laune ihr Sportprogramm durchziehen? Solche Vorbilder können die Stimmung und Zufriedenheit negativ beeinflussen. Inzwischen gibt es auch Gegentrends zum Körperkult im Netz. Viele Influencer setzen sich mit Selbstwert, Individualität und Authentizität auseinander. Sie zeigen sich ungeschminkt, in ungestellten Situationen und fordern zu mehr Natürlichkeit auf. Auch Menschen mit veremintlichen Makeln oder Krankheiten trauen sich immer öfter in die Öffentlichkeit: Sie erzählen etwa, wie sie ihre Depressionen besiegt oder wie sie Essstörungen in den Griff bekommen haben und machen anderen Betroffenen damit Mut. Hören Sie in sich selbst hinein: Welche Personen tun Ihnen gut, welchen sollten Sie besser nicht mehr folgen?
6. Verbannen Sie das Smartphone aus dem Schlafzimmer
Nehmen Sie Ihr Handy nicht mit ins Bett: Der Abend sollte eine Phase der Ruhe sein, in der die Erlebnisse des Tages verarbeitet werden können. Neue Reize und Informationen sind kurz vor dem Schlafengehen fehl am Platz. Schaffen Sie sich stattdessen ein neues Ritual: Lesen Sie zum Beispiel jeden Abend noch ein paar Seiten oder machen Sie eine Meditation. Gönnen Sie sich auch morgens eine gewisse Ruhephase, bevor Sie Ihre Social-Media-Feeds checken.
7. Schützen Sie sich vor Cybermobbing
Wer keine Sicherheitsvorkehrungen trifft, kann im Internet mit verletzenden Kommentaren und Cybermobbing konfrontiert werden. In der virtuellen Welt neigen leider einige Menschen dazu, ihre Hemmungen fallen zu lassen. Unter dem Schutz der Anonymität teilen sie besonders hart aus. Stellen Sie deswegen in den Sicherheitseinstellungen des jeweiligen sozialen Netzwerks ein, dass Ihr Profil und Ihre Posts nur für Personen aus Ihrer Freundesliste sichtbar sind. Konfigurieren Sie Ihr Profil so, dass Sie keine Nachrichten von Fremden erhalten können. Adden Sie außerdem nur Personen, die Sie real kennen und recherchieren im Zweifelsfall erst nach, bevor Sie jemanden als Freund hinzufügen.
Weitere Informationen finden Sie bei der Initiative „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht“. Sie informiert Familien umfangreich zur Medienerziehung.