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Gesundheitsmagazin

Stoffwechsel

Ketoazidose rechtzeitig erkennen und handeln

Veröffentlicht am:12.12.2023

7 Minuten Lesedauer

Die diabetische Ketoazidose ist eine schwere Form der Stoffwechselentgleisung, die besonders Menschen mit Typ-1-Diabetes betrifft. Der Körper übersäuert infolge von Insulinmangel. Hier ist schnelles Handeln wichtig.

Frau liegt auf einer Couch mit ihrer Hand auf der Stirn, mit einem Arm hält sie sich ihren Bauch.

© iStock / m-gucci

Was ist eine Ketoazidose?

Das Wort Ketoazidose ist der medizinische Fachausdruck für eine Übersäuerung des Blutes (Azidose) durch Ketone. Ketone sind eine Klasse von chemischen Verbindungen, die im Körper bei der Fettverbrennung entstehen und die normalerweise in geringen Mengen im Körper vorhanden sind. Zu viele Ketone gelangen bei einem Insulinmangel, wie er bei Diabetes mellitus Typ 1 typisch ist, ins Blut – es kommt zur Ketoazidose.

Der Hintergrund: Fehlt es den Körperzellen an Glukose, greifen sie auf einen anderen Stoffwechselweg zurück, bei dem unter anderem gespeicherte Fette zu Ketonen abgebaut werden. Fachleute sprechen auch von „Ketonkörpern“, womit mehrere Verbindungen – unter anderem Aceton – gemeint sind.

Nach und nach reichern sich die Ketone allerdings auch im Blut an und führen dazu, dass der pH-Wert sinkt, das Blut also übersäuert. Das hat weitreichende Folgen im gesamten Organismus und kann bleibende Schäden anrichten. Ohne rasche Behandlung kann eine Ketoazidose in ein diabetisches Koma übergehen und bei einem schweren Verlauf zum Tod führen.

Eine diabetische Ketoazidose (DKA) betrifft meist Menschen mit Typ-1-Diabetes, kann aber in ganz seltenen Fällen auch bei Typ-2-Diabetes auftreten. Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche mit einem noch nicht diagnostizierten Diabetes Typ 1. In seltenen Fällen können auch Personen ohne Diabetes durch übermäßigen Alkoholkonsum eine Ketoazidose entwickeln (alkoholische Ketoazidose, AKA).

Wie entsteht eine Ketoazidose?

Der Stoffwechselzustand der Ketose ist eine Art „Plan B“ für die Körperzellen, um Energie zu gewinnen. Dazu kommt es etwa unter Hungerbedingungen oder auch gezielt bei kohlenhydratarmen Diäten. Die Ketose führt nicht direkt zur Übersäuerung, also zur Ketoazidose, da die Ketonkörper in normalen Mengen auch wieder abgebaut werden. Anders bei Diabetes, bei dem der Körper Ketone in viel größerer Menge produziert. Durch die Dehydration, die bei erhöhtem Blutzucker entsteht, wird die Übersäuerung noch verstärkt.

Bei Menschen mit Diabetes Typ 1, deren Körper kein oder zu wenig Insulin produziert, ist die Ketoazidose jedoch eine schwerwiegende Komplikation. Ursache ist in dem Fall nicht, dass zu wenig Glukose vorhanden wäre – der Blutzuckerspiegel ist bei einer Ketoazidose oft sogar sehr hoch. Vielmehr können die Körperzellen die vorhandene Glukose ohne das Hormon Insulin nicht aufnehmen und verwerten. Nicht selten ist eine Ketoazidose daher die sogenannte Erstmanifestation eines bislang unbekannten Diabetes Typ 1. Das heißt, die Krankheit fällt erst bei der Notfallbehandlung einer Ketoazidose auf. Besonders häufig kommt dies bei Kindern vor.

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Ketoazidose: Ursachen bei bekanntem Diabetes

Häufige Ursachen für eine Ketoazidose bei bekanntem Diabetes ist, dass die Insulingabe vergessen oder das Insulin selbständig abgesetzt wurde. Bei Menschen, die eine Insulinpumpe nutzen, kann eine Ketoazidose darauf hindeuten, dass das Gerät nicht richtig funktioniert oder nicht richtig eingestellt ist.

