Stoffwechsel
Mythos 37 Grad: Was unsere Körpertemperatur wirklich beeinflusst
Veröffentlicht am:28.04.2025
5 Minuten Lesedauer
Was ist eigentlich eine normale Körpertemperatur? Lange galten 37 Grad Celsius als Standard, doch neuere Studien deuten auf einen niedrigeren Durchschnittswert beim modernen Menschen hin. Welche Faktoren unsere Körpertemperatur beeinflussen.

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Welche Körpertemperatur ist normal?
Der Wert, der seit dem 19. Jahrhundert als Referenz galt, wurde um 1850 von dem deutschen Arzt Carl Reinhold August Wunderlich in Leipzig ermittelt. Er hatte Messungen unter der Achselhöhle bei rund 25.000 Patienten durchgeführt und kam zu dem Schluss: Rund 37 Grad Celsius sind für einen gesundenen erwachsenen Menschen die durchschnittliche Körpertemperatur. 36,2 bis 37,5 Grad Celsius galten seitdem als normal.
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Universität Stanford stellten im Jahr 2019 allerdings die These eines Rückgangs der durchschnittlichen Körpertemperatur auf. Zur Überprüfung verglichen sie Temperaturdaten aus drei Studien: Daten von knapp 24.000 männlichen Veteranen des amerikanischen Bürgerkriegs (1861–1865), von 15.000 männlichen und weiblichen Probanden aus den 1970ern und von rund 150.000 Männern und Frauen aus den Jahren 2007 bis 2017.
Weniger Infektionen, niedrigere Körpertemperatur?
Das Ergebnis: Mit jeder Dekade sank die durchschnittliche Körpertemperatur um etwa 0,03 Grad Celsius. Erwachsene Männer haben heute im Durchschnitt eine knapp 0,6 Grad Celsius niedrigere Körpertemperatur als Männer, die Anfang des 19. Jahrhunderts geboren wurden. Weitere Studien aus den letzten Jahren stützen dieses Ergebnis in der Tendenz. So ergab eine Untersuchung von rund 25.000 britischen Patienten eine durchschnittliche Temperatur von 36,6 Grad (bei Messung im Mund).
Die Forschung sieht dafür mehrere Gründe. Die heutige Ernährung ist im Durchschnitt gesünder, was den Stoffwechsel und damit die Körpertemperatur beeinflusst. Zusätzlich bewegen sich Menschen heute weniger und verbringen mehr Zeit in temperaturregulierten Umgebungen, was ebenfalls die Wärmeproduktion reduziert.
Eine weitere mögliche Erklärung: Heutzutage leiden Menschen seltener an Entzündungen und unter Krankheiten wie Tuberkulose als vor 200 Jahren. Dies führt ebenfalls zu einer geringeren Wärmeentwicklung im Körper. Die Stanford-Forscherinnen und -Forscher nennen als Beleg eine Studie aus Pakistan, wo Tuberkulose noch weit verbreitet ist. Die dort untersuchten Menschen hatten tatsächlich eine leicht höhere durchschnittliche Körpertemperatur als die in den USA.
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Wovon hängt die Körpertemperatur ab?
Auch wenn die selbst gemessene Körpertemperatur etwas vom ermittelten Durchschnitt abweicht, ist dies in der Regel kein Grund zur Sorge, sofern keine weiteren Beschwerden vorliegen. Denn die Körpertemperatur wird von vielen Faktoren beeinflusst.
So haben ältere Menschen im Durchschnitt eine niedrigere Temperatur als jüngere. Außerdem ändert sich der Wert je nach Tageszeit: Bei einem normalen Tagesablauf ist sie gegen vier Uhr morgens am niedrigsten und gegen 18 Uhr am höchsten – die Schwankung kann bis zu 0,5 Grad Celsius und mehr ausmachen.
Weitere Einflussfaktoren sind körperliche Anstrengung und die Umgebungstemperatur. Ein anstrengender Lauf oder ein Saunagang können zum Beispiel die Körpertemperatur um über ein Grad erhöhen. Auch die genetische Veranlagung spielt eine Rolle: Manche Menschen haben von Natur aus eine etwas höhere oder niedrigere Körpertemperatur.
