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„Buy-Now-Pay-Later“: Schuldenfalle und Einstieg in die Kaufsucht?

Veröffentlicht am:13.09.2024

6 Minuten Lesedauer

Jetzt bequem im Netz shoppen und erst Wochen später bezahlen. Klingt verlockend. Doch das Prinzip „Buy now, pay later“ – zu Deutsch: jetzt kaufen, später bezahlen – birgt Gefahren. Welche sind das? Und wie können Sie sich schützen?

Junge Frau, die mit Rechnungen in der Hand vor ihrem aufgeklappten Laptop am Küchentisch sitzt und sich gestresst mit der linken Hand an die Stirn fasst.

© iStock / urbazon

Was verbirgt sich hinter dem Angebot „Buy now, pay later“?

Shoppen macht Spaß. Besonders im Internet. Mit wenigen Klicks sind Bestellung und Kauf abgeschlossen. Die Möglichkeit, das Gewünschte sofort kaufen zu können, aber erst später bezahlen zu müssen, bezeichnet man als „Buy now, pay later“. Das klingt verlockend. In der Regel wird die Option von Zahlungsdienstleistern wie Klarna oder PayPal angeboten. Sie wickeln die Zahlung ab – nicht der Verkäufer. Nach zum Beispiel 14 oder 30 Tagen wird der Betrag zeitverzögert vom Konto abgebucht. Auch einige große Online-Händler bieten diese Zahlungsmöglichkeit an.

Die klassische, altbekannte Variante von „Buy now, pay later“ ist das Ratenzahlungsmodell. In diesem Fall wird ein Darlehensvertrag mit dem Zahlungsdienstleister und nicht mit dem Verkäufer abgeschlossen. Die Rückzahlung erfolgt in Raten, über einige Monate oder aber auch über mehrere Jahre. Jeden Monat wird die fällige Rate dann vom Konto abgebucht. Zu beachten ist jedoch, dass bei einer Ratenzahlung in der Regel Zinsen anfallen. Je nach Dienstleister können sie unterschiedlich hoch sein.

Buy now, pay later wird immer beliebter

„Buy now, pay later“ wird in Deutschland gern genutzt. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat dazu eine Umfrage gemacht: Etwa 37 Prozent der befragten Menschen, die im Internet einkaufen, gaben an, in den vergangenen zwölf Monaten mindestens eine Online-Bestellung per Rechnung, Ratenkauf oder mit einem längeren Zahlungsaufschub gemacht zu haben. Unter diesen Zahlungsmethoden war der Rechnungskauf mit 14-tägiger Zahlungsfrist am beliebtesten.

Vor allem junge Menschen lassen sich zu Internetkäufen verleiten, bei denen die Zahlung verschoben wird. In den sozialen Medien, zum Beispiel auf Kanälen wie TikTok, posten einige Nutzerinnen und Nutzer sogar stolz, wie viele Konsumschulden sie bereits angehäuft haben.

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Ist „Buy now, pay later” eine Falle?

Das Bezahlmodell „Buy now, pay later“ scheint auf den ersten Blick praktisch, ist aber umstritten, denn es kann zur Konsum- und zur Schuldenfalle werden. Ein Zahlungsaufschub erscheint verlockend, vor allem dann, wenn das Monatsende naht und kaum noch Geld auf dem Konto ist. Doch wer dieses Modell nutzt, kann schnell den Überblick über seine Finanzen verlieren und darüber, wann welche Beträge fällig werden. Gerade dann, wenn viel online und bei verschiedenen Anbietern geshoppt wird. „Buy now, pay later“ macht es Konsumentinnen und Konsumenten leicht, mehr Geld auszugeben als eigentlich zur Verfügung steht. Die Rechnungen stapeln sich – und der Schuldenberg wächst. Hinzu kommt:

  • Bei einem Ratenkauf können die Zinsen mitunter sehr hoch sein. Kommt es zum Zahlungsverzug, werden Mahngebühren fällig.
  • Geht trotz Mahnung kein Geld beim Anbieter ein, kann dieser ein Inkasso-Unternehmen beauftragen, das Geld einzutreiben. So entstehen weitere Kosten.
  • Wenn die gelieferte Ware mangelhaft ist oder nicht geliefert wurde, kann es eher passieren, dass die Käuferinnen und Käufer die Rückzahlung nicht einfach aussetzen können. Der Nachteil: Nun müssen sie sich mit zwei Unternehmen auseinandersetzen: dem Händler und dem Zahlungsdienstleister.

Schulden können psychisch enorm belasten und familiäre Probleme nach sich ziehen. Es droht ein Verlust an Lebensqualität.

Wenn Kaufen zur Sucht wird

Online-Shoppen und exzessives Einkaufen können auch zur Kaufsucht werden. Traditionell ist Einkaufen eine soziale Aktivität und eine persönliche Interaktion zwischen dem Kaufenden und den Beschäftigten im Einzelhandel. Dagegen wird online meistens allein und anonym geshoppt. Das macht es leichter, das Shoppen vor der Familie geheim zu halten. Viele fühlen sich dadurch weniger gehemmt, weil niemand sieht, ob sie etwas kaufen und vor allem was sie kaufen. Das fördert ein übermäßiges und problematisches Einkaufsverhalten.