Häufige Auslöser einer Ketoazidose bei bestehendem Diabetes sind auch Infektionen mit Fieber wie Harnwegs- oder Lungenentzündungen. Durch sie verbraucht der Körper mehr Energie, für deren Gewinnung er mehr Glukose und mehr Insulin benötigt.

Auch ein Herzinfarkt, ein Schlaganfall oder eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis) können bei einer Zuckerkrankheit eine Ketoazidose auslösen. Arzneimittel zur Entwässerung (Diuretika) oder Kortisonpräparate sind ebenfalls mögliche Verursacher.

Sonderfall alkoholische Ketoazidose

Bei einer alkoholischen Ketoazidose führt meist die Kombination aus Hungern und einem übermäßigen Alkoholkonsum zu den typischen Symptomen. In diesem Fall sorgt der Alkoholmissbrauch dafür, dass weniger Insulin produziert wird, während der Hungerzustand den ketogenen Stoffwechsel antreibt. Anders als bei einer diabetischen Ketoazidose ist der Blutzuckerspiegel aber nicht oder nur selten erhöht. Auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, die deutlich seltener eine Ketoazidose entwickeln als Menschen mit Typ 1, steigt das Risiko bei starkem Alkoholkonsum.

Zu welchen Symptomen kommt es bei einer Ketoazidose?

Typische Symptome einer Ketoazidose sind Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen. Da diese aber auch auf viele andere Erkrankungen hindeuten können, sind sie bei einem noch unbekannten Diabetes oft schwer zu deuten. Daneben zeigen Betroffene oft Symptome einer Überzuckerung, etwa sehr häufiges Wasserlassen, Abgeschlagenheit und starken Durst. Zudem führt die diabetische Ketoazidose aufgrund der großen Urinmengen oft zu einer Dehydrierung.

Ein deutlicher Hinweis ist die sogenannte Kußmaul-Atmung

Bei der Kußmaul-Atmung (nach dem Arzt Adolf Kußmaul) atmen die Betroffenen sehr tief und rasch aufeinanderfolgend ein und aus.

Der Körper versucht auf diese Weise, den Säuregrad des Blutes wieder auszugleichen. Die ausgeatmete Luft hat dabei einen auffälligen Geruch, der an vergorenes Obst oder Nagellackentferner erinnern kann. Dieser Effekt geht auf die enthaltenen Ketone, insbesondere Aceton, zurück.

Bei mittlerem bis schwerem Verlauf der Ketoazidose kommen Kopfschmerzen hinzu, in schweren Fällen auch Anzeichen einer eingeschränkten Gehirn- und Nervenfunktion. Anschließend kommt es zu Taumeln, Missempfindungen, Lähmungen oder Bewusstseinstrübungen. Die Betroffenen werden schläfrig und können das Bewusstsein verlieren.

Welche Folgen kann eine (diabetische) Ketoazidose haben?

Die Folgen einer diabetischen Ketoazidose können schwerwiegend sein. Schwere Verläufe führen unbehandelt zu einem diabetischen Koma und zum Tod. Untersuchungen haben gezeigt, dass schon eine diabetische Ketoazidose bei Kindern oder Heranwachsenden die Gehirnentwicklung schädigen kann. Kinder, die eine mittlere bis schwere Ketoazidose erlitten hatten, zeigten später ein verändertes Hirnwachstum und waren geistig weniger leistungsfähig.

Selten – bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen – kann auch die Therapie zu Komplikationen führen. Dazu zählt vor allem eine Schwellung im Gehirn. Ob diese durch eine zu schnelle intravenöse Flüssigkeitsgabe auftritt, ist nicht sicher geklärt. Um das zu vermeiden, beobachtet das ärztliche Team den Blutzuckerspiegel und andere Parameter sehr genau. Wichtig ist vor allem, Kreislauf und Stoffwechsel langsam und kontrolliert zu stabilisieren.

Wie wird eine Ketoazidose diagnostiziert?

Zunächst fragt der Arzt oder die Ärztin nach den Symptomen und verschafft sich einen Überblick über die Krankengeschichte:

  • Ist ein Diabetes (Typ 1 oder 2) bekannt? Wie ist er eingestellt? Halten Sie sich an den Therapieplan?
  • Bestehen weitere Erkrankungen? Nehmen Sie Medikamente ein?
  • Wie häufig konsumieren Sie Alkohol? Wann haben Sie zuletzt etwas gegessen?
  • Gibt es Anzeichen für weitere Erkrankungen (z. B. Schmerzen, Fieber, Husten)?

