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Gesundheitsmagazin

Psychologie

Symptome einer Depression bei Männern

Veröffentlicht am:19.10.2022

6 Minuten Lesedauer

Wut anstatt Traurigkeit – eine Depression kann sich bei Männern anders äußern als bei Frauen. Betroffene ordnen die Symptome dann beispielsweise einer zu hohen Stressbelastung zu. Woran Männer eine Depression bei sich erkennen können.

Ein Mann mit Depressionen steht vor einem Fenster und hält sich den Kopf.

© iStock / Marjan_Apostolovic

Porträt von Prof. Dr. Ulrich Voderholzer, Ärztlicher Direktor der Schön Klinik Roseneck sowie Chefarzt der Abteilung Psychosomatik und Psychotherapie.

© Schön Klinik

Prof. Dr. Ulrich Voderholzer ist Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Schön Klinik Roseneck, einer Fachklinik für psychische und psychosomatische Erkrankungen. Im Interview beschreibt er, wie sich Männer mit einer Depression fühlen können und wo sie Hilfe erhalten.

Welche Symptome deuten auf eine Depression beim Mann hin?

Depressionen sind sehr gut definiert, Mediziner und Medizinerinnen unterscheiden hier Hauptsymptome von Nebensymptomen. Zu den Hauptsymptomen zählen depressive Stimmung, Interessensverlust, Antriebslosigkeit und Freudverlust. Schlaf- und Konzentrationsstörungen sind Beispiele für Nebensymptome. Die Hauptsymptome und die Nebensymptome können grundsätzlich auf beide Geschlechter zutreffen. Insbesondere bei Männern treten aber manchmal noch andere Symptome in den Vordergrund. Bei depressiven Männern kann eine ausgeprägte Wut, Aggression oder eine ständige Gereiztheit den Alltag bestimmen. Betroffene selbst, aber auch das Umfeld, bringen diese eher  untypischen Symptome oftmals nicht mit der psychischen Erkrankung in Verbindung. Das ist ein ernst zu nehmendes Problem, denn aufgrund der eher untypischen Symptome erhält ein Mann vielleicht nicht die Hilfe, die er bei einer Depression braucht.

Inwieweit können die Symptome die Beziehung belasten?

Männern fällt es meist schwerer, mit Gefühlen umzugehen. Manchmal lassen sie Gefühle wie Traurigkeit gar nicht erst zu und verdrängen sie lieber. Sprechen sie mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin nicht über ihren Gefühlszustand und ihr Gegenüber bekommt womöglich noch Beleidigungen zu hören, kann das eine Beziehung stark belasten. Schließlich gelingt es dem anderen Menschen in der Beziehung nicht automatisch, die Wut auf den Partner oder die Partnerin einer Depression bei Männern zuzuordnen. Viele Partnerschaften gehen dadurch in die Brüche, dass sich Betroffene keine Hilfe suchen und Angehörige praktisch außen vor bleiben. Dabei sind sie oft eine wertvolle Stütze im Krankheitsfall – sie können Aufgaben im Alltag abnehmen oder Gespräche anbieten.

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Nehmen Männer bei psychischen Symptomen zu wenig Hilfe in Anspruch?

Männer suchen sich bei psychischen Beschwerden meist nicht so schnell Hilfe wie Frauen. Das kann daran liegen, dass das Bild des starken Mannes in der Gesellschaft noch immer sehr vertreten ist. Ein Mann muss leistungsfähig sein und eine Führungsrolle übernehmen - das glauben zumindest viele Männer. Eine Depression kann jedoch mit Entscheidungsschwäche, Antriebslosigkeit und Niedergeschlagenheit einhergehen. Das klassische Rollenbild und die Beschwerden einer Depression passen für viele Betroffene nicht zusammen – sie erleben die psychische Erkrankung daher als Schande. Besonders wichtig ist, Männern zu signalisieren, dass eine Depression jeden Menschen treffen kann, ganz egal, wie leistungsfähig er sonst ist. Selbst anzuerkennen, dass man krank ist und Hilfe benötigt, zeugt von Stärke und nicht von Schwäche.

„Besonders wichtig ist, Männern zu signalisieren, dass eine Depression jeden Menschen treffen kann, ganz egal, wie leistungsfähig er sonst ist.“

Prof. Dr. Voderholzer
Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Schön Klinik Roseneck

Wie wird eine Depression beim Mann diagnostiziert?

Beobachtet ein Mann bei sich Depressions-Symptome, wie Freudlosigkeit oder auch ein aufbrausendes Verhalten, Wutanfälle oder eine gesteigerte Aggression, kann er sich vertrauensvoll an den Hausarzt, die Hausärztin bzw. einen Psychotherapeuten oder eine Psychotherapeutin wenden. In einem offenen Gespräch hören diese dem Betroffenen zu und fragen gezielt nach, um die Gründe für das Verhalten zu verstehen. Natürlich ist im Anschluss eine genaue Diagnostik wichtig. Dabei werden von den Fachleuten gezielt die Diagnosekriterien überprüft, also ob die für die Depression typischen Hauptsymptome oder Nebensymptome vorliegen. Dabei helfen Fragen wie: „Fühlten Sie sich in den letzten zwei Wochen niedergeschlagen?“ oder „Haben Sie Mühe, Ihren Alltag zu bewältigen?“. Besonders wichtig ist auch die Frage nach möglichen Selbstmordgedanken. Manchmal haben Menschen die Sorge, dass depressive Personen durch diese direkte Frage erst auf die Idee kommen, sich etwas anzutun. Das ist aber nicht so. Vielmehr tragen alle Fragen, auch zum Thema Selbstmordgefahr, dazu bei, das richtige Therapieangebot für den Betroffenen zu finden.

