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Psychologie

Warum wir weinen – die Bedeutung unserer Tränen

Veröffentlicht am:02.10.2024

5 Minuten Lesedauer

Traurigkeit, Angst, Freude, Wut oder Überraschung – die Tränen kullern meist aus emotionalen Gründen. Doch was passiert beim Weinen im Gehirn und was lösen wir mit Tränen bei anderen Menschen aus? Das sagt die Wissenschaft zum Tränenvergießen.

Eine junge blonde Frau mit Tränen auf der Wange und leicht verwischter Schminke unter den Augen blickt traurig in die Kamera und hält ein Taschentuch in der Hand.

© iStock / kupicoo

Weinen als eine einzigartige Fähigkeit des Menschen

Der Mensch ist das einzige Wesen, das aus empfundenen Gefühlen heraus weint. Doch auch Menschen weinen nicht von Geburt an – Säuglinge vergießen erst ungefähr zwischen der vierten und achten Lebenswoche das erste Mal Tränen, zum Beispiel, wenn sie mit Schreien ihr Bedürfnis nach Nähe oder Nahrung ausdrücken. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vermuten, dass es für das emotionale Weinen eine evolutionäre Grundlage gibt. Auch wenn Tiere nicht aufgrund von Gefühlen weinen, haben sie doch etwas mit Menschen gemeinsam: Wenn sie noch jung sind, protestieren sie lautstark, wenn sie von den Müttern getrennt werden. Diese Form des Notrufs erfolgt bei Tieren akustisch, bei Babys kommen zum Schreien noch Tränen hinzu. Die Verknüpfung könnte sich nach Ansicht Forschender durch eine Anspannung des Augenringmuskels (Musculus orbicularis oculi) bei der Produktion von Stresslautäußerungen wie Schreien entwickelt haben, die die sensiblen Hornhautsinneszellen anregt und die Tränenproduktion aktiviert. Wahrscheinlich erwies sich diese neue Fähigkeit als nützlich und wurde beibehalten. Während Tiere die akustischen Notrufe überwiegend zeigen, wenn sie klein sind, weinen Menschen im Erwachsenenalter ebenfalls, und auch hier gibt es spannende Erkenntnisse: Bis ins Teenageralter hinein, also bis zum dreizehnten Lebensjahr, gibt es zwischen Mädchen und Jungen keinen Unterschied – sie weinen gleich oft. Doch das ändert sich mit dem Heranwachsen: Frauen vergießen bis zu 64-mal im Jahr Tränen, Männer weinen hingegen nur bis zu 17-mal.

Was passiert beim Weinen im Gehirn?

Welcher Teil des Gehirns für emotionales Weinen verantwortlich ist, konnten Forschende bislang nicht eindeutig herausfinden. Scheinbar spielt jedoch der sogenannte anteriore cinguläre Cortex, kurz ACC, eine Rolle – diese bestimmte Region im Gehirn ist eng mit dem Belastungszustand verknüpft, der das Weinen auslöst. Das liegt daran, dass der ACC dem Menschen dabei hilft, zu erkennen, ob eine Situation emotional belastend ist. Untersuchungen deuten außerdem darauf hin, dass neurochemische Systeme zum Beispiel mit Hormonen wie Prolaktin und Testosteron auf das Weinen einwirken – sie können den Zeitpunkt, an dem Menschen anfangen, beim Weinen nicht nur Tränen zu vergießen, sondern auch mit Lauten zu wehklagen beeinflussen.

Tränen sind nicht gleich Tränen: die verschiedenen Arten

Wenn Tränen über das Gesicht kullern, geschieht das aus unterschiedlichen Gründen – nicht immer sind sie ein Zeichen eines Gefühlsausbruchs.

  1. Basale Tränen: Sie schützen das Auge und unterstützen das Wohlbefinden, indem sie die Augen feucht halten. Mit jedem Blinzeln verteilen sie sich über die gesamte Augenoberfläche.
  2. Reflextränen: Sie fließen, wenn das Auge mit einem Fremdkörper wie Sandkörnern oder einem reizenden Stoff, zum Beispiel aus einer Zwiebel, in Berührung kommt.
  3. Emotionale Tränen: Sie sind eine Reaktion auf starke Emotionen wie Freude, Wut oder Traurigkeit. Emotionale Tränen bestehen wie andere Tränenarten aus Öl, Schleim, Salz und Wasser – sie weisen jedoch eine erhöhte Konzentration an Stresshormonen und natürlichen Schmerzmitteln auf.
Eine traurige Frau wird von einem Mann im Arm gehalten.

© iStock / milan2099

Weinen drückt den emotionalen Zustand aus und kann der Kommunikation dienen.

