Psychologie
Depression: Tipps für Angehörige
Veröffentlicht am:20.01.2022
9 Minuten Lesedauer
Eine Depression belastet oft auch die Angehörigen. Partner, Familie und Freunde möchten helfen, wissen aber oft nicht, was sie tun können. Wie Sie Betroffene unterstützen und sich selbst vor Überlastung schützen können.
Depression erkennen: Angehörige sollten auf diese Anzeichen achten
Eine Depression ist eine ernst zu nehmende Erkrankung, die den gesamten Alltag der Betroffenen beeinträchtigen kann. Die krankheitsbedingt niedergedrückte Stimmung, Freudlosigkeit und der Antriebsmangel gehen auch an der Familie und Freunden nicht spurlos vorbei: In schweren Fällen übernehmen sie dann viele Alltagsaufgaben, weil die Erkrankten zunehmend überfordert sind. Gleichzeitig machen sich Angehörige von Depressiven große Sorgen und wissen nicht, wie sie helfen können – häufig sind sie es, denen zuallererst bewusst wird, dass ein Gang zum Arzt dringend notwendig ist.
Um die Erkrankung zu verstehen und frühzeitig zu erkennen, ist es wichtig, dass Angehörige die vielfältigen Symptome kennen.
Die drei Hauptsymptome einer Depression sind:
- niedergedrückte Stimmung
- Interessenverlust und Freudlosigkeit (nichts macht mehr Spaß)
- Antriebsmangel und schnelle Ermüdbarkeit
Dazu können weitere (auch körperliche) Symptome kommen, zum Beispiel:
- niedriges Selbstwertgefühl
- Pessimismus und Hoffnungslosigkeit
- Schuldgefühle
- Suizidgedanken
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Appetitmangel
- Schlafstörungen
Wenn mindestens zwei der drei Hauptsymptome sowie mindestens zwei Nebensymptome mindestens zwei Wochen vorliegen, sprechen Mediziner von einer Depression.
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Bei einer Depression dem Angehörigen helfen
Menschen mit einer Depression haben manchmal Schwierigkeiten, sich einzugestehen, dass sie krank sind. Angehörige können hier helfen, indem sie die Betroffenen freundlich und einfühlsam zu einem Arztbesuch motivieren.
Suchen Sie dafür das Gespräch mit dem Betroffenen und erklären Sie, dass Sie sich Sorgen machen und auch warum. Seien Sie nicht überrascht, wenn der Betroffene darauf anfangs zurückweisend reagiert. Nehmen Sie diese Reaktion nicht persönlich. Der Betroffene weist damit nicht Sie zurück, sondern das schwierige Thema. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen, sondern bleiben Sie geduldig und zugewandt.
Sie können darüber sprechen, welche Symptome bei Depressionen auftreten und den Betroffenen fragen, ob er einige dieser Symptome auch bei sich wahrgenommen hat. Dabei können Sie behutsam einflechten, welche auf eine Depression hindeutenden Verhaltensänderungen Sie bei dem Betroffenen wahrgenommen haben.
Wenn sich der Verdacht auf eine mögliche Depression in dem Gespräch erhärtet, sollten Sie dem Betroffenen zu einer ärztlichen oder psychotherapeutischen Abklärung raten. Wichtig ist, dabei zu vermitteln, dass Depressionen gut behandelbar sind. Sie können zudem anbieten, den Betroffenen zum Arzt zu begleiten. Die erste Anlaufstelle ist dabei oft der Hausarzt, da dieser für den Betroffenen meist bereits ein vertrauter Ansprechpartner ist. Er kann abklären, ob es sich tatsächlich um eine Depression handelt und die weitere Behandlung gemeinsam mit dem Betroffenen planen. Bei Bedarf kann er auch eine Überweisung zu einem Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie oder einem psychologischen Psychotherapeuten ausstellen.
Der Umgang mit einem depressiv Erkrankten ist für Angehörige oft nicht leicht. Insbesondere bei schweren Depressionen sind die Erkrankten zu vielen Tätigkeiten nicht mehr in der Lage, die vorher selbstverständlich waren. Eine Besserung setzt auch nach Aufnahme einer Therapie nicht sofort ein, sondern erfolgt meist erst nach und nach in kleinen Schritten. Das erfordert vom Erkrankten, aber auch von dessen Angehörigen oft viel Geduld.