Bei Verdacht auf eine Ketoazidose untersucht die Fachperson das Blut und den Urin der oder des Betroffenen. Wenn Sie an Diabetes Typ 1 leiden und entsprechend geschult sind, können Sie eine Ketoazidose auch selbst feststellen – dazu messen Sie zunächst den Blutzucker. Liegt der Wert über 250 mg/dl (13,9 mmol/l), testen Sie mit einem Urin- oder Blutteststreifen auf Ketonkörper. Das Fachpersonal in Ihrer Diabetes-Praxis kann Sie mit entsprechenden Teststreifen ausstatten und die genaue Handhabung erklären.

Auch der Arzt oder die Ärztin bestimmt zunächst den Blutzuckerspiegel sowie den Anteil an Ketonkörpern im Urin oder im Blut. Sind diese Werte verdächtig, folgt ein ausführliches Blutbild mit Entzündungsparametern und weiteren Werten sowie eine Blutgasanalyse.

Erhärtet sich der Verdacht auf eine Ketoazidose, weisen die Behandelnden den Patienten oder die Patientin zumeist als Notfall in ein Krankenhaus ein (sofern der Rettungsdienst die oder den Betroffenen nicht bereits dorthin gebracht hat).

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Wie sieht bei einer Ketoazidose die Behandlung aus?

Wenn Sie mittels Blut- oder Urintests eine beginnende Ketoazidose feststellen, können Sie selbst direkt reagieren: Wichtig ist, dass Sie sich körperlich schonen, viel trinken und kurzwirksames Insulin spritzen. Halten Sie sich dabei genau an die Anweisungen Ihrer diabetologischen Praxis und suchen Sie immer ärztliche Hilfe. Das gilt insbesondere bei ausgeprägten oder anhaltenden Symptomen oder wenn der Blutzucker nicht wieder sinkt.

Eine mittlere bis schwere Ketoazidose sollte zur Sicherheit immer in einem Krankenhaus behandelt werden. Über einen Venenzugang erhalten die Betroffenen Flüssigkeit und Elektrolyte, um den Flüssigkeitsmangel auszugleichen. Mit niedrig dosiertem Insulin wird der Blutzuckerspiegel allmählich normalisiert. Abhängig von den Laborwerten verabreicht das Klinikpersonal auch Kalium und/oder versucht, die Übersäuerung mit Bicarbonat auszugleichen.

Daneben ist es wichtig, eventuell weitere Erkrankungen (wie eine schwere Infektion oder einen Herzinfarkt) als Ursachen der Stoffwechselentgleisung zu identifizieren und bei Bedarf direkt zu behandeln.

Ein Mann hält ein Glas unter einen Wasserhahn und füllt es.

© iStock / BrianAJackson

Bei einer beginnenden Ketoazidose kann es helfen, viel zu trinken, sich zu schonen sowie Insulin zu spritzen.

Wie lässt sich einer Ketoazidose vorbeugen?

In der Vergangenheit wurde ein Typ-1-Diabetes häufig erst diagnostiziert, wenn Kinder oder Jugendliche eine Ketoazidose entwickelt haben. Bis heute geschieht das in einem von vier Fällen, gehäuft an Orten mit wenig strukturierter medizinischer Vorsorge.

In Ländern, in denen ausreichende, geregelte Vorsorgeuntersuchungen durch die gesamte Kindheit und Jugend stattfinden, gibt es wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge weniger diabetische Ketoazidosen bei jungen Menschen. Diesen Zusammenhang zwischen früh erkannten Diabetes-Erkrankungen und damit vermeidbaren gefährlichen Ketoazidosen konnten Forschende auch für die Zeit der COVID-19-Pandemie zeigen: Weil in diesem Zeitraum viele Termine für Vorsorgeuntersuchungen verschoben wurden, gab es besonders zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 mehr Fälle von diabetischen Ketoazidosen bei Kindern und Jugendlichen.

Fachleute empfehlen daher regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und mehr Aufklärung über die frühen Anzeichen eines Diabetes. Zudem ist es hilfreich, dass Diabetiker und Diabetikerinnen nicht nur über die Symptome aufgeklärt sind, sondern auch Teststreifen für Ketonkörper besitzen und damit umgehen können. So können sie selbst frühzeitig eine Ketoazidose erkennen und rasch gegensteuern oder ärztliche Hilfe suchen.

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