Zunächst sind mit dem Kaufen durchaus positive Gefühle des Vergnügens, des Genusses und der Aufregung verbunden. Bis es schließlich zu einem Kontrollverlust kommt und das Verlangen, ständig etwas Neues zu kaufen, nicht aufhört. Kaufsucht ist aber noch nicht als eigenständige psychische Störung anerkannt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Störungen durch Verhaltenssüchte zwar in die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, ICD-11, aufgenommen, aber ob auch die Shopping-Störung darunter fällt, wird derzeit diskutiert. Bisher gilt sie als Störung der Impulskontrolle und wird als solche behandelt.

Kaufsucht ist (noch) keine anerkannte Erkrankung

Als „krankhafte Kauflust“ ging das Phänomen, ständig etwas kaufen zu müssen, schon vor mehr als 100 Jahren in die psychiatrische Fachliteratur ein. Doch bis heute ist Kaufsucht nicht als Krankheit anerkannt. Damit sich das ändert, hat ein deutsch-australisches Forschungsteam Expertinnen und Experten aus 35 Ländern befragt, die wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Kaufsucht veröffentlicht haben. Aus den Antworten wurden Vorschläge erarbeitet, welche Kriterien für die Diagnose „Kaufsucht“ wichtig sein könnten.

Schon gewusst? Konsumschulden in Deutschland

Online werden vor allem Kleidung und Sportartikel gekauft, auch Musik, Filme, Lebensmittel oder Kosmetika. Gut 82 Prozent der Menschen in Deutschland zwischen 16 und 74 Jahren gaben 2023 an, in der Vergangenheit schon einmal etwas im Internet gekauft zu haben.

18 Prozent waren wegen einer Erkrankung, Sucht oder eines Unfalls überschuldet. Wer allein lebt, ist stärker gefährdet, sich zu verschulden. 51 Prozent derjenigen, die eine Schuldnerberatungsstelle aufsuchten, lebten in einem Singlehaushalt. Im Durchschnitt waren Singles mit knapp 30.000 Euro verschuldet.

Kaufsucht und ihre Ursachen

Die Kaufsucht kann sich in Form von täglichen Kaufattacken zeigen, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Gekauft wird, um sich selbst oder nahestehenden Personen ein Geschenk zu machen. Auch Stresssituationen und unangenehme Gefühlslagen können eine Ursache sein, zum Beispiel:

  • Langeweile
  • Frustration
  • Ängste
  • Traurigkeit
  • geringes Selbstwertgefühl
  • Konflikte mit der Familie oder Freunden
Eine junge Frau mit langen dunklen Haaren und schwarzer Brille sitzt mit einem Smartphone in der Hand auf einem hellen Sofa und blickt konzentriert auf die Papiere und den aufgeschlagenen Ordner vor sich.

© iStock / staticnak1983

Verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre Finanzen. Welche Fixkosten haben Sie und welchen Betrag frei zur Verfügung?

Schutz vor Überschuldung durch „Buy now, pay later“

Bevor Sie im Internet shoppen und die Möglichkeit nutzen, erst später zu bezahlen oder den Betrag in Raten abzustottern, sollten Sie einige Aspekte beachten. Denn Schulden können zu Überschuldung führen. Damit es nicht so weit kommt, haben wir eine Checkliste zusammengestellt.

  • Machen Sie sich klar, dass Sie mit Buy-now-pay-later-Angeboten etwas auf Kredit kaufen und Sie somit Schulden machen. Diese müssen zurückgezahlt werden.
  • Verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre Finanzen und Ihre Ausgaben. Welche Fixkosten haben Sie jeden Monat? Welchen Betrag haben Sie frei zur Verfügung? Wie viel Geld können Sie fürs Shoppen ausgeben?
  • Lesen Sie sich die Konditionen des Anbieters genau durch. Achten Sie darauf, ob Zinsen oder Gebühren anfallen. Manche Anbieter verlangen 15 Prozent Zinsen. Das könnte teuer werden.
  • Denken Sie daran: Viele kleine Käufe können zu einem großen Schuldenberg werden.
  • Haben Sie eine Ratenzahlung vereinbart, sollten Sie darauf achten, dass ihr Konto auch gedeckt ist, wenn die Rate fällig wird. Am besten legen Sie die entsprechende Summe rechtzeitig zur Seite.
  • Auf dem Kalender Ihres Handys können Sie zum Beispiel die Erinnerungsfunktion nutzen und sich benachrichtigen lassen, wann die nächste Rate vom Konto abgebucht wird.
  • Schließen Sie möglichst nicht mehrere Kredite gleichzeitig ab. Sie können nicht nur den Überblick über Ihre Finanzen verlieren, sondern sich auch zu hoch verschulden.

Besserer Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher

Um Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor einer Überschuldung – auch durch Buy-now-pay-later-Angebote – zu schützen, stimmte das Europäische Parlament im September 2023 für eine Änderung der Verbraucherkreditrichtlinie. Besonders wichtig: In Zukunft muss auch bei Bestellungen unter einem Wert von 200 Euro die Kreditwürdigkeit des Kunden vom Anbieter geprüft werden. In der Werbung muss der Anbieter klar darauf hinweisen, dass die Aufnahme eines Kredites mit Kosten verbunden ist. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen die Richtlinie nun in nationales Recht umsetzen.

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