Psychologie
Negative Gedanken loswerden: So geht’s
Veröffentlicht am:23.03.2022
6 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 19.12.2023
Wie soll ich das schaffen? Das kann ich nicht! Jeder kennt negative Gedanken, doch bei den meisten Menschen gehen diese wieder vorbei. Einige Menschen quälen sich aber tagtäglich mit kreisenden, negativen Gedanken oder sogar Ängsten.
Strategien aus der Psychologie können negative Gedanken besiegen.
Wie diese funktionieren, verrät Prof. Dr. Dr. Martin Keck, Chefarzt der Psychosomatik, Psychotherapie und Psychiatrie der Rehaklinik Seewis in Graubünden sowie Gründer der Akademie für Prävention und Psychotherapie Kloster Frauenchiemsee.
Machen negative Gedanken krank?
Negative Gedanken können uns tatsächlich krank machen. Menschen, die ständig grübeln oder sich sorgen, laufen Gefahr, ihre Psyche und ihren Körper zu belasten. Vor allem die sogenannten negativen Glaubensansätze sind ein kritischer Faktor. Ein Glaubensansatz drückt aus, an was wir selbst glauben. Er ist tief in uns verankert und prägt unsere Wahrnehmung und Haltung zum Leben. Habe ich beispielsweise den negativen Glaubensansatz, dass Beziehungen nur verletzen und wenig nutzen, kann das den Aufbau und die Aufrechterhaltung einer Beziehung gefährden.
Fühlt sich ein Mensch dauerhaft von negativen Gedanken verfolgt, entwickelt er womöglich körperliche Symptome wie Schlafstörungen, Schwindel oder chronische Schmerzen, zum Beispiel Kopfschmerzen. Das liegt daran, dass Psyche und Körper eng miteinander verflochten sind.
Anhaltende negative Gedanken können außerdem zu seelischem Stress führen. Der Organismus setzt Hormone wie Adrenalin und Cortisol frei. Das ist zwar kurzfristig gesehen positiv, denn dadurch mobilisieren wir mehr Energie. Langfristig setzen die Stresshormone aber den Organen und dem Immunsystem zu. Negative Gedanken können auch das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen erhöhen oder Folge der Erkrankung sein. So begünstigen zwar primär genetische und körperliche Faktoren eine Depression – ständige negative Gedanken können jedoch als Auslöser fungieren.
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Warum haben manche Menschen mehr negative Gedanken als andere?
Sehen wir uns in unserem familiären Umfeld oder Freundeskreis um, entdecken wir optimistische und pessimistische Personen. Während Pessimisten weitestgehend auf hoffnungsvolle und positive Erwartungen verzichten, sind Optimisten voller Zuversicht. Ob wir eher zu den Optimisten oder zu den Pessimisten zählen, passiert nicht zufällig. Viele Faktoren prägen unsere grundlegenden Denkmuster. Dazu zählen beispielsweise genetische Veranlagungen oder frühkindliche Prägungen durch Lebenserfahrungen und Bezugspersonen wie unsere Eltern. Sie entscheiden maßgeblich darüber, ob wir im Erwachsenenalter weniger oder mehr negative Gedanken als andere haben.
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Können negative Gedanken auf eine Erkrankung hindeuten?
Ja, tatsächlich. Menschen mit Depressionen zum Beispiel neigen eher zu negativen Gedanken. Ihre Gedanken kreisen häufig rund um die Themen Schuld, Hoffnungslosigkeit und Wertlosigkeit. Im Rahmen einer Depression erlebt der Betroffene dann kognitive Verzerrungen – er sieht alles wie durch eine dunkle Brille. Der negative Denkansatz wird zur Autobahn, die negativen Gedanken fließen nur so vor sich hin. Positive Gedanken sind eher wie der holprige Trampelpfad, den Depressive nur mit großer Anstrengung zurücklegen. Auch bei Angststörungen belasten negative Gedanken und Sorgen den Alltag.
Wann sollte ich einen Psychotherapeuten aufsuchen?
Eine Psychotherapie ist sinnvoll, wenn negative Gedanken die Lebensqualität nachhaltig und dauerhaft beeinträchtigen. Wer eine längere psychische Krise durchmacht, ständig Sorgen oder Ängste hat oder stets erschöpft ist, sollte einen Psychiater oder Psychotherapeuten aufsuchen. Der Experte findet dann gemeinsam mit dem Betroffenen heraus, woher die negativen Gedanken kommen. Im Anschluss entwickelt der Psychiater oder Psychotherapeut Maßnahmen, die die negative Gedankenspirale unterbrechen.
„Wer eine längere psychische Krise durchmacht, ständig Sorgen oder Ängste hat oder stets erschöpft ist, sollte einen Psychiater oder Psychotherapeuten aufsuchen.“
Prof. Dr. Dr. Martin Keck
Chefarzt der Psychosomatik, Psychotherapie und Psychiatrie der Rehaklinik Seewis in Graubünden sowie Gründer der Akademie für Prävention und Psychotherapie Kloster Frauenchiemsee
Wie werde ich meine negativen Gedanken los?
