Psychologie
Posttraumatische Belastungsstörung: Was Betroffenen hilft
Veröffentlicht am:05.06.2023
5 Minuten Lesedauer
Ob Unfall oder lebensbedrohliche Erkrankung: Manche Menschen können schwerwiegende Erlebnisse kaum oder nicht verarbeiten. Wann es sich um eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) handelt und welche Heilungschancen es gibt.
Was ist eine Posttraumatische Belastungsstörung?
Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine ernste psychische Erkrankung als Folge einer seelischen Verletzung (Trauma). Sie tritt nach einem extrem belastenden Ereignis oder einer außergewöhnlich bedrohlichen Situation auf.
- Das traumatische Ereignis kann über einen längeren Zeitraum stattfinden, beispielsweise ein Krieg.
- Mitunter wiederholen sich traumatische Erlebnisse, etwa bei sexuellem Missbrauch.
- Es kann aber auch ein einmaliges Ereignis sein, wie ein schwerer Autounfall oder ein erlebter Überfall.
Eine PTBS kann sich entwickeln, wenn jemand ein Ereignis selbst erlebt hat oder wenn er oder sie Zeuge eines belastenden Ereignisses wurde, beispielsweise ein gewaltsamer Tod anderer Menschen. Viele Menschen finden einen Weg, solche Erlebnisse zu verarbeiten. Andere entwickeln eine Posttraumatische Belastungsstörung. Typisch dafür ist: Die belastenden Erinnerungen kehren immer wieder.
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PTBS-Symptome: Wie zeigt sich eine Posttraumatische Belastungsstörung?
Die Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung treten direkt nach dem belastenden Ereignis oder erst Wochen oder Monate später auf. Bei direkten Symptomen sprechen Fachleute von einer akuten Belastungsreaktion. Oft äußern sich die Beschwerden in Gefühlen wie Angst, Hilflosigkeit und Kontrollverlust.
Häufige Anzeichen für eine PTBS sind:
- Belastende Gedanken und Erinnerungen: Menschen mit PTBS erleben das Trauma zum Beispiel in Träumen immer wieder. Typisch sind Erinnerungsblitze oder Rückblenden – sogenannte Flashbacks. Dabei haben Betroffene das Gefühl, in die Vergangenheit zurückversetzt worden zu sein und das Geschehene erneut durchzumachen.
- Vermeidung: Viele Betroffene meiden bewusst Situationen, Orte, Aktivitäten, Geräusche oder Gerüche, die mit dem traumatischen Erlebnis verbunden sind und entsprechende Erinnerungen wachrufen könnten.
- Zurückgezogenheit und Teilnahmslosigkeit: Manche Menschen ziehen sich nach dem traumatischen Erlebnis immer mehr zurück und kapseln sich regelrecht von anderen ab.
- Nervosität und Anspannung: Patienten mit einer PTBS sind oft schreckhaft und in ständiger Alarmbereitschaft, obwohl objektiv gesehen keine Bedrohung mehr besteht. Dadurch schlafen sie auch meist schlecht.
Ursachen von PTBS
Auslösende Ereignisse einer Posttraumatischen Belastungsstörung können Gewaltverbrechen, Kriegshandlungen, sexueller Missbrauch, Verkehrsunfälle und Naturkatastrophen, aber auch medizinische Notfälle und schwere Erkrankungen oder Todesfälle im Verwandten- oder Freundeskreis sein. Ob jemand eine PTBS entwickelt, hängt von mehreren Faktoren ab – was genau passiert ist, wie intensiv und anhaltend das Ereignis war und ob die Belastungen wiederholt auftraten. Das allein reicht aber für eine PTBS nicht aus: Eine Rolle spielt außerdem, wie Betroffene mit Stress umgehen, welche psychischen Ressourcen ihnen zur Verfügung stehen, also wie resilient sie sind und ob sie Vorerkrankungen haben.
Wer ist besonders gefährdet?
So gelten Menschen mit Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen als besonders gefährdet. Auch fehlende emotionale Zuwendung und soziale Unterstützung erhöhen das Risiko.
