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Ketamin als Partydroge: So gefährlich ist der Missbrauch
Veröffentlicht am:05.08.2024
5 Minuten Lesedauer
In der Notfallmedizin ist es ein wertvolles Hilfsmittel, in der Drogenszene beliebt, weil es Halluzinationen hervorruft: Ketamin ist ein Musterbeispiel dafür, wie eine unerwünschte Nebenwirkung zum Medikamentenmissbrauch verleitet.
Was ist Ketamin?
Ketamin ist ein schnell wirkendes Schmerz- und Narkosemittel. In den 1960er-Jahren wurde es von einem US-amerikanischen Forscher entwickelt, der nach einer Alternative zum Medikament Phencyclidin (PCP) gesucht hatte. Das Problem mit PCP waren schwere Nebenwirkungen wie Psychosen und eine erhebliche Suchtgefahr. Es hat außerdem eine halluzinogene Wirkung und wird schon lange als Droge konsumiert („Angel Dust“).
Wertvoll für die Notfallmedizin
PCP ist daher in Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassen, Ketamin hingegen schon und es fällt auch nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Ketamin wird zum Beispiel in der Veterinärmedizin eingesetzt und findet bei streng kontrollierter sowie zeitlich begrenzter Verabreichung auch in der Humanmedizin Anwendung: dank seiner schnellen Wirkung vor allem in der Notfallmedizin. Eine Ketamin-Gabe ist auf vielerlei Arten möglich: als Spritze in die Vene sowie über die Nasen- oder Rektalschleimhaut. Das unter anderen macht Ketamin für die Militärmedizin besonders attraktiv. Da Ketamin zudem die Atemmuskulatur entspannt, ist es auch ein wirksames Mittel bei einem schweren Asthmaanfall (Status astmaticus).
Halluzinationen nach der Narkose
Allerdings erinnert Ketamin als Ersatz für PCP ein bisschen an das sprichwörtliche Austreiben des Teufels mit dem Beelzebub: Auch beim Ketamin haben viele Patienten und Patientinnen nach dem Aufwachen aus der Narkose Halluzinationen, die im Vergleich zu PCP aber schwächer ausfallen. Und genau wie sein Vorgänger wird auch Ketamin als Designerdroge konsumiert. In der Drogenszene ist Ketamin unter Namen wie Special K, Kate oder Vitamin K bekannt. Es erlangte erstmals während der Blütezeit der Technoszene in den 1990er-Jahren breite Popularität unter Drogenkonsumierenden und seitdem hat der Missbrauch sogar noch zugenommen. Das belegen die jährlichen Drogenreporte der Europäischen Union.
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Wirkung von Ketamin als Droge
Ketamin ist wie PCP ein Arzneimittel mit dissoziativer Wirkung. Dissoziativ ist der medizinische Fachbegriff für das, was wir umgangssprachlich als „weggetreten sein“ oder „neben sich stehen“ bezeichnen. Eine solche Dissoziation wird durch Halluzinationen noch verstärkt. Halluzinogene Symptome treten in der Regel schnell ein, da Ketamin eine hohe Fett- und Wasserlöslichkeit aufweist und die Blut-Hirn-Schranke schnell überwindet. Das bedeutet, dass Ketamin rasch in das zentrale Nervensystem gelangt, wo es an spezielle Rezeptoren andockt und das Schmerzempfinden, das Bewusstsein und die Wahrnehmung verändert. Auch die Emotionen werden beeinflusst, weshalb Ketaminmissbrauch häufig zusätzlich eine euphorische Stimmung hervorruft.
Wie wird Ketamin als Droge konsumiert und wie schnell wirkt Ketamin?
