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Stoffwechsel

Immunsystem gegen Schilddrüse: Morbus Basedow

Veröffentlicht am:20.10.2021

7 Minuten Lesedauer

Die Schilddrüse nimmt unbemerkt Einfluss auf zahlreiche Funktionen in unserem Körper. Bei der Erkrankung Morbus Basedow wird sie permanent stimuliert, sodass es zur Überfunktion kommt. Welche Folgen das haben kann und wie eine erfolgreiche Behandlung aussieht, erfahren Sie hier.

Eine Frau schaut sich ihre Augen genau im Spiegel an.

© iStock / PeopleImages

Prof. Dr. Jochen Seufert, Leiter der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

© Uniklinikum Freiburg

Prof. Dr. Jochen Seufert ist Leiter der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Freiburg. Seit vielen Jahren behandelt er Patienten mit Erkrankungen des Hormonsystems und somit auch die Krankheit Morbus Basedow.

Im Interview spricht er über die Symptome der Basedowschen Krankheit und wie sie geheilt werden kann.

Morbus Basedow ist eine von mehreren Ursachen für eine Schilddrüsenüberfunktion – was steckt dahinter?

Es handelt sich um eine Erkrankung des Immunsystems, eine Autoimmunerkrankung, bei der Autoantikörper gegen den sogenannten TSH-Rezeptor gebildet werden.

Der TSH-Rezeptor sitzt auf den Schilddrüsenzellen und reagiert auf das Hormon TSH, das in der Hirnanhangsdrüse produziert wird. Das TSH reguliert die Schilddrüsenfunktion und damit die Produktion von Schilddrüsenhormonen. Bei Morbus Basedow stimulieren diese TSH-Rezeptor-Antikörper (kurz: TRAK) den Rezeptor auf der Schilddrüse, wodurch es zur vermehrten Bildung von Schilddrüsenhormonen und damit zur Überfunktion kommt. Die Antikörper wirken praktisch so, als ob jemand permanent auf dem Gaspedal der Schilddrüse steht.

Am häufigsten wird die Diagnose Morbus Basedow in einem Alter von 30 bis 50 Jahren gestellt.

Welche Symptome haben Patienten mit Morbus Basedow?

Die Symptome der Basedowschen Krankheit äußern sich wie die klassischen Symptome einer Überfunktion. Die Patienten haben einen erhöhten Puls, Durchfall, Schlafstörungen, Haarausfall oder Gewichtsabnahme – alles verursacht durch einen erhöhten Stoffwechsel. Sie schwitzen auch mehr und ertragen Wärme häufig nicht so gut. Manchmal kann aber auch nur eines der genannten Symptome auftreten.

Hinzukommen können noch andere, spezifische Symptome:

  • Bei 30 bis 40 Prozent der Morbus-Basedow-Patienten sind auch die Augen betroffen – sie leiden unter einer sogenannten endokrinen Orbithopathie. Die Autoantikörper können hinter den Augäpfeln in der Augenhöhle zu Schwellungen führen, wodurch die Augen etwas aus der Augenhöhle hervortreten. Dadurch können die Augenlider oft nicht mehr gut geschlossen werden. Bei starker Ausprägung kann die Hornhaut austrocknen und sich schmerzhaft verändern. Auch können sich die Augenmuskeln entzünden, was dazu führt, dass die Augen nicht mehr synchron bewegt werden können. Ein Schielen zur Seite oder nach oben sowie das Sehen von Doppelbildern sind die Folge. Bei einem sehr schweren Verlauf kann auch der Sehnerv beschädigt werden, was zur Erblindung führt.
  • Die Überfunktion der Schilddrüse kann zu der Bildung eines Kropfs (Struma) führen. Die Schilddrüse vergrößert sich, da das TSH ein Wachstumsfaktor für die Schilddrüse ist. Das Wachstum führt auch zu einer vermehrten Durchblutung des Organs.
  • Dann gibt es noch seltenere Manifestationen der Basedowschen Krankheit, wie das periphere Myxödem, wobei es zu Schwellungen vor allem im Bereich der Schienbeinkanten kommen kann.

„Die TSH-Rezeptor-Antikörper wirken praktisch so, als ob jemand permanent auf dem Gaspedal der Schilddrüse steht.“

Prof. Dr. Jochen Seufert
Leiter der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

Können sich die Augenveränderungen wieder zurückbilden?