Angehörige können die Erkrankten durch verschiedene Maßnahmen im Genesungsprozess unterstützen:
Behandlung unterstützen
Viele Depressive scheuen davor zurück, eine Therapie zu beginnen oder haben Schwierigkeiten, die Therapieempfehlungen langfristig umzusetzen. Ohne Behandlung kann sich der Zustand aber weiter verschlechtern. Angehörige sollten daher Betroffene zur Aufnahme einer Therapie motivieren und sie beim Durchhalten der Therapie unterstützen. Sie sollten dabei jedoch mit Augenmaß vorgehen und den Betroffenen nicht bevormunden oder ihm Dinge abnehmen, die er selbst bewältigen kann.
Gespräche richtig führen
Bleiben Sie in Gesprächen freundlich und zugewandt, denn dies führt in der Regel dazu, dass Ihr Gesprächspartner auch eher zugewandt reagiert. Versuchen Sie aber gleichzeitig, möglichst wenig die Richtung des Gesprächs vorzugeben, denn darauf reagieren Gesprächspartner oft mit Passivität. Ein depressiv erkrankter Mensch zieht sich also eher noch stärker zurück, wenn Sie im Gespräch offensiv die Richtung vorgeben oder Ratschläge geben. Wenn Sie dagegen nicht die Gesprächsrichtung vorgeben, entsteht Raum dafür, dass der Betroffene diese Rolle selbst übernimmt und damit wieder aktiver wird.
Geduld bewahren und Vorwürfe vermeiden
Zeigen Sie Betroffenen, dass Sie an ihrer Seite stehen, und bleiben Sie geduldig, wenn sich Gespräche stets um dieselben Themen drehen und sich Fortschritte nur langsam einstellen. Wenn es Probleme im Zusammenleben mit dem Erkrankten gibt, sprechen Sie diese an, aber vermeiden Sie dabei Vorwürfe und bleiben Sie wertschätzend und respektvoll.
Struktur fördern
Eine feste Alltagsstruktur vermittelt Halt und fördert Aktivität. Dazu können Angehörige von depressiv Erkrankten beitragen, etwa durch feste Essenszeiten oder regelmäßige schöne Aktivitäten, wie das Pflegen von Hobbies oder gemeinsame Spaziergänge.
Schonung vermeiden
Depressiv Erkrankte sind zu vielen Alltagstätigkeiten oft nicht mehr wie gewohnt in der Lage und brauchen dann vorübergehend Unterstützung. Angehörige sollten aber vermeiden, den Erkrankten mehr abzunehmen als unbedingt nötig. Sonst glaubt der Betroffene immer weniger daran, selbst noch etwas bewirken zu können, zieht sich weiter zurück und wird zunehmend passiver. Besprechen Sie deshalb mit dem Betroffenen, welche Aufgaben er selbst übernehmen kann und wo er Unterstützung benötigt. Richten Sie möglichst konkrete Bitten bezüglich der Übernahme von Aufgaben an den Betroffenen. Wenn Sie merken, dass etwas zu viel ist, versuchen Sie die größeren Aufgaben in kleine Teilaufgaben zu unterteilen, die der Betroffene schrittweise wieder übernehmen kann.
Selbsthilfe fördern
Betroffene können, ergänzend zur Behandlung, selbst aktiv werden, um eine Genesung zu beschleunigen, etwa durch regelmäßige körperliche Aktivität oder die Pflege soziale Kontakte. Solche Ansätze können Sie sanft fördern. Auch digitale Selbsthilfe-Programme können depressiven Patienten in Ergänzung zur ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung helfen. Zum Beispiel das Selbsthilfe-Programm „moodgym“, das anonym und kostenlos nutzbar ist und dessen Wirksamkeit wissenschaftlich gut untersucht ist.
Das sollten Angehörige vermeiden
Eine Depression ist eine seelische Erkrankung. Die Betroffenen sind daher – im Unterschied zu gesunden Menschen mit einem vorübergehenden Tief – tatsächlich nicht in der Lage, „sich zusammenzureißen“ oder sich im Urlaub zu erholen und neue Kräfte zu sammeln. Freunde und Familienmitglieder sollten daher nicht von sich selbst ausgehen und es vermeiden, die Probleme der Erkrankten zu bagatellisieren oder den Erkrankten Ratschläge zu geben. Sie sollten daher auf Hinweise wie die folgenden lieber verzichten:
- Jeder ist mal niedergeschlagen.
