Stoffwechsel
Adipositas – was tun bei starkem Übergewicht?
Veröffentlicht am:20.05.2022
7 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 21.09.2023
In Deutschland sind immer mehr Menschen stark übergewichtig. Ein Anlass zur Sorge, denn Adipositas ist mit zahlreichen Folgeerkrankungen verbunden. Welche Risikofaktoren es für Adipositas gibt und wie Betroffene ihr Gewicht dauerhaft verringern.
Was ist Adipositas?
Menschen sind individuell: Wir sehen unterschiedlich aus, sind unterschiedlich groß und unterschiedlich schwer. Manche von uns sind schon immer kräftiger als andere und fühlen sich auch wohl damit. Wer Übergewicht hat, sollte damit allerdings nicht zu unbekümmert umgehen – und mit starkem Übergewicht erst recht nicht. Krankhaftes Übergewicht oder Fettleibigkeit wird als Adipositas bezeichnet. Dieser Fachbegriff lässt sich leicht erklären: „Adeps“ ist schlicht das lateinische Wort für „Fett“.
Was ist der Unterschied zwischen Adipositas und Übergewicht?
Die Begriffe Adipositas und Übergewicht sind nicht gleichbedeutend. Beide beschreiben ein Körpergewicht, das über das vom Body-Mass-Index (BMI) vorgegebene Normalmaß hinausgeht. Übergewicht und Adipositas bezeichnen aber verschiedene Grade von Mehrgewicht. Ein BMI von 25 bis 29,99 entspricht der Klassifikation Übergewicht. Ab einem BMI von 30, also einer stärkeren Abweichung vom Normalmaß, spricht man von Adipositas und starkem Übergewicht.
Ist Übergewicht eine Krankheit?
Das Problem bei Adipositas ist nicht das Übergewicht selbst, auch wenn es uns in unserer Mobilität im Alltag einschränken kann. Unter Fachleuten ist sogar umstritten, ob Adipositas allein eine Krankheit ist. Es gibt Menschen, die trotz Adipositas körperlich fit sind. Darauf darf man sich allerdings nicht verlassen: Zahlreiche Erkrankungen werden durch starkes Übergewicht ausgelöst oder zumindest begünstigt. Man spricht von Folgeerkrankungen.
Folgeerkrankungen der Adipositas
Besonders im Bauchbereich produzieren Fettzellen Hormone und verändern den Stoffwechsel. Bei adipösen Menschen kann es zu Entzündungen im Fettgewebe kommen, die das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen. Außerdem belastet das Gewicht Gelenke, Organe und Kreislauf. Häufige Folgen sind:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen, etwa Bluthochdruck, Arteriosklerose (Erkrankung der Arterien) oder Herzschwäche
- Diabetes Typ 2
- Gelenkverschleiß (Arthrose)
- nächtliche Atemaussetzer (Schlafapnoe)
- Fettleber
- einige Krebsarten
Je länger die Adipositas besteht und je ausgeprägter sie ist, desto wahrscheinlicher sind Folgeerkrankungen. Diese wiederum können das Übergewicht verstärken, etwa wenn Betroffene mit Arthrose wegen des Schmerzes Bewegungen vermeiden. Adipositas wirkt sich aber nicht nur auf den Körper, sondern auch auf die Psyche aus. Viele Betroffene fühlen sich unwohl in ihrem Körper und das Risiko für psychische Probleme steigt.
Kann der Body-Mass-Index (BMI) Adipositas messen
Der Body-Mass-Index (BMI) errechnet sich aus dem Verhältnis von Körpergröße zum Körpergewicht. Seine einfache Formel lautet: Gewicht in Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern. Für einen 1,80 Meter großen Menschen mit einem Gewicht von 80 Kilogramm ergibt sich die Gleichung: 80 : 1,8² = 24,7. BMI-Rechner finden Sie im Internet, zum Beispiel auf den Seiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Adipositas wird in drei Grade differenziert: Grad I (30–34,9), Grad II (35–39,9) und Grad III (40 und darüber). Allerdings sind das nur Orientierungshilfen, denn ein hoher BMI kann nur Hinweise auf einen zu hohen Körperfettanteil liefern. Einen exakten Aufschluss über die individuelle körperliche Verfassung gibt der BMI nicht, da er nicht zwischen Fett und Muskelmasse unterscheidet. Auch über die Verteilung des Körperfetts sagt der BMI nichts aus. Fett im Bauchbereich stellt ein höheres gesundheitliches Risiko dar als an anderen Körperstellen. Daher wird für eine Adipositas-Diagnose zusätzlich der Bauchumfang herangezogen. Ist er bei Männern größer als 102 Zentimeter und bei Frauen größer als 88 Zentimeter, ist das ein Hinweis auf zu viel Bauchfett.