Mit einer konsequenten Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion können sich die Ausprägungen der Augenveränderungen zurückbilden. Reicht das nicht aus, sind entzündungshemmende Medikamente an den Augen oder eine gezielte Bestrahlung der Augenhöhle möglich.

Leichte Ausprägungen bilden sich meist zurück. Folgen von schweren Stadien können sich zumindest unter der Behandlung bessern. Restzustände werden dann kosmetisch mit einer Augenoperation behandelt.

Gibt es klare Auslöser oder Ursachen bei dieser Erkrankung?

Wie bei vielen Autoimmunerkrankung gibt es Auslöser, die jedoch unspezifisch sind. Die Symptome beginnen meist mit einer viralen Infektionserkrankung, da so ein Infekt ein unspezifischer Stimulator des Immunsystems ist. Darum gibt es auch mehr Diagnosen im Herbst und Winter.

Die genauen Ursachen sind jedoch unbekannt. Wir wissen aber von genetischen Veränderungen und auch familiären Häufungen von anderen Erkrankungen der Schilddrüse, zum Beispiel die Hashimoto-Thyreoiditis. Patienten mit Morbus Basedow können aber auch andere autoimmune Erkrankungen bekommen. Typisch sind zum Beispiel eine Nebennierenschwäche (Morbus Addison), ein Typ-1-Diabetes oder eine Blutarmut durch Vitamin-B12-Mangel (perniziöse Anämie).

Wenn mehrere Systeme betroffen sind, nennen wir das Autoimmunes polyendokrines Syndrom Typ 2 oder auch Schmidt-Syndrom. Deswegen sollten Patienten mit Morbus Basedow auch regelmäßig (ungefähr einmal im Jahr) zu Nachuntersuchungen beim Facharzt gehen, auch wenn die Erkrankung bereits ausgeheilt ist.

Ein Arzt führt eine Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse bei einer Frau durch.

© iStock / Andrey Shevchuk

Teil der Diagnostik ist eine Schilddrüsenultraschalluntersuchung. Mit ihr kann der Arzt eine erhöhte Durchblutung als Symptom von Morbus Basedow feststellen.

Sind Männer und Frauen gleich häufig davon betroffen?

Frauen erkranken ungefähr fünfmal so häufig wie Männer. Das beobachtet man bei allen Autoimmunerkrankungen. Warum, wissen wir leider noch nicht.

Gibt es Risiken, die man meiden kann?

Präventionsmöglichkeiten gibt es leider nicht. Man weiß aber, dass Rauchen ein Risikofaktor für das Auftreten der Augenveränderungen bei dieser Erkrankung ist. Menschen, die rauchen, bekommen häufiger die Augenmanifestation als Nichtraucher. Darum wird bei Diagnosestellung auch dringend empfohlen, auf das Rauchen zu verzichten. Eine Einnahme von Selen kann helfen, einer Verschlechterung der Augensymptome vorzubeugen.

„Menschen, die rauchen, bekommen häufiger die Augenmanifestation als Nichtraucher. Darum wird bei der Diagnosestellung auch dringend empfohlen, auf das Rauchen zu verzichten.“

Prof. Dr. Jochen Seufert
Leiter der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

Was sind erste Anzeichen, bei denen man hellhörig werden und zum Arzt gehen sollte?

Das sind all die klassischen Symptome der Schilddrüsenüberfunktion, also zum Beispiel ein erhöhter Puls, Durchfall oder Wärmeintoleranz. Es kann aber auch sein, dass man zuerst bemerkt, dass die Augen hervortreten oder sich häufiger entzünden. Dann ist ein Gang zum Augenarzt notwendig.

Welcher Arzt ist die richtige Anlaufstelle

Der Hausarzt ist eine gute erste Anlaufstelle. Er kann die Schilddrüsenwerte kontrollieren. Für die weiterführende Behandlung ist dann ein Schilddrüsenspezialist der richtige Arzt.

Schilddrüsenspezialisten gibt es im Bereich der Endokrinologie, aber auch im Fachgebiet der Nuklearmedizin. Beide sind die Experten für die Behandlung des Morbus Basedow. Bei zusätzlicher Augenmanifestation muss die Behandlung in enger Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Augenarzt erfolgen.

