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Psychologie

Leisure Sickness - Warum wird man ausgerechnet im Urlaub krank?

Veröffentlicht am:08.10.2024

5 Minuten Lesedauer

Es ist wie verhext: Im Urlaub machen sich Halskratzen und Schnupfnase bemerkbar. Viele Menschen haben den Eindruck, dass sie immer ausgerechnet in der Freizeit erkranken. Doch gibt es so etwas wie Leisure Sickness tatsächlich?

Eine Frau mit einem grauen Pullover bekleidet sitzt an einem Schreibtisch. Sie stützt den Ellbogen auf die Tischfläche und hält sich den Nasenrücken.

© iStock / Ridofranz

Was ist Leisure Sickness?

Krankheitssymptome statt Entspannen auf der Sonnenliege: Leisure Sickness, zu Deutsch „Freizeitkrankheit“, steht für ein psychologisches Phänomen. Der niederländische Psychologe Ad Vingerhoets und seine Kollegin Maaike van Huijgevoort von der Universität Tillburg prägten den Begriff im Jahr 2002. Sie fanden heraus, dass es Menschen gibt, die bevorzugt genau dann krank werden, wenn sie eine Auszeit haben, also an Wochenenden oder im Urlaub. Auch wenn es sich bei Leisure Sickness um kein eigenständiges Krankheitsbild handelt, sondern lediglich um die Tatsache, dass bei einigen Personen bestimmte Beschwerden vor allem in der Freizeit auftreten, ist das Phänomen recht weit verbreitet. Hierzulande fühlen sich mehr als 250.000 Menschen in ihrer Freizeit regelmäßig krank – einige Studien liefern sogar eine noch höhere Betroffenheitsquote. In einer wissenschaftlichen Untersuchung von Ad Vingerhoets und Maaike van Huijgevoort wurden 1.893 Menschen in den Niederlanden dazu befragt – mehr als drei Prozent erkannten sich in den Beschwerden der Freizeitkrankheit wieder.

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Welche Symptome treten bei Leisure Sickness auf?

Leisure Sickness schleicht sich bei vielen Menschen langsam an: Mit einem kleinen Kratzen im Hals oder dem Gefühl, nicht in die Gänge zu kommen. Interessant ist, dass Personen, die von der Freizeitkrankheit betroffen sind, häufig von denselben Beschwerden berichten.

Folgende weitere Symptome können bei Leisure Sickness auftreten:

  • Kopfschmerzen
  • Migräne
  • Müdigkeit
  • Allgemeine Schmerzen
  • Übelkeit
  • Unwohlsein
  • Rückenprobleme
  • Erkältungen bzw. grippeähnliche Symptome
  • Müdigkeit
  • Erschöpfung
  • Muskelschmerzen

Die Symptome der Freizeitkrankheit können am Wochenende anders ausfallen als im Urlaub. Laut einer Untersuchung sind zwar Kopfschmerzen und Migräne bei beidem auf Platz eins, die grippeähnlichen Symptome gehören bei Betroffenen aber ausschließlich zum „Urlaubsprogramm“ und nicht zu den häufigen Beschwerden am Wochenende. Wie lange die Leisure Sickness dauert, ist sehr unterschiedlich – meist verschwinden die Beschwerden aber nach einigen Tagen.

Warum wird man im Urlaub krank?

Warum einige Menschen vermehrt in ihrer Freizeit krank werden und andere nicht, hängt überraschenderweise nicht vom Lebensstil oder der Art ihrer Arbeit ab – anstrengende Berufe oder Zigaretten und Alkohol sind hier nicht die ausschlaggebenden Faktoren. Entscheidend ist vielmehr, wie Personen mit ihren beruflichen Aufgaben und der damit verbundenen Arbeitsbelastung umgehen. Wer sehr ehrgeizig ist, höhere Ansprüche an sich selbst stellt und sich für alles auf der Arbeit verantwortlich fühlt, scheint gefährdet. Ebenso betroffen sind Menschen, denen es schwerfällt, in ihrer Freizeit abzuschalten und im Berufsleben „Nein“ zu sagen, aus der Befürchtung heraus, den Arbeitsplatz zu verlieren. Außerdem fällt auf, dass perfektionistisch veranlagte Menschen und solche mit einem hohen Leistungsdruck eher unter dem Leisure-Sickness-Phänomen leiden.

Es gibt in der Forschung aber noch einen weiteren Erklärungsansatz, der in eine andere Richtung geht – dieser zielt auf die Frage ab, warum man krank wird, wenn der Stress nachlässt. Hier gibt es offenbar einen Zusammenhang mit dem Noradrenalin-Speicher. Noradrenalin ist ein Botenstoff, den der Körper selbst bildet – er sorgt dafür, dass Personen in Stresssituationen konzentriert, aufmerksam und wach sind. Menschen, die zum Beispiel während der Arbeit, stark gefordert sind, können mehr Noradrenalin verbrauchen als sie produzieren. In Ruhephasen mobilisiert der Körper dann zu wenig Noradrenalin – das macht sich durch verschleppte Stresssymptome wie Kopfschmerzen oder Erschöpfung bemerkbar.

