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Gesundheitsmagazin

Psychologie

Cyberchondrie – das zwanghafte Recherchieren nach Krankheiten im Netz

Veröffentlicht am:17.12.2024

5 Minuten Lesedauer

Viele Menschen suchen bei gesundheitlichen Problemen nach Erklärungen im Internet. Die Suchmaschinen haben schließlich zu jedem Symptom mögliche Krankheiten parat. Wenn die Suche danach allerdings den Alltag bestimmt, spricht man von Cyberchondrie.

Eine Frau sitzt an einem Tisch und schaut sorgenvoll auf den Bildschirm eines Laptops. In der einen Hand hält sie eine Brille.

© iStock / Zinkevych

Was ist die Definition von Cyberchondrie?

Der Begriff „Cyberchondrie“ ist ein sogenanntes Kofferwort, bestehend aus „Cyber“, was so viel wie „das Internet betreffend“ bedeutet und „Hypochondrie“. Menschen mit einer Hypochondrie, auch als hypochondrische Störung bezeichnet, leiden unter einer Krankheitsangststörung. Betroffene haben besonders oft Angst davor, an einer schweren körperlichen Krankheit wie einer Krebserkrankung, einer Herzkrankheit oder einer Erkrankung des Nervensystems zu leiden. Außerdem spielt die Furcht vor Infektionskrankheiten wie Aids bei vielen eine Rolle. Eine einheitliche Definition von Cyberchondrie gibt es bislang nicht. Forschende arbeiteten jedoch einige Hauptmerkmale dieses psychologischen Phänomens heraus: Personen mit einer Cyberchondrie suchen übermäßig und wiederkehrend nach gesundheitsbezogenen Informationen im Internet. Außerdem haben sie starke Angst davor, dass ihre Gesundheit gefährdet ist. Im Gegensatz zur hypochondrischen Störung ist die Cyberchondrie keine anerkannte psychische Erkrankung, sondern entspricht eher einer emotionalen Belastung, bei der Krankheitsängste durch eine exzessive Internetrecherche aufrechterhalten oder ausgebaut werden.

Nicht alle Suchenden haben eine Cyberchondrie

Das Internet als Gesundheitsratgeber? Für viele Menschen ist das Alltag: Laut einer repräsentativen Umfrage in Deutschland informieren sich 51,5 Prozent der Personen im Internet, wenn es um Gesundheitsfragen geht. Das ist zunächst nicht schlecht, denn das Googlen von Beschwerden kann auch die Gesundheitskompetenz erhöhen: So können Suchende beispielsweise Zusammenhänge zwischen Stress und körperlichen Symptomen wie Herzrasen erkennen. Außerdem helfen ihnen die zusätzlichen Informationen, in der Praxis die richtigen Fragen in Verbindung mit ihren Beschwerden zu stellen, wie: Kann es sein, dass meine Schlafstörungen etwas mit dem Stress zu tun haben? Es gibt keine Zahlen dazu, wie viele Menschen an einer Cyberchondrie leiden, die damit verbundene Krankheitsangst tritt jedoch im Laufe eines Jahres durchschnittlich bei ein bis zehn Prozent der Bevölkerung auf.

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Was deutet auf eine Cyberchondrie hin?

Menschen mit einer Krankheitsangst sorgen sich seit mindestens sechs Monaten, dass sie eine schwerwiegende körperliche Erkrankung haben oder bekommen könnten. Sie deuten beispielsweise normale Körperfunktionen wie Darmgeräusche als Anzeichen einer schweren Erkrankung.

Bei der Cyberchondrie kommen weitere Anzeichen hinzu:

  • Betroffene suchen übermäßig viel nach gesundheitsbezogenen Inhalten im Internet – sie verbringen manchmal mehrere Stunden am Tag mit der Recherche.
  • Die zwanghafte Suche beeinträchtigt Aktivitäten des täglichen Lebens – beispielsweise werden Hobbys vernachlässigt.
  • Die Suche im Internet löst Stress und Angst aus.
  • Betroffene holen sich die professionelle Meinung eines Mediziners oder einer Medizinerin ein, um sicherzugehen, dass die Informationen stimmen – aus Furcht, dass sich ihre Ängste bestätigen, verzichten viele von ihnen aber auch darauf.
Eine Frau mit einem braunen Oberteil sitzt auf einer Untersuchungsliege und unterhält sich mit einer Ärztin, die vor ihr sitzt.

© iStock / SDI Productions

Personen mit einer Cyperchondrie kann es helfen, über ihr problematisches Suchverhalten im Internet zu sprechen.