Wie schnell und intensiv Ketamin Dissoziationen auslöst, hängt von der Art der Einnahme und der Wirkstoffkonzentration ab (wobei die Konsumierenden die Konzentration von illegal erworbenem Ketamin selten kennen). Ketamin wird in der Regel als Pulver geschnupft, manchmal auch als Flüssigkeit gespritzt. Nach einer Spritze setzt die Wirkung innerhalb von 30 Sekunden ein und hält je nach Dosis etwa 30 Minuten an. Beim Schnupfen dauert es einige Minuten, bis die Wirkung eintritt, die dann abhängig von der Menge ein bis zwei Stunden anhält. Ketamin ist auch in manchen Drogenmischungen wie Ecstasy-Pillen enthalten, was zu einer unbeabsichtigten Einnahme führen kann.
K-Hole: Nahtoderfahrung mit Ketamin
Höhere Ketamindosen können die Konsumierenden in einen Zustand versetzen, der dem Tod ähnlich sein soll. Sie erreichen einen Punkt, an dem sie sich völlig von der Realität abgekoppelt fühlen. Dieser Zustand wird als K-Hole bezeichnet und die folgenden Phänomene wurden von Konsumierenden beschrieben:
- Loslösung vom Körper
- Durchwandern eines Tunnels
- Wahrnehmung einer Lichtquelle
- Eintreten ins Licht
- Gefühl tiefen Friedens
Viele der Ketamin-Konsumierenden streben genau diesen Bewusstseinszustand an, der äußerst gefährlich ist, denn im K-Hole lässt sich der Körper nicht mehr kontrollieren. Es wird vermutet, dass der Einsatz von Ketamin in der Notfallmedizin die eigentliche Ursache für die charakteristisch beschriebenen Wahrnehmungen der sogenannten Nahtoderfahrung ist.
Nebenwirkungen und Risiken des Ketamin-Missbrauchs
Der kontrollierte medizinische Einsatz von Ketamin verursacht selten Probleme, aber schon ein einziger Missbrauch kann akute Nebenwirkungen auslösen, darunter:
- Angst und Panikattacken
- Erinnerungslücken und Blackouts; deshalb enthalten manche K.o.-Tropfen auch Ketamin
- Herzrasen
- Übelkeit
- Bewegungsunfähigkeit
- erhöhtes Unfallrisiko durch Einschränkung der Wahrnehmung und des Schmerzempfindens
Langzeitfolgen des wiederholten Konsums
Akute Nebenwirkungen sind das eine, die Langzeitfolgen eines wiederholten Konsums das andere. Der Körper gewöhnt sich rasch an Ketamin. Deshalb ist bei regelmäßigem Konsum eine kontinuierliche Erhöhung der Dosis erforderlich, um den gewünschten Zustand zu erzielen. Das erhöht die Suchtgefahr. Mögliche weitere Folgen eines chronischen (dauerhaften) Missbrauchs sind:
- Gedächtnisprobleme
- Lernstörungen
- psychische Störungen und Erkrankungen
- Schäden des Nervengewebes
- Nieren- und Blasenprobleme
- Inkontinenz
- Bauchschmerzen
- Erhöhung des Risikos für Herzinfarkt und Schlaganfall
Ketamin zur Behandlung einer Depression
Ketamin hat eine antidepressive Wirkung bei Depressionen, die auf eine nicht medikamentöse Therapie nicht ansprechen (therapieresistente Depressionen). Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht geklärt, aber bekannt ist, dass Ketamin sehr schnell gegen Depressionen wirken kann, was es von herkömmlichen Antidepressiva unterscheidet.
Bei der Behandlung von Depressionen spielt Ketamin eine wichtige Rolle. In der Medizin wird vornehmlich Esketamin eingesetzt, es ist ein Anteil des Ketamins. In der EU ist Esketamin als Nasenspray seit 2019 zur Behandlung von therapieresistenten Depressionen zugelassen. In Deutschland hat Esketamin mittlerweile Aufnahme in nationale Leitlinien zur Behandlung der therapieresistenten Depression gefunden und auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IWQG) sowie der Gemeinsame Bundesausschuss haben den Nutzen von Esketamin in diesem Bereich bestätigt – was nichts daran ändert, dass es nur streng kontrolliert eingesetzt werden sollte.
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