- Stell dich doch nicht so an.
- Reiß dich zusammen.
- Du musst nur ein bisschen raus.
- Gönn dir doch mal was Schönes.
Depressiv erkrankte Menschen können sich nicht zusammennehmen oder optimistisch daran glauben, dass es besser wird. Das ist Teil der Krankheit. Solche Aussagen von Angehörigen führen eher dazu, dass sich die Erkrankten noch schlechter fühlen.
Suizidgedanken bei Depressionen: ein Warnsignal
Wenn ein depressiv Erkrankter von Suizidgedanken spricht oder Angehörige vermuten, dass bei dem Betroffenen solche Gedanken bestehen könnten, sollten sie sofort reagieren. Es ist ein Irrglaube, dass Menschen, die über Suizidimpulse sprechen, sich nicht wirklich etwas antun wollen. Deswegen ist es wichtig, entsprechende Äußerungen immer ernst zu nehmen. Doch nicht alle depressiv Erkrankten, die Suizidgedanken haben, sprechen von sich aus darüber. Deshalb gibt es weitere Warnzeichen, auf die Angehörige achten sollten. Dazu gehören Äußerungen großer Hoffnungslosigkeit sowie das Ordnen der eigenen Angelegenheiten, Verschenken von Wertgegenständen oder das Verabschieden von nahestehenden Menschen.
Angehörige, die vermuten, dass ein depressiv Erkrankter Suizidgedanken haben könnte, sollten den Betroffenen konkret darauf ansprechen. Sie können zum Beispiel sagen, dass sie sich große Sorgen um den Betroffenen machen und Angst haben, dass er sich etwas antun könnte. Manche Betroffene weichen einem solchen Gespräch zunächst aus. In diesem Fall sollten Angehörige trotzdem genau nachfragen, wie es dem Betroffenen wirklich geht und ob er Suizidgedanken hat.
Das können Sie tun, wenn der depressiv Erkrankte Suizidgedanken hat:
- Signalisieren Sie dem Erkrankten, dass Sie diese Äußerungen sehr ernst nehmen und sich Sorgen machen. Auf keinen Fall dürfen Sie diese Impulse herunterspielen. Sätze wie „Deswegen muss man sich doch nicht gleich umbringen“ sind ein absolutes Tabu.
- Organisieren Sie unbedingt professionelle Hilfe und informieren Sie den behandelnden Arzt oder Psychotherapeuten. Ärzte oder Psychotherapeuten haben dann die Aufgabe zu klären, wie drängend die Suizidgedanken sind und welche Maßnahmen dementsprechend erforderlich sind.
- Besteht akute Gefahr, zum Beispiel, wenn der Betroffene konkrete Suizidabsichten äußert oder drängende Suizidgedanken hat, suchen Sie gemeinsam mit dem Betroffenen den behandelnden Arzt, oder – wenn dieser aktuell nicht erreichbar ist – die nächste psychiatrische Klinik auf. Sollte eine eigenständige Anfahrt nicht möglich sein, rufen Sie den Rettungsdienst unter 112.
- Zeigen Sie dem Betroffenen, dass er in der ihm aussichtslos scheinenden Situation nicht allein ist. Geben Sie ihm die Möglichkeit, sich Ihnen mit seinen Sorgen, Schuldgefühlen und Ängsten anzuvertrauen und über seine Suizidgedanken zu sprechen. Seien Sie für den Betroffenen da und begleiten Sie ihn zum Arzt oder in die Klinik.
- Ergänzende Unterstützung können Angehörige über das kostenfreie Info-Telefon Depression der Stiftung Deutsche Depressionshilfe erhalten. Es vermittelt Krankheits- und behandlungsbezogene Informationen und gibt Hinweise zu Anlaufstellen im bestehenden Versorgungssystem. Das Info-Telefon Depression ist Montag bis Freitag unter 0800 3344533 erreichbar.