Für die Diagnose befragen Arzt oder Ärztin die Betroffenen ausführlich zu ihrer Krankengeschichte und den Beschwerden. Dazu dienen standardisierte Fragebögen. Sie helfen auch, andere psychische Erkrankungen auszuschließen. Um eine Posttraumatische Belastungsstörung handelt es sich, wenn die Symptome mindestens vier Wochen anhalten und diese die Leistungsfähigkeit in wichtigen Lebensbereichen einschränken.
Behandlung: Ist die PTBS heilbar?
Etwa 30 von 100 Menschen mit einer PTBS haben nach einem Jahr keine Symptome mehr. Eine Therapie kann Betroffenen meist gut helfen. Für die Behandlung gibt es folgende Möglichkeiten:
Kognitive Verhaltenstherapie: Betroffene lernen bei der traumafokussierten kognitiven Verhaltenstherapie (TF-KVT), sich der belastenden Situation gedanklich oder real zu stellen. Wenn sie sich an die Situation „gewöhnen“, erleben sie weniger Symptome. Zu den Verhaltenstherapien gehört auch die sogenannte EMDR-Methode (Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Zentrales Element sind geleitete Augenbewegungen: Betroffene folgen dem Finger der Therapeutin oder des Therapeuten mit den Augen. Währenddessen denken sie an das auslösende Ereignis – was das Gehirn stimuliert, das Erlebnis zu verarbeiten. Die genauen physiologischen Vorgänge, die dabei ablaufen, sind nicht umfassend bekannt. Beide Verfahren zielen darauf ab, die belastenden Erinnerungen an das Erlebte zu verarbeiten.
Medikamente: Psychopharmaka können die Psychotherapie sinnvoll ergänzen. Ob das sinnvoll sein könnte, schätzt der Arzt oder die Ärztin ein. Betroffene sollten sie aber nicht als alleinige und nicht als erste Therapie einsetzen. Infrage kommen vor allem Antidepressiva mit den Wirkstoffen Sertralin, Paroxetin oder Venlafaxin. Beruhigungsmittel sollten Betroffene vermeiden.
Weitere Verfahren wie Ergotherapie, Kunsttherapie, Musiktherapie, Körper- und Bewegungstherapie sowie Physiotherapie können die Behandlung ergänzen. Allerdings ist deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht hinreichend belegt.
Verlauf: Wie stehen die Heilungsschancen bei PTBS?
Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann unterschiedlich verlaufen. Vielen Menschen gelingt es mit der Zeit, das schwerwiegende Ereignis zu überwinden und die Erinnerungen daran zu verarbeiten. Einigen Betroffenen geht es schon nach einem Jahr deutlich besser, manchmal sogar ohne Behandlung. Bei etwa 30 Prozent der Erkrankten bleiben die Beschwerden drei Jahre oder länger bestehen. Mitunter entwickeln sich weitere psychische Störungen wie eine Suchterkrankung.
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Was können Betroffene und Angehörige tun?
Die emotionale Unterstützung durch Familie, Partnerin und Partner oder Freundinnen und Freunde spielt eine wichtige Rolle. Die Betroffenen suchen sich am besten Menschen, die sie emotional stützen, und mit denen sie über das belastende Ereignis sprechen können. Wichtig ist, rechtzeitig Hilfe bei einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin in Anspruch zu nehmen. Zusätzlich kann es hilfreich sein, sich in einer Selbsthilfegruppe mit anderen Betroffenen auszutauschen.
Angehörige sollten die PTBS ernst nehmen und gut zuhören, wenn der oder die Betroffene das Bedürfnis hat, darüber zu reden – auch wenn sich diese Gespräche wiederholen. Hilfreich ist auch, die Person zu ermuntern, sich eine therapeutische Betreuung zu suchen oder bei der Suche nach einem Therapieplatz zu unterstützen.
Wichtig: Falls Menschen mit PTBS von Suizid sprechen, müssen sich Angehörige sofort an einen Arzt oder eine Ärztin wenden. Zusätzlich unterstützt die Telefonseelsorge unter der bundesweiten Nummer 0800 – 1110111.
Bei einer akuten Gefährdung kann es notwendig sein, einen Notarzt zu rufen, der weitere Schritte einleitet, etwa die Notfallaufnahme in eine psychiatrische Klinik.