Was tun bei Leisure Sickness?

Es gibt keine spezielle Behandlung bei Leisure Sickness. Personen mit der Freizeitkrankheit können aber einige vorbeugende Maßnahmen berücksichtigen. Dazu zählen:

  1. Das Immunsystem unterstützen: Mit einem kräftigen Immunsystem gelingt es dem Organismus besser, auf verschiedene Stresssituationen zu reagieren und Krankheitserreger abzuwehren. In dem Zusammenhang sind ausreichend Bewegung (zum Beispiel 3 x 30 Minuten pro Woche) an der frischen Luft und eine ausgewogene Ernährung ratsam.
  2. „Nein“ sagen lernen: Wer lernt, Aufgaben auch mal abzulehnen, kann die Arbeitsbelastung reduzieren – vielleicht kann ein anderer Mitarbeiter oder eine Kollegin die Tätigkeit stattdessen übernehmen?
  3. Die eigenen Grenzen kennen: Wo Stress und das Gefühl einer Überlastung anfangen, ist sehr individuell. Mit einem Stresstagebuch können Betroffene mehr über Auslöser von Stress und ihre eigene Belastungsgrenze erfahren. Dazu notieren sie bestenfalls täglich, welche Situationen zu Stress geführt haben und mit welchen Beschwerden das verbunden war.
  4. Ruhe-Inseln schaffen: Anstatt einen gefühlten Marathon zum nächsten Wochenende oder zum Urlaub zurückzulegen, sollten kleine Erholungspausen im Alltag stattfinden – wie wäre es mit einem Spaziergang in der Mittagspause oder einer kleinen Meditationsübung nach dem Feierabend?
  5. Bedeutsamkeiten neu ordnen: Welchen Stellenwert nimmt die Arbeit ein? Sind positive Erlebnisse im Urlaub nicht vielleicht wichtiger als unnötige Grübeleien über das nächste Meeting? Diese Frage kann zum Nachdenken anregen und mehr Platz für eine unbeschwerte Freizeit schaffen.
  6. Urlaub machen üben: Auch wenn es anfangs schwerfällt: In der Freizeit abzuschalten und loszulassen, kann man lernen. Dabei können Stressmanagement- und Entspannungstechniken wie die progressive Muskelentspannung unterstützen.
Eine Frau mit einem bunten Oberteil sitzt auf einer Bank und putzt sich die Nase. Vor ihr steht ein Reisekoffer.

© iStock / Photodjo

Menschen mit Leisure Sickness werden bevorzugt im Urlaub krank. Zur Vorbeugung sollten sich Betroffene regelmäßig Ruhe im Alltag gönnen.

Wenn die Freizeitkrankheit Belohnung verspricht

Es klingt paradox, schließlich möchte niemand am Wochenende oder im Urlaub krank sein, oder vielleicht doch? Sich vorübergehend angeschlagen zu fühlen, hat nämlich auch seine Vorteile: In der Regel erwartet bei einer Krankheit niemand eine Teilnahme an familiären Veranstaltungen oder das Mitwirken bei Freizeitaktivitäten. Menschen mit Leisure Sickness können so anstrengenden Tätigkeiten oder unliebsamen Verpflichtungen aus dem Weg gehen. Außerdem gibt es Aufmerksamkeit und Fürsorge als eine Art Entschädigung für Betroffene. Wenn sich Menschen wahrgenommen und umsorgt fühlen, kann das jedoch als positiver Verstärker dienen. Sie sagen dann auch in Zukunft vielleicht trotz einer Überforderung nicht „Nein“ zu einer weiteren Arbeitsaufgabe und planen auch weiterhin keine Entspannungspausen im Alltag ein, um als Belohnung Fürsorge zu erhalten.

Diese Folgen kann Leisure Sickness haben

Die Symptome bei der Freizeitkrankheit kommen und gehen – das kann dazu führen, dass Betroffene die Beschwerden nicht ernst nehmen. Dabei kann Leisure Sickness schwerwiegende Folgen haben. Einige Menschen blicken dabei sorgenvoll auf die freien Tage – die Befürchtung, krank zu werden, drückt nicht nur die Urlaubsstimmung, sondern auch das Wohlbefinden. Die Freizeitkrankheit kann sogar in einer Depression münden. Außerdem gibt es scheinbar Parallelen mit dem chronischen Erschöpfungssyndrom (Burnout). Bei beiden Phänomenen scheint Stress als Ursache eine Gemeinsamkeit darzustellen. Manche Experten und Expertinnen nehmen sogar an, dass die Freizeitkrankheit einen Burnout andeuten kann, also gewissermaßen ein Alarmsignal ist.

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