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Casino-Streamer – Glücksspiel im Livestream
Veröffentlicht am:08.10.2024
5 Minuten Lesedauer
Eltern kennen das Phänomen: Die Kinder daddeln nicht selbst, sondern schauen Influencern oder Streamern beim Gamen und beim Glücksspiel zu. Welche Gefahren sind damit verbunden? Wir klären auf.
Was sind Casino-Streams?
Let’s play! Gemeint sind digitale Spiele und Gaming im Livestream. Wer der Aufforderung folgt, spielt in der Regel nicht selbst, sondern schaut dabei zu, wie andere zocken. Auf Plattformen wie Twitch, TikTok live oder Kick.com filmen Spieler und Spielerinnen sich selbst beim Glücksspiel und lassen ihr Publikum daran teilhaben. Die Stars der Streaming-Szene ziehen weltweit viele Millionen Menschen in ihren Bann. Casino-Streamer jagen tausende Euro durch virtuelle Spielautomaten (Slots) oder setzen viel Geld im Online-Casino ein. Manchmal fahren sie hohe Gewinne ein, manchmal müssen sie hohe Verluste wegstecken. Mit ihrer Community sind sie beim Gamen ständig in Kontakt und kommentieren, was sich gerade abspielt. Über einen Live-Chat können die Zuschauenden mit ihnen kommunizieren. So entsteht ein Dialog: Auf der einen Seite spricht die Person vor der Kamera, auf der anderen Seite sind die Menschen, die im Chat schreiben.
In Deutschland sind Knossi, Roshtein oder Montana Black als Casino-Streamer bekannt geworden. Mit Livestreams und Gaming haben sie viel Geld verdient. Vor allem auf der Plattform Twitch. Sie ging im Juni 2011 online, als Streaming-Plattform für Gaming und E-Sports. Im Jahr 2014 übernahm Amazon das Unternehmen und baute es weiter aus. Twitch wurde zur führenden Plattform für Livestreaming digitaler Spiele und für Gamblification – ein Wortspiel aus gamble, dem englischen Wort für „zocken“ und dem englischen Begriff gamification, das sich mit „Spielifizierung“ nur annähernd übersetzen lässt. Gamification ist das Prinzip, spielerische Elemente in spielfremden Zusammenhängen dazu zu nutzen, Menschen zu motivieren und zu beeinflussen. Vorher hatten Streamer vor allem das Video-Portal YouTube genutzt, um dort ihre Videos zu vermarkten. Allerdings waren sie dort oft aufgezeichnet. Twitch bot nun die Möglichkeit, live zu spielen und über Streams live dabei zu sein. Millionen Menschen erstellen jeden Monat Content, der etwa einhundertfünfzig Millionen Zuschauer und Zuschauerinnen erreicht.
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Casino-Streamer: vor allem junge Leute sind auf Twitch
Es sind vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, die Influencern oder Streamern über die Schulter schauen, wenn sie online spielen und zocken. Die Übergänge von Gaming und Gambling werden dabei immer fließender. Videospiele enthalten oft glücksspielähnliche Elemente, etwa Lootboxen, also virtuelle Behälter mit zufälligen digitalen Inhalten, zum Beispiel Waffen oder stylische Gegenstände, die Spielteilnehmende besser aussehen lassen, Token-Wetten und Echtgeld-Videospiele.
Das Zuschauen bereitet Spaß und bietet Nervenkitzel. Denn live bedeutet immer, dass etwas Unerwartetes passieren kann. 41 Prozent der Zuschauenden gehören der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen an. 32 Prozent sind zwischen 25 und 34 Jahre alt. Um sie zu halten, werden zufallsbasierte Elemente und unvorhersehbare Belohnungen eingebaut.2 Twitch bietet auch noch andere Aktivitäten an, wie Musik und darstellende Künste, Talkshows oder Basteln1 sowie einen Politik-Talk auf dem ARD-Twitch-Kanal.
Welche Gefahr geht von Casino-Streams aus?
Casino- oder Gaming-Streams sind umstritten. Das Online-Glückspiel ist ebenfalls zu einem viel diskutierten Thema geworden. Auch in der Wissenschaft. Denn Influencer und Casino-Streamer geben dem Zocken eine Bühne und eröffnen jungen Menschen die Welt des Glücksspiels. Zum Publikum gehören oft auch Minderjährige. Auf die Kritik – auch aus der klassischen Gaming-Community – reagierte Twitch im Herbst 2022. Das Streaming von Glücksspielseiten, die Spielautomaten, Roulette oder Würfelspiele beinhalten, wurde verboten – sofern keine US-Lizenz oder eine Lizenz aus anderen Ländern mit einem ausreichenden Verbraucherschutz vorliegt. Pokerspiele und Sportwetten sind aber weiterhin erlaubt.