Können auch andere Erkrankungen hinter den Symptomen stecken?

Es gibt tatsächlich Unstimmigkeiten im Körper, die Depressions-Symptome auslösen, ohne dass die psychische Erkrankung wirklich vorliegt. Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen, eine übermäßige Produktion des Stresshormons Cortisol oder ein Gehirntumor kann den Eindruck erwecken, dass es sich um eine Depression handelt – das ist aber eher selten der Fall. Bei älteren Menschen kann eine Depression mit einer Demenz verwechselt werden – beide Erkrankungen können Stimmungsschwankungen hervorrufen. Mit körperlichen Untersuchungen und weiteren Untersuchungen grenzen Ärzte und Ärztinnen die verschiedenen Diagnosen voneinander ab. Das gelingt ihnen beispielsweise mit der Bestimmung der Schilddrüsenwerte im Blut oder – wenn angezeigt – mit bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomographie.

Ein Mann mit Depressionen bei einer Psychotherapie-Sitzung.

© iStock / izusek

Positiv ist, dass gegenüber früherer Jahre der Anteil von Männern, die bereit sind, eine Psychotherapie in Anspruch zu nehmen, gestiegen ist.

Wird eine Depression beim Mann anders als bei der Frau behandelt?

Männern fällt es oft schwerer als Frauen, Gefühlszustände wie Anspannung wahrzunehmen. Deshalb benötigen sie manchmal spezielle Behandlungszugänge. Dafür eignen sich beispielweise Methoden, die eine bessere eigene Wahrnehmung emotional bedingter Körperreaktionen direkt ermöglichen. Das kann zu wahren Aha-Momente führen. Eine Behandlung ist im besten Fall immer persönlich auf den Patienten zugeschnitten. Menschen können aus ganz unterschiedlichen Gründen in eine Depression geraten. Ein erhöhter Leistungsanspruch ist dafür nur ein Beispiel. Dem individuellen Problem auf die Spur zu kommen und dort anzusetzen, das leistet eine gute Therapie. Eine Psychotherapie und der Einsatz von Medikamenten gehören übrigens zu den etabliertesten Behandlungsmethoden bei einer Depression. Welcher Therapieansatz sich am besten für den Patienten eignet, das entscheiden Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen je nach vorliegenden Symptomen und Ausprägung der Depression.

„Menschen können aus ganz unterschiedlichen Gründen in eine Depression geraten. Dem individuellen Problem auf die Spur zu kommen und dort anzusetzen, das leistet eine gute Therapie.“

Prof. Dr. Voderholzer
Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Schön Klinik Roseneck

Wie gelingt es, Männer mit einer Depression zu unterstützen?

Angehörige, Freunde, Freundinnen und Liebende können Männer mit einer Depression unterstützen, indem sie keine Vorwürfe machen und keinen Druck aufbauen. Es ist sehr wichtig, dass das Umfeld des Betroffenen anerkennt, dass es sich dabei um eine Erkrankung handelt. Wenn sich ein depressiver Mensch nicht mehr für gemeinsame Aktivitäten interessiert, ist das oft Ausdruck der Depression und nicht dafür, dass er die Beziehung nicht zu schätzen wüsste.

Depressionen können zu einer Vereinsamung beitragen. Zum einen, weil der Betroffene sich aufgrund seiner Erkrankung selbst zurückzieht. Es kann aber auch passieren, dass lieb gewonnene Menschen wegen der Depression den Kontakt abbrechen. Wenn der Betroffene die Erfahrung macht, dass sich andere von ihm abwenden, kann das depressive Episoden verstärken. Im besten Fall signalisieren Angehörige, Freunde, Freundinnen oder Liebende ihre Gesprächsbereitschaft. Hier ist aber Fingerspitzengefühl gefragt. Sätze wie „Reiß dich doch mal zusammen“ signalisieren dem Betroffenen, dass der Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin die Erkrankung nicht anerkennt. Diese Form von Unverständnis kann Schuldgefühle bei Betroffenen verstärken. Allerdings sind Angehörige keine Therapeutinnen oder Therapeuten. Depressive Männer holen sich bei psychischen Symptomen deshalb am besten professionelle Unterstützung. Verständnis, Einfühlungsvermögen und Liebe sind für depressive Männer aber trotz Therapieangeboten sehr wichtig.

Fazit

Insgesamt haben Depressionen eine zentrale Bedeutung in der psychischen Gesundheit von Männern. Weiterhin müssen wir davon ausgehen, dass vor allem bei Männern depressive Erkrankungen deutlich zu selten diagnostiziert werden. In den letzten Jahren hat unter anderem die breite, auch mediale Beschäftigung mit dem Burnout Syndrom vor allem Männern die verstärkte Auseinandersetzung mit eigenen psychischen Beschwerden ermöglicht. Als positiv ist zu werten, dass gegenüber früheren Jahren der Anteil von Männern gestiegen ist, die bereit sind, Psychotherapie in Anspruch nehmen.

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