„Dr. Google“ und Co. können Menschen mit Cyberchondrie stark verunsichern

Das Internet hat auf jede Frage eine Antwort, das fällt auch bei Gesundheitsfragen auf. Wer beispielsweise die Stichwörter „Kopfschmerzen + Ursache“ in die Suchleiste eintippt, erhält ein großes Repertoire an möglichen Erklärungen. Sie reichen von Schlafmangel, über eine falsch verschriebene Brille und Stress bis hin zu ernstzunehmenden Bedrohungen, wie einer Verletzung der Halswirbelsäule, Tumoren im Kopf oder einer Infektion der Hirnhaut. Diese möglichen Diagnosen machen die meisten Menschen kurzzeitig nachdenklich, bei Personen mit einer Cyberchondrie können sie jedoch einen zwanghaften Kreislauf anstoßen, bei dem Betroffene immer weiter nach Anzeichen und Erklärungen suchen. Ihr Weg führt sie durch eine beinahe unüberschaubare Anzahl an Gesundheitsinformationen – dabei fällt es nicht immer leicht, sie richtig zu deuten. Schließlich ist bei der Onlinesuche auch die E-Health-Kompetenz entscheidend. Darunter verstehen Experten und Expertinnen die wahrgenommenen Fähigkeiten, die sich beim Aufsuchen, Bewerten und Anwenden der Onlineinformationen bei bestehenden Gesundheitsproblemen, widerspiegeln. Wer also auf der Suche nach einer Erklärung für Kopfschmerzen ist, kann die gefundenen Informationen möglicherweise nicht bei sich anwenden, fühlt sich dadurch meist stark verunsichert und sucht eventuell weiter.

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Raus aus der Cyberfalle: Was tun gegen Cyberchondrie?

Wer viel Zeit mit gesundheitsbezogenen Recherchen verbringt, um eine Erklärung für vermeintliche Beschwerden zu finden, kann sich vertrauensvoll an seinen Hausarzt oder seine Hausärztin wenden. Dabei ist es wichtig, nicht nur die selbst beobachteten körperlichen Symptome, sondern auch die damit verbundenen Ängste anzusprechen. Bei Bedarf stellt die Praxis eine Überweisung zu einem Psychologen oder einer Psychologin aus. In einer Verhaltenstherapie lernen Betroffene, ihre Krankheitsängste und ihre Körpersignale richtig einzuordnen, ohne stundenlang im Netz zu recherchieren. Die behandelnde Person thematisiert das problematische Verhalten, durch eine exzessive Nutzung des Internets jedes Körpersignal erklären zu wollen und zeigt Möglichkeiten auf, die eigene E-Health-Kompetenz richtig einzuschätzen. Daraus kann die Einsicht erwachsen, dass man mit Gesundheitsproblemen lieber einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen sollte, anstatt pauschalen Erklärungen aus dem Internet Glauben zu schenken. Betroffene können zudem Entspannungsübungen beispielsweise im Rahmen von Yoga nutzen, um Ängste abzubauen. Ein Achtsamkeitstraining hilft dabei, sich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren, anstatt sich mit drohenden Erkrankungen zu beschäftigen.

Tipps, um einer Cyberchondrie vorzubeugen

Das Internet lockt mit schnellen Antworten – um sich nicht in Informationen zu verlieren, ist ein guter Umgang mit Medien entscheidend, das kann auch einer Cyberchondrie vorbeugen.

  1. Studien haben gezeigt, dass es Parallelen zwischen Ängsten sowie Zwängen und der Cyberchondrie gibt – Menschen, die unter einer diagnostizierten Krankheitsangst leiden, sollten daher auf eine übermäßige Internetrecherche zu ihren Beschwerden verzichten.
  2. Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass es bei der Cyberchondrie einen Verstärkungszyklus gibt: Menschen suchen nach Gesundheitsinformationen, verspüren dabei Angst und suchen weiter, um diese durch Erklärungen wieder loswerden zu können. Um gar nicht erst in diesen Kreislauf zu geraten, ist es wichtig, verlässliche Gesundheitsinformationen zu finden – die Online-Angebote des Bundesministeriums für Gesundheit oder des unabhängigen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sind beispielsweise gute Quellen.
  3. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Selbstreflexion – Internetnutzende können sich vorab fragen, welches Ergebnis sie sich von der Suche erhoffen. Krankheitssymptome sind recht individuell, so dass es unwahrscheinlich ist, mit einem Klick die richtige Diagnose zu erhalten.

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