Streamer wechseln von Twitch zu Kick
Twitch war lange Zeit die Plattform für Gamer. Ende 2022 kam jedoch ein neuer Player auf den Markt: Kick. Viele Streamer sind inzwischen von Twitch dorthin gewechselt. Einige, zum Beispiel Knossi, haben sich ganz vom Online-Glücksspiel zurückgezogen. In Deutschland ist Online-Glücksspiel nicht generell verboten. Hier ansässige Unternehmen können laut Glücksspielstaatsvertrag von 2021 eine Online-Glücksspiel-Lizenz beantragen. Das Problem: Viele Anbieter sitzen nicht in Deutschland, sondern im Ausland, vor allem in Malta. Ihre Angebote sind deshalb illegal, weil sie keine Lizenz haben.
Casino-Stream – ein lukratives Geschäft
Fakt ist, dass Casino-Streams ein lukratives Business sind – für die Glücksspielanbieter, für die Streamer und die Plattformen. Sie erzielen Einnahmen durch Werbung, Sponsoring und durch Kanal-Abos. Je bekannter ein Streamer ist und je größer seine Community, desto interessanter wird er als Werbefigur. Auch Fanartikel und Merchandise können attraktiv sein. Manche bekommen sogar Geld von ihren Followern. Über Abonnements können ihre Fans ihnen Geld zukommen lassen. Das machen sie vor allem aus dem Gefühl heraus, so Einfluss nehmen zu können.
Hier finden Betroffene Hilfe und Unterstützung
- Eltern können sich an die E-Mail-Beratung von „Check dein Spiel“, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), wenden.
- Über die Gefahren des Glücksspiels informiert die Initiative SCHAU HIN!
- Die AG-Spielsucht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité unterstützt und berät bei Glücksspielsucht und bei exzessivem Computerspielen.
- Unterstützung bietet auch die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen mit ihrem Suchthilfeverzeichnis, das nach Postleitzahl und Ort gegliedert ist.
Gefahren des Online-Glücksspiels
Glücksspiel fand lange Zeit öffentlich statt – vor allem in Spielotheken, Casinos oder Kneipen. Durch Smartphones hat sich das völlig geändert. Das erleichtert nicht nur das Gamen, sondern ermöglicht es Jüngeren auch, heimlich zu spielen. Kinder und Jugendliche können das Gambling so vor ihren Eltern verbergen. Außerdem kann jetzt rund um die Uhr von überall aus gezockt werden. Das verändert und bestimmt häufig das gewohnte Leben und den Alltag, besonders das von jungen Menschen. Sie ziehen sich zurück und verbringen immer mehr Zeit im Netz. In Europa hat sich das Online-Glücksspiel seit 2007 mehr als verdoppelt. Die Mobilität des Spielens in Bezug auf Ort und Zeit kann dazu beitragen, dass es außer Kontrolle gerät und sich eine Sucht entwickelt.
Eine weitere Gefahr ist, sich zu verschulden. Casino-Streamer gaukeln den Zuschauenden vor, dass auch sie viel Geld gewinnen können und animieren sie, selbst zu spielen. Zunächst werden oft nur einige Cent gesetzt. Doch oft wird der Einsatz allmählich immer höher. Und der Traum vom großen Gewinn immer größer. Meist sind es jedoch nur die finanziellen Verluste, die steigen. Für die Sucht seien aber nicht die Verluste schlimm, sondern die Gewinne, sagt der Glücksspielforscher Tobias Hayer. Es sind ja vor allem die Gewinne, die zum Weitermachen anregen und so, über die positive Verstärkung, ein Suchtverhalten begünstigen. Gerade Kindern und Jugendlichen sollte deshalb vermittelt werden, dass die Chance, genauso erfolgreich zu werden wie die Streaming-Stars, ziemlich gering ist. Ergebnisse aus der Forschung zeigen, dass Online-Casino-Spiele den Wechsel zu Echtgeld-Glücksspielen fördern und einige Spiele Merkmale aufweisen, die allgemein als räuberisch oder potenziell schädlich angesehen werden.
Was können Eltern tun?
Wichtig ist, mit Kindern über die Tricks der Influencer und Streamer zu sprechen. Die Initiative SCHAU HIN! warnt davor, dass in den Sozialen Medien der Einfluss von Glücksspiel-Influencern stark zunehmen wird. Sie preisen Glücksspiel und glücksspielähnliche Produkte an und stellen sie als positiv dar. Eltern sollten ihren Kindern deshalb vermitteln, dass sie von der Industrie bezahlt werden und sie dabei unterstützen, versteckte Werbung auf YouTube, Twitch, Kick & Co. zu erkