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Psychologie

Wenn Ängste übermächtig werden

Veröffentlicht am:08.03.2022

5 Minuten Lesedauer

Sie können Ihr Leben nicht mehr genießen, weil Sie sich ständig um Ihren nächsten Angehörigen sorgen oder Angst davor haben, dass Ihnen selbst etwas passieren könnte? Dann leiden Sie womöglich an einer generalisierten Angststörung. Alles Wichtige über Symptome, Diagnose und Behandlung.

Eine ältere Frau schaut verloren und traurig auf den Boden

© iStock / Motortion

Generalisierte Angststörung: im Sorgenkarussell

Was, wenn ihm etwas passiert ist? Sollte ich ihn besser anrufen oder lenke ich ihn dann vom Straßenverkehr ab und löse einen Unfall aus?

Solche Sorgen hatten vermutlich viele Menschen schon einmal um eine nahestehende Person – und das ist auch ganz normal. Bei Betroffenen einer generalisierten Angststörung sind diese jedoch sehr stark ausgeprägt. Die Besorgtheit und Anspannung ist ein Dauerzustand, der den Alltag überschattet. Die Gedanken drehen sich stets um negative Szenarien, die theoretisch eintreten könnten, aber sehr viel unwahrscheinlicher sind, als Betroffene das wahrnehmen.

Menschen mit generalisierter Angststörung vermuten immer das Schlimmste. Dabei kann eine Angst die nächste jagen: Meine Tochter sieht so blass aus – was ist, wenn sie schwer erkrankt? Was ist dann mit ihren Kindern? Die Coronakrise dauert schon so lange, man liest so viel über die Wirtschaft – was mache ich, wenn ich meinen Job verliere? Ich werde bestimmt als erstes gekündigt. Oder: Mein Mann hat sich seit einer Stunde verspätet. Hoffentlich hatte er keinen Unfall. Wie soll ich weiterleben, wenn mein Mann verunglückt ist?

Betroffene leiden unter diesen Befürchtungen, ohne dass es einen konkreten Anlass für sie gäbe. Die Ängste können sich auch um vergleichsweise harmlose Dinge drehen, beispielsweise den möglichen Verlust des Schlüsselbundes oder des Handys. Außerdem sind sie für Betroffene nicht zu kontrollieren: Das Sorgenkarussell dreht sich permanent weiter.

Begleitende Symptome einer generalisierten Angststörung

Die andauernde Anspannung und Sorge, die Betroffene einer generalisierten Angststörung empfinden, kann zu einer Reihe psychischer und körperlicher Symptome führen:

  • Herzklopfen
  • Schweißausbrüche
  • Kribbeln im Magen
  • Magenbeschwerden
  • Schwindel
  • Benommenheit
  • Zittern oder Schwitzen
  • Muskelverspannungen
  • Konzentrationsstörungen
  • Nervosität, Reizbarkeit
  • Einschlafstörungen
  • Angst, verrückt zu werden oder zu sterben

Betroffene rufen Angehörige oft an, um sich rückzuversichern, dass es ihnen gut geht. Typisch ist zudem, dass sie Aktivitäten meiden, die sie als gefährlich einschätzen, oder ihren Angehörigen raten, auf Aktivitäten zu verzichten. Etwa Urlaubsreisen. Ihr Leben kann dadurch stark eingeschränkt sein.

Wie gefährlich ist die generalisierte Angststörung?

Manchmal werden betroffene Personen von ihrem Umfeld nicht ernst genommen. Viele suchen über Jahre keine professionelle Hilfe. Dabei handelt es sich bei einer generalisierten Angststörung um eine psychische Erkrankung, die behandelt werden sollte. Etwa fünf Prozent der Menschen entwickeln sie im Laufe des Lebens. Meist tritt sie in den mittleren Lebensjahren erstmals auf. Frauen sind dabei doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Oft tritt die Störung in Verbindung mit anderen psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder anderen Formen von Angststörungen auf. Suchen Betroffene keine ärztliche oder psychotherapeutische Hilfe, verläuft die generalisierte Angststörung in der Regel chronisch. Dabei können immer wieder Phasen der Verbesserung der Symptome eintreten, auf die wieder Phasen folgen, in denen sich die Symptome verschlechtern. Wenn Sie Anzeichen einer generalisierten Angststörung an sich feststellen, wenden Sie sich an Ihren Hausarzt, einen Psychotherapeuten oder Psychiater.

Wenn Sie lernen möchten, wie sich Ihre Gedanken auf Ihre Gefühle und auf ängstliches oder depressives Befinden auswirken, finden Sie zwischenzeitlich wertvolle Informationen und Tipps beim Online-Selbsthilfeprogramm „Moodgym“.

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Woher kommt die generalisierte Angststörung?

Bisher ist nicht vollständig bekannt, wie eine generalisierte Angststörung entsteht. Vermutlich gibt es verschiedene Ursachen, die zu der Erkrankung führen können:

  • Genetische Einflüsse: Vermutlich kann eine verstärkte Neigung zu Ängsten vererbt werden. In Familien tritt die generalisierte Angststörung gehäuft auf. Die Erbanlagen sind aber nicht die alleinige Ursache. Es müssen weitere Faktoren hinzukommen, damit sich eine generalisierte Angststörung ausbildet.
  • Traumatische Lebenserfahrungen: Belastende Erlebnisse, Verluste in der Kindheit oder im späteren Leben gelten als Risikofaktoren. Auch starker familiärer Stress oder eine andauernde, extreme Arbeitsbelastung können die Entstehung einer generalisierten Angststörung begünstigen.
  • Andere psychische Erkrankungen: Liegen bereits eine Depression, eine andere Angststörung oder eine Suchterkrankung vor, ist das Risiko für eine generalisierte Angststörung vermutlich erhöht.