Menschen vergießen emotionale Tränen, wenn ihre Bedürfnisse verletzt werden

Sich am Bahnhof von einem guten Freund verabschieden, sich einen lang ersehnten Kindheitstraum erfüllen oder einen herzzerreißenden Liebesfilm ansehen – es gibt viele Situationen, die das Gefühlsleben durcheinanderbringen. Manche davon sind mit Tränen verbunden. Doch warum weinen Menschen überhaupt? Forschende fanden in einer Studie heraus, dass sich das emotionale Weinen in der Regel fünf verschiedenen Kategorien zuordnen lässt: Einsamkeit, Harmonie, Überforderung, Machtlosigkeit und Medienkonsum. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nehmen dabei an, dass das emotionale Tränenvergießen in Situationen auftritt, wenn die psychologischen Grundbedürfnisse eines Menschen entweder große Beachtung finden oder verletzt werden. Als wichtige Grundbedürfnisse zählen beispielsweise das Bedürfnis nach Nähe, also sich mit jemandem verbunden fühlen, die Kompetenz, die Fähigkeit, eine Aufgabe erfolgreich ausführen zu können, und die Autonomie, die Möglichkeit, Dinge selbst beeinflussen und steuern zu können.

Doch wie passen die Grundbedürfnisse und die „Tränenkategorien“ zusammen? Auch darauf liefert die Studie eine Antwort. Wer aus Einsamkeit weint, hat womöglich eine Frustration im Bereich der Nähe erfahren, das passiert zum Beispiel bei Heimweh. Tränen, die Forschende in die Kategorie „Harmonie“ einordnen, könnten sich durch eine große Erfüllung des Bedürfnisses nach Nähe ergeben, wie zum Beispiel bei einer Geburtstagsfeier. Personen können auch aus Machtlosigkeit weinen, nämlich dann, wenn ihre Autonomie verletzt wird – das kann der Fall sein, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen oder wenn sie nichts dagegen tun können, dass ein geliebter Mensch stirbt. Weinen bei Überforderung kann in Verbindung mit dem Grundbedürfnis nach Kompetenz stehen – davon berichten vor allem Arbeitnehmende.

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Tränen können die Bindung zwischen Menschen stärken

Ist Weinen etwas, das Menschen näher zusammenbringt? Diese Vermutung wurde in verschiedenen Studien untersucht – und tatsächlich: Anscheinend haben emotionale Tränen eine gewisse Bindungsfunktion. Forschende zeigten in einer wissenschaftlichen Untersuchung Studienteilnehmenden Bilder, auf denen Menschen mit und ohne Tränen zu sehen waren. Der Anblick tränenreicher Personen löste in den Teilnehmenden das Bedürfnis aus, diese Menschen zu unterstützen. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen führten dies darauf zurück, dass die weinende Person von den Teilnehmenden wahrscheinlich als hilfloser und emotional „wärmer“empfunden wurde. Tränen dienen also als Kommunikationsmittel. Menschen können damit ausdrücken, dass sie Hilfe benötigen und appellieren damit bewusst oder unbewusst an das Mitgefühl anderer Personen.

Ist Weinen gesund?

Manchen Menschen ist es unangenehm, wenn die Tränen fließen – besonders dann, wenn andere die Situation mitbekommen. Sie versuchen das Weinen zu unterdrücken. Doch plötzliches Weinen hat, aus psychologischer Sicht betrachtet, auch Vorteile.

  • Weinen kann beruhigen: Emotional aufgewühlte Personen können das Tränenvergießen als Mittel zur Selbstberuhigung nutzen. Das klappt womöglich durch eine bestimmte Atmung, die weinende Menschen automatisch anwenden oder durch eine Regulierung der Herzfrequenz – eine Studie liefert Hinweise darauf, dass sich die Herzfrequenz kurz vor dem Weinen verlangsamt und dann wieder den Ausgangswert erreicht.
  • Weinen verbessert die Laune: Warum man weint, ist natürlich sehr unterschiedlich – oft schlagen jedoch Emotionen wie Wut oder Trauer auf die Stimmung. Wenn Personen weinen, verschlechtert sich die Stimmung zunächst. Untersuchungen zeigen jedoch, dass sich die Laune danach nicht nur erholt, sondern besser ist als vor dem auslösenden Ereignis – das liegt womöglich daran, dass Weinen auch sehr entspannend wirkt.
  • Weinen kann Schmerzen lindern: Schmerzen und Emotionen sind oft eng miteinander verknüpft. Wenn zum Beispiel eine Person mit Rückenschmerzen vor Wut über ihre Situation weint, kann sie damit die Emotion ein Stück weit regulieren. Das kann die Schmerzen lindern.

Ob und inwieweit sich Menschen nach dem Weinen besser fühlen, hängt stark davon ab, in welcher Situation der Gefühlsausbruch geschieht. Das Weinen in Anwesenheit mitfühlender Menschen kann eine positive Wirkung haben, während das Tränenvergießen im Büro, unter den Augen von Kollegen und Kolleginnen und vielleicht sogar der Vorgesetzten, eher für weitere Spannungen, etwa durch Scham, führen kann.

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