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Wie wird die Diagnose Morbus Basedow dann gestellt?

Die Diagnose basiert auf drei Säulen:

  1. Die Kontrolle der Schilddrüsenwerte im Blut ist der erste Schritt. Hier schaut man auf die Hormone TSH, fT3 und T4 und kann so eine Überfunktion diagnostizieren.
  2. Zusätzlich wird das Blut auf das Vorhandensein der TSH-Rezeptor-Antikörper hin untersucht.
  3. Als Drittes gehört eine Schilddrüsenultraschalluntersuchung dazu, die in der Akutphase die erhöhte Durchblutung zeigen kann.

Wie sieht die Therapie aus? Ist Morbus Basedow heilbar?

Es gibt leichte Verläufe, die sehr schnell zu verbessern sind, aber auch schwerwiegende Verläufe. Die Behandlung beginnt meist medikamentös, mit sogenannten Thyreostatika. Sie verhindern die übermäßige Produktion der Schilddrüsenhormone und normalisieren so die Überfunktion.

Die Schilddrüsenwerte fallen unter der Behandlung meist rasch. Man fängt erst mit einer hohen Dosis an und reduziert sie schrittweise, wenn die Schilddrüsenwerte gesunken sind. Ist die niedrigste Dosis erreicht, ist es sehr wichtig, die Behandlung weiterzuführen – bis auch die Autoantikörper nicht mehr nachweisbar sind. Die Patienten müssen sich deshalb auf eine Behandlung von mindestens einem halben bis ganzen Jahr einstellen.

Wenn nach einem halben Jahr die Antikörper nicht mehr nachweisbar sind, kann man versuchen, die Medikamente unter regelmäßiger Kontrolle der Blutwerte abzusetzen. Bei etwa 60 Prozent der Patienten ist so eine Heilung der Erkrankung möglich.

„Wenn nach einem halben Jahr die Antikörper nicht mehr nachweisbar sind, kann man versuchen, die Medikamente unter regelmäßiger Kontrolle der Blutwerte abzusetzen. Bei etwa 60 Prozent der Patienten ist so eine Heilung der Erkrankung möglich.“

Prof. Dr. Jochen Seufert
Leiter der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

Und was ist mit den anderen 40 Prozent der Patienten?

Bei den anderen 40 Prozent der Patienten kommt es leider zu einem Rückfall. Dann behandeln wir die Erkrankung weiter, aber mit anderen Mitteln. Infrage kommen dann eine vollständige operative Schilddrüsenentfernung oder eine sogenannte Radiojodtherapie.

Beide Formen der Behandlung sind erfolgreich und führen zur vollständigen Ausheilung. Es bedeutet jedoch auch, dass die Patienten lebenslang das Schilddrüsenhormon als Tablette zu sich nehmen müssen, da die Schilddrüse keine Hormone mehr produzieren kann. Darum versucht man es anfangs immer erst konservativ.

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Gibt es etwas, worauf man während der Therapie im Alltag achten muss?

Während er Behandlung ist wichtig:

  • mit dem Rauchen aufhören bzw. gar nicht erst damit anfangen,
  • die Schilddrüsenmedikamente regelmäßig einnehmen,
  • regelmäßig zum Hausarzt gehen, um die Schilddrüsenwerte kontrollieren lassen.

Abgesehen davon kann man seinen Alltag normal weitergestalten. Nur Jodsalz sollten die Patienten bei ihrer Ernährung meiden, weil Jod die Schilddrüsenfunktion wieder anheizen kann. Da auch einige Kontrastmittel Jod enthalten können, sollten Pateinten in der akuten Phase der Erkrankung möglichst Computertomografie (CT)-Aufnahmen vermeiden. Kernspintomografie-Kontrastmittel sind aber unproblematisch.

Wie gefährlich ist die Erkrankung Morbus Basedow?

Eine starke Überfunktion der Schilddrüse durch Morbus Basedow kann auch mal gefährlich werden. Das ist aber nur selten der Fall. Bei Augenveränderungen muss aber eine enge Zusammenarbeit mit einem Augenspezialisten stattfinden, um eine Erblindung zu verhindern. Wenden Sie sich darum unbedingt an spezialisierte Endokrinologen oder Nuklearmediziner, die in der Behandlung dieser Erkrankung langjährige Erfahrung haben.

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