Neurobiologische Fehlfunktionen: In bestimmten Hirnarealen findet bei Betroffenen der generalisierten Angststörung mehr Aktivität statt als bei anderen Menschen. Außerdem sind bestimmte Botenstoffe im Gehirn nicht in Balance.

Diagnose und Behandlung der generalisierten Angststörung

Je früher Sie mit Anzeichen einer generalisierten Angststörung einen Arzt aufsuchen, desto besser. Die Diagnose ist nicht immer einfach, da es verschiedene Formen von Angststörungen gibt und zusätzlich zu einer generalisierten Angststörung oft andere psychische Erkrankungen wie Depressionen auftreten. Hinzu kommt, dass körperliche Ursachen für Symptome wie etwa Schlafstörungen ausgeschlossen werden müssen.

Die Diagnose wird nach einem ausführlichen diagnostischen Gespräch gestellt. Und zwar, wenn diese Kriterien zutreffen:

  • Die Ängste, Sorgen und Befürchtungen bestehen seit mindestens sechs Monaten.
  • Sie treten an den meisten Tagen auf.
  • Die betroffene Person kann sie nicht kontrollieren.
  • Die Ängste sind so belastend, dass sie den Alltag beeinträchtigen.
  • Zusätzlich leiden Betroffene unter mehreren körperlichen Symptomen wie beispielsweise Muskelverspannungen, Spannungskopfschmerzen, Unfähigkeit zur Entspannung, Zittern, Herzklopfen, Schwindel, Benommenheit, Mundtrockenheit, Hitzewallungen, Nervosität.
Eine junge Frau sitzt einer Therapeutin in einem Gespräch gegenüber und stützt ihren Kopf mit ihren Händen ab.

© iStock / KatarzynaBialasiewicz

Psychische Erkrankungen können die Lebensqualität stark einschränken. Der Besuch bei einem Psychologen kann Abhilfe schaffen.

Die generalisierte Angststörung wird mit einer Psychotherapie und mit Medikamenten behandelt. Der Behandlungsweg wird jeweils mit den Betroffenen nach dessen Präferenz abgesprochen. Die generalisierte Angststörung ist in der Regel gut behandelbar. Schon nach einigen Wochen kann oft eine Verbesserung erzielt werden. Im Laufe der Zeit schaffen es die meisten Betroffenen, ihre Ängste besser zu bewältigen.

Unter den psychologischen und psychotherapeutischen Verfahren wurde vor allem die Kognitive Verhaltenstherapie am besten untersucht und als langfristig wirksam nachgewiesen. Betroffene lernen in der Therapie, ihre übermäßigen Ängste neu zu bewerten und sie so in den Griff zu bekommen. Außerdem wird ihnen beigebracht, begleitende körperliche Symptome der generalisierten Angststörung durch bestimmte Techniken zu lindern. Das können Entspannungsmethoden wie etwa autogenes Training oder progressive Muskelentspannung sein.

Wird medikamentös behandelt, werden bestimmte Antidepressiva verordnet.Diese wirken erst nach einigen Wochen. Wichtig zu wissen: Antidepressiva machen nicht abhängig. Auch sogenannte Benzodiazepine können kurzfristig angewendet werden. Diese beruhigen schnell, machen hingegen aber abhängig. Sie sollten deswegen nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen.

Zusätzlich kann der Besuch einer Selbsthilfegruppe Betroffenen dabei helfen, ihre Erkrankung zu überwinden. Der Austausch vermittelt, dass man mit seinen Problemen nicht allein dasteht – und dass es Lösungen für sie gibt.

Wie verhalten sich Angehörige und Freunde am besten?

Auch Partner, Freunde oder Verwandte sind mit betroffen, wenn jemand an einer generalisierten Angststörung leidet. Betroffene melden sich oft und fragen nach, ob es ihren nahen Bezugspersonen gut geht oder sprechen mit ihnen über ihre Sorgen. Das kann zu Konflikten führen. Um richtig zu reagieren, sollten sich Angehörige und Freunde deswegen gut mit der Erkrankung auseinandersetzen.

Es ist etwa wichtig, die Betroffenen nicht immer wieder zu beruhigen. Der Effekt ist nur kurzfristig, langfristig bleiben die Sorgen bei der betroffenen Person bestehen. Besser ist es, den Betroffenen immer wieder zu motivieren, mit professioneller Hilfe einen besseren Umgang mit seinen Ängsten zu erlernen. Außerdem sollte nicht auf eigene Unternehmungen verzichtet werden, weil der Betroffene sich Sorgen machen würde. Es ist nicht sinnvoll, das eigene Leben einzuschränken und sich die Freude an Freizeitaktivitäten nehmen zu lassen.

Die generalisierte Angststörung kann für Nahestehende von Betroffenen sehr belastend sein. Auch sie sollten sich nicht davor scheuen, sich an Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen oder an einen Psychotherapeuten zu wenden.

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