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Adipositas – das sind die Ursachen
Meistens ist Adipositas die Folge eines unausgewogenen körperlichen Energiehaushalts. Das heißt, wir nehmen über die Nahrung mehr Kalorien zu uns, als wir verbrauchen. Nicht verbrauchte Kalorien werden vom Körper als Fett eingelagert. Wer selbst mit Übergewicht kämpft, hat oft das Gefühl: Andere können essen und trinken, was sie wollen, ohne zuzunehmen. Tatsächlich zählt die familiäre Veranlagung zu den Risikofaktoren für Adipositas. Meist wirken mehrere Risikofaktoren zusammen:
Genetische Veranlagung
Wenn schon die Eltern oder andere nahe Verwandte zu Übergewicht neigen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, selbst übergewichtig zu werden. Manche Gene beeinflussen das Sättigungsgefühl. Andere beeinflussen, wie gut unser Körper Nahrung verwertet.
Persönlicher Lebensstil
Vor allem die Kombination aus ungesunder (zucker- und fettlastiger) Ernährung und wenig Bewegung fördert Adipositas.
Psychische Erkrankungen und psychische Belastungen
Depressionen oder depressive Stimmungslagen können zu übermäßigem Essen führen, das als Ausgleichshandlung dient. Die Binge-Eating-Störung ist eine als eigenständige psychische Erkrankung anerkannte Essstörung. Sie zeichnet sich durch Heißhungerattacken aus. Aber auch Stress verleitet Menschen zum Essen. In Stresssituationen kommt es zur Ausschüttung des Hormons Cortisol, das Hunger und Appetit steigert.
Hormonelle Störungen
Cortisol kann auch krankheitsbedingt übermäßig im Blut vorkommen und permanent den Appetit anregen. Dann spricht man vom Cushing-Syndrom. Auch eine Schilddrüsenunterfunktion, die den Stoffwechsel verlangsamt, erhöht das Adipositas-Risiko. Außerdem kann das Hormon Leptin eine Adipositas begünstigen. Leptin beeinflusst unser Hunger- und Sättigungsempfinden. Wenn unser Gehirn die Signale des Leptins nicht richtig interpretieren kann, spricht man von einer Leptin-Resistenz. Die Folge: Trotz ausreichender Nahrungsaufnahme verspüren Betroffene weiter ein Hungergefühl.
Medikamente
Manche Medikamente können als Nebenwirkung Übergewicht begünstigen, vor allem bestimmte Mittel gegen Diabetes, Bluthochdruck, Epilepsie oder psychische Erkrankungen (zum Beispiel Antidepressiva und Neuroleptika). Einige dieser Medikamente werden bei Erkrankungen eingesetzt, die selbst eine mögliche Folge der Adipositas sind. Deshalb ist auf ungünstige Wechselwirkungen zu achten.
Rauchstopp
Essen ist eine mögliche Ersatzhandlung bei der Nikotinentwöhnung. Allerdings überwiegen die Vorteile, wenn man mit dem Rauchen aufhört. Eine mögliche Gewichtszunahme ist kein Anlass, weiter zu rauchen.
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Adipositas: So wird starkes Übergewicht behandelt
Wann eine Adipositas-Therapie aus medizinischer Sicht geboten ist, müssen Ärztin oder Arzt entscheiden – etwa, wenn es zu einer übermäßigen Fettansammlung im Bauchbereich kommt, Zusatzerkrankungen durch das Übergewicht entstehen (wie Bluthochdruck oder Diabetes), Erkrankungen durch Adipositas verschlimmert werden (wie Arthrose) oder ein hoher psychosozialer Leidensdruck besteht. Ziel der Behandlung ist, das Körpergewicht dauerhaft zu verringern.
Therapieansätze und Behandlungsmöglichkeiten bei Adipositas:
Ernährungstherapie
Damit wir abnehmen, muss unser Körper mehr Energie verbrauchen, als er aufnimmt. Bei der Ernährungstherapie geht es darum, für jede Patientin und jeden Patienten die richtige Diät herauszufinden. Ziel ist, über einen ausreichend langen Zeitraum die Energieaufnahme nachhaltig zu vermindern. Und das möglichst ohne gesundheitliche Risiken, denn stark kalorienreduzierte Diäten können Nebenwirkungen haben. Deshalb steht vor einer Diät eine gründliche ärztliche Untersuchung an und während der Diät eine regelmäßige ärztliche Kontrolle.