Wie genau kann man überhaupt messen?
Die Körpertemperatur wird zuhause meist per Fieberthermometer im Mund oder unter der Achsel gemessen. Manche verwenden auch ein spezielles Stirnthermometer, mit dem sich die Temperatur per Infrarot-Sensor an der Stirn oder besser noch an der Schläfe messen lässt. Diese Methoden sind zwar am einfachsten, aber auch am ungenauesten. Außerdem sind sie anfällig für Einflüsse wie Raumtemperatur, die Position des Thermometers oder die Auswirkungen von gerade konsumierten kalten oder warmen Speisen oder Getränken.
Genauer ist die rektale Messung. Auch die Messung im Gehörgang ist prinzipiell exakter. Allerdings erfordert sie Sachkenntnis, da das Risiko von Messfehlern durch falsche Anwendung hoch ist.

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Der Messwert ist abhängig von der Methode
Ein Vergleich tausender Messwerte aus wissenschaftlichen Publikationen durch Forschende der State University of New York hat ergeben: Messungen im Mund oder Ohr lieferten um bis 0,5 Grad Celsius niedrigere Werte als rektale Messungen, in der Achselhöhle sogar um bis zu einem Grad weniger.
Fieberthermometer eignen sich daher, um bei einer Erkältung festzustellen, ob man Fieber hat. Sie stoßen aber an ihre Grenzen, wenn es um exakte Werte geht. Präzise Methoden wie die Messung per Blasenkatheter, in der Lungenarterie oder Speiseröhre, die der „Körperkerntemperatur“ nahekommen – also der Temperatur im Körperinneren, wo die lebenswichtigen Organe sitzen – sind medizinischem Fachpersonal vorbehalten.
Wellness für heiße Tage
An heißen Sommertagen ist es für den Körper harte Arbeit, seine Temperatur im gesunden Bereich zu halten. Aber es gibt Dinge, die man tun kann, um ihn zu unterstützen. Hier steht, wie man an heißen Tagen fit bleibt.
Wie regelt der Körper die Temperatur ein?
Wie schafft es der Körper, seine Temperatur trotz Kälte, Hitze, Anstrengung oder Ruhe konstant zu halten? Dazu verfügt der menschliche Organismus über ein System zur Selbstüberwachung. Nervenzellen sitzen einerseits in der Haut, andererseits im Körperinneren, dicht bei den Organen.
Ihre Signale laufen im Hypothalamus im Zwischenhirn zusammen. Dort werden auch die Maßnahmen ausgelöst, mit denen der Körper seine Temperatur regulieren kann. Bei zu hoher Körpertemperatur wird die Durchblutung der Haut verstärkt, um Wärme abzugeben. Zusätzlich aktivieren sich die Schweißdrüsen zur Verdunstungskühlung. In manchen Fällen wird auch gehechelt, um Wärme über die Atemluft abzugeben.
Bei Kälte nimmt die Durchblutung der Haut ab, um die Wärme zu speichern. Muskelaktivität (zum Beispiel Zittern) wärmt den Körper auf. Und auch der Stoffwechsel wird angeregt, um zusätzliche Wärme zu produzieren.
Alkohol und Drogen stören das System
Normalerweise halten diese Mechanismen die Körpertemperatur im gesunden Bereich. Unter bestimmten Umständen kann das System jedoch an seine Grenzen stoßen. Bei extremer Hitze und Anstrengung etwa kann ein Hitzschlag drohen, bei starker Kälte und Auskühlung eine Unterkühlung. Kleine Kinder und ältere Menschen sind dabei besonders gefährdet. Denn sie können ihre Körpertemperatur weniger gut regulieren als jüngere Erwachsene und ältere Kinder.
Zudem können verschiedene Faktoren wie Alkohol oder Drogen wie Ecstasy, Amphetamin, Kokain oder Heroin die Temperaturregulation stören und im Extremfall lebensbedrohlich sein. Aber auch Nervenschäden oder Krankheiten wie Multiple Sklerose, Diabetes, Schilddrüsenprobleme oder Parkinson können die Regulierung der Körpertemperatur stören.
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