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Beratung für Angehörige bei einer Depression
Es ist schwer zu ertragen, wenn es dem Partner oder anderen engen Familienangehörigen schlecht geht. Zu der permanenten Sorge kommen praktische Probleme: Angehörige müssen oft zusätzliche Aufgaben im Alltag übernehmen, kümmern sich gegebenenfalls allein um die Kinder und haben kaum noch Zeit für ausgleichende Freizeitaktivitäten.
Es ist daher sehr wichtig, dass Angehörige auch auf sich selbst und ihre Kräfte achten. Dabei helfen diese Tipps:
- Für sich selbst sorgen heißt nicht, dass man aufhört, für den anderen zu sorgen. Im Gegenteil: Ihr depressiv erkrankter Angehöriger hat mehr davon, wenn Sie mit ausreichend Energie und gefestigter Stimmung für ihn da sind. Das Ziel ist also, die Fürsorge für sich selbst und für den Betroffenen in eine gesunde Balance zu bringen.
- Achten Sie daher darauf, sich trotz der schwierigen Situation regelmäßig und bewusst Freiräume für angenehme Freizeitaktivitäten zu schaffen. Holen Sie sich dafür bei Bedarf Hilfe von Freunden oder anderen Familienangehörigen. Gestehen Sie sich zu, den Haushalt in dieser besonderen Belastungsphase nicht ganz so perfekt wie gewohnt zu führen.
- Finden und pflegen Sie Ihre persönlichen Kraftquellen. Berücksichtigen Sie dabei nach Möglichkeit verschiedene Lebensbereiche: Zeit für sich und Ihre Hobbys, Pflege von Freundschaften sowie regelmäßige körperliche Aktivitäten.
- Achtsamkeitsübungen können helfen, den Alltag gelassener und mit mehr innerer Stärke zu bewältigen. Durch die bewusste, nicht wertende Konzentration auf den gegenwärtigen Moment kann die Wahrnehmung eigener Körperempfindungen verbessert werden und das rastlose Gedankenkarussell aus Sorgen, Ängsten, Pflichten und Plänen unterbrochen werden. Regelmäßige Achtsamkeitsübungen können dabei helfen, innerlich ruhiger zu werden und Kraft zu sparen. Im Familiencoach Depression der AOK finden Sie fünf kurze Hörübungen zur Achtsamkeit, die sich leicht in den Alltag einbauen lassen.
- Eine Selbsthilfegruppe für Angehörige kann bei Depressionen eine große Unterstützung sein. Dort treffen Sie auf Menschen in ähnlichen Lebenssituationen, mit denen Sie über Ihre Sorgen und Schwierigkeiten im Zusammenleben mit dem Erkrankten sprechen können und die mit Verständnis reagieren und Ihnen Tipps für Alltagssituationen geben können. Nach einer Selbsthilfegruppe in Ihrer Region können Sie beim Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen suchen.
- Für Angehörige, die unter seelischen Belastungen leiden, bietet die Telefonseelsorge anonym und kostenlos Beratungsgespräche an: 0800/1110111 oder 0800/1110222. Zudem ist eine Beratung via Mail oder Chat möglich unter: www.telefonseelsorge.de
- Angehörige, die befürchten, aufgrund ihrer Belastungen selbst zu erkranken oder bereits erkrankt zu sein, können auch ihren Hausarzt ansprechen. Dieser kann gemeinsam mit Ihnen überlegen, wie das Ausmaß Ihrer Probleme einzuschätzen ist und beurteilen, ob eine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung erforderlich ist.
Die AOK hat in Zusammenarbeit mit ausgewiesenen Fachexperten den Familiencoach Depression für Angehörige von depressiv Erkrankten entwickelt. Dort finden Sie wichtige Informationen über depressive Erkrankungen und praktische Tipps für den Alltag. Unter anderem werden in Kurzfilmen konkrete Situationen geschildert, die im Alltag mit den Betroffenen häufig zu Problemen führen – und Lösungen aufgezeigt.
Sie erfahren, wie Sie die erkrankte Person unterstützen können, ohne Ihre eigenen Belastungsgrenzen zu überschreiten. Zudem finden Sie im Coach kurze Hörübungen zu Meditation und Achtsamkeit, die sich gut in den Alltag integrieren lassen. In Experten-Videochats werden darüber hinaus konkrete Fragen von Angehörigen beantwortet.