Negative Gedanken können wir zunächst selbst erforschen. Nicht selten steckt hinter ihnen ein geringes Selbstbewusstsein. Selbstbewusst zu leben heißt nichts anderes als Vertrauen in sich selbst zu haben. Wir sind also überzeugt von unseren Fähigkeiten. Wenn wir an dieser Überzeugung – unserer Selbstwirksamkeit – arbeiten, erleben und bewerten wir unsere Fähigkeiten zukünftig positiver. Manchmal überwinden wir dadurch sogar Ängste. Kleine Projekte verhelfen uns zu mehr Selbstbewusstsein, das kann die Lösung eines Computerproblems oder das Kochen eines Drei-Gänge-Menüs sein. Wenn es uns nicht gelingt, die negativen, belastenden Gedanken „abzustellen“, ist eine Psychotherapie ratsam.
Im Rahmen einer Psychotherapie werden die negativen Gedanken zunächst näher betrachtet. Wo kommen sie her? Was könnte dahinterstecken? Schon eine philosophische Gruppe namens Stoiker, die im antiken Griechenland lebte, wusste, dass die Art und Weise, wie Menschen über sich selbst und die Welt denken, ihre Handlungen und Gefühle bestimmt. So führt negatives Denken meist unweigerlich auch zu negativen Erfahrungen. Im Rahmen einer Therapie vermittelt der Psychotherapeut unter anderem Strategien, die helfen sollen, besser mit negativen Gedanken umzugehen oder problematische Lebenserfahrungen zu verarbeiten.
Wie kann ich Grübeln stoppen?
Grübeln ist in der Regel ein sinnloses Kreisen um die immer gleichen negativen Themen, ohne dass es eine Lösung gäbe. Am Ende existiert nicht nur das Problem weiter, wir fühlen uns auch hoffnungslos und ängstlich.
Folgende Strategien sind beim Grübeln hilfreich:
- für Ablenkung sorgen, zum Beispiel mit einer Verabredung oder einem guten Buch
- Stoppsignale nutzen (laut „stopp“ sagen)
- Gedanken aufschreiben, um sie zu bannen
- bei Schlaflosigkeit aufstehen, denn das Bett ist häufig eine Grübelfalle
Auch die Strategie, sich pro Tag bewusst zehn Minuten „Grübelzeit“ fest einzuplanen, kann Betroffenen helfen.
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Wie schaffe ich es, positiv zu denken?
In einem ersten Schritt können wir hinterfragen, ob die negativen Gedanken wirklich zutreffen und ob eine außenstehende, neutrale Person den negativen Gedanken zustimmen würde. Die bewusste Umformulierung in positive Gedanken ist eine besonders gute Übung.
Dabei gehen wir folgendermaßen vor:
- Negative Gedanken aufschreiben.
- Negative Gedanken in positive Gedanken umformulieren: Aus „Ich tauge in meinem Job nichts“ machen wir „Ich bin gut in meinem Job und wertvoll für das Unternehmen“.
- Neu gewonnene positive Gedanken verinnerlichen, zum Beispiel, indem wir sie leise wiederholen.
„In einem ersten Schritt können wir hinterfragen, ob die negativen Gedanken wirklich zutreffen und ob eine außenstehende, neutrale Person den negativen Gedanken zustimmen würde.“
Prof. Dr. Dr. Martin Keck
Chefarzt der Psychosomatik, Psychotherapie und Psychiatrie der Rehaklinik Seewis in Graubünden sowie Gründer der Akademie für Prävention und Psychotherapie Kloster Frauenchiemsee
Welche Therapien helfen bei negativen Gedanken?
Interessant ist, dass wir unserem Gehirn negative Sichtweisen antrainieren, die es aber ebenso gut wieder verlernen kann. Wir haben zwar keinen Einfluss darauf, was passiert, aber darauf, wie wir die Dinge sehen. Schon die Stoiker strichen Dinge, die nicht beeinflussbar sind, radikal aus den Gedanken oder ließen die Gedanken wie ein Schiff am Horizont in Ruhe vorbeiziehen.
Psychotherapeuten greifen in ihrer Arbeit ganz konkret auf die Schematherapie oder die kognitive Verhaltenstherapie zurück. Dabei gehen sie davon aus, dass sich Frustrationen und nicht erfüllte Grundbedürfnisse aus der Kindheit in Form von festen Denkmustern abbilden. Genau diese können Psychotherapeuten wieder ändern.
Durchbrechen Sie negative Gedankenmuster
Wenn Sie unter negativen Glaubensansätzen leiden und sich dadurch oft traurig oder belastet fühlen, ist es besonders wichtig, die quälenden Gedanken loszuwerden. Eine Strategie: Öffnen Sie sich für positive Glaubensansätze, zum Beispiel mit dem Thema Achtsamkeit. Gelingt Ihnen die Befreiung von den negativen Gedanken nicht allein, kann das ein Anzeichen einer Depression oder von bestehenden Ängsten sein. Ziehen Sie in diesem Fall eine ambulante Psychotherapie in Betracht. Die AOK übernimmt die Kosten dafür im vollen Umfang, sofern die Behandlung erforderlich ist.
Negative Gedanken sind auch ein wichtiges Thema in der Pflege. Die Pflegesituation kann zu Gefühlen wie Wut und Trauer oder zu belastenden Gedanken führen. Deshalb richtet sich der „Familiencoach Pflege“ speziell an pflegende Angehörige. Mit einem persönlichen Coaching-Programm erhalten Angehörige wertvolle Informationen, um ihre seelische Gesundheit zu stärken und negative Gedankenmuster zu durchbrechen.