Bewegungstherapie
Mehr Bewegung steigert den Energieverbrauch. Dazu können schon alltägliche Aktivitäten beitragen wie schnelles Gehen oder die Treppen zu nehmen – statt Aufzug oder Rolltreppe. Hinzu kommen angeleitete Trainingsprogramme. Wichtig ist, Risiken zu vermindern: Stark adipöse Menschen sollten nur solche Bewegungs- und Sportarten wählen, die die Gelenke nicht zu sehr belasten.
Verhaltenstherapie
Oft wissen wir, was eigentlich gut für uns wäre – und tun es trotzdem nicht. Verhaltenstherapeutische Maßnahmen sind oft hilfreich. Bei Adipositas können wir durch die Verhaltenstherapie erkennen, welche Verhaltensweisen das Übergewicht hervorgerufen haben. Anschließend ist das Ziel, dieses Verhalten zu verändern. Mit therapeutischer Unterstützung erarbeiten die Betroffenen individuelle Strategien, um ihr Ess-, Einkaufs- oder Bewegungsverhalten zu verändern und zu kontrollieren.
Medikamente
Nur wenn sich nach einer Umstellung auf gesündere Ernährung und mehr Bewegung kein Erfolg eingestellt hat, kommt eine medikamentöse Therapie in Betracht. Etwa, wenn bestimmte Risikofaktoren oder Zusatzerkrankungen vorliegen. Eine solche Behandlung darf nur über ärztliche Verordnung und zusammen mit einer Ernährungsumstellung und mehr Bewegung erfolgen – nicht stattdessen.
Operation
Die letzte Maßnahme bei schwerer Adipositas sind chirurgische Eingriffe, um das Hungergefühl zu unterdrücken: zum Beispiel eine Magenverkleinerung, ein Magenbypass oder ein Magenband. Nach der Magenverkleinerung bleibt nur noch ein sogenannter Schlauchmagen übrig. Beim Bypass werden große Teile des Magens und des Dünndarms umgangen. Beim Magenband wird eine kleine Magentasche gebildet, indem ein Silikonband um den oberen Teil des Magens geschlungen wird. Nahrung gelangt nur in diese kleine Tasche, die sich schneller füllt als der gesamte Magen, wodurch man insgesamt weniger isst. Jede Operation ist mit Risiken verbunden. Möglicherweise kann danach der Verdauungstrakt Vitamine und Nährstoffe nur noch eingeschränkt aufnehmen. Deswegen müssen die Betroffenen Vor- und Nachteile gemeinsam mit Ärztin oder Arzt sorgfältig abwägen. Nach der Operation ist es nötig, die Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten umzustellen.
Übergewicht und Adipositas sind weit verbreitet
Mit 23 Prozent bei den Männern und 24 Prozent bei den Frauen ist sogar knapp ein Viertel aller Erwachsenen adipös. Wegen möglicher Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Arthrose ist Adipositas eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit.
Adipositas: ein gesunder Lebensstil verringert das Risiko
Adipositas kann nicht immer verhindert werden, wenn Menschen ungünstig veranlagt sind oder mehrere Risikofaktoren zusammenwirken. Wie bei vielen anderen Krankheiten gilt aber: Wer die Risikofaktoren meidet oder vermindert, verringert die Wahrscheinlichkeit für Adipositas. Der wichtigste Ansatzpunkt ist deshalb der persönliche Lebensstil: eine möglichst gesunde und ausgewogene Ernährung sowie ausreichend Bewegung.
Langfristige Vorteile einer Gewichtsreduktion
Menschen mit Übergewicht oder Adipositas profitieren davon, ihr Gewicht dauerhaft zu reduzieren. Eine Gewichtsreduktion senkt das Risiko von Folgeerkrankungen und steigert Wohlbefinden und Lebensqualität.
Diese Vorteile kann eine Gewichtsreduktion haben:
- Erhöhte Lebenserwartung
- Senkung von Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin und Triglyzeriden, die Gefäßverkalkungen verursachen können
- Erhöhung des HDL-Cholesterinspiegels, was Gefäßverkalkungen entgegenwirken und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen kann
- Senkung von Blutdruck-, Harnsäure- und Blutzuckerwerten
- Verringerung von Schmerzen und Steifigkeit der Gelenke, auch Kniebeschwerden können sich bessern.
- Entlastung der Wirbelsäule
- Linderung von Verdauungserkrankungen, wie gastroösophagealen Reflux
- Verbesserung des Schlafapnoe-Syndroms
- Bei Asthmatikern: Besserung der Lungenfunktion
- Verringerung einer Insulinresistenz, die zu erhöhten Blutzuckerwerten führen kann
- Besserung von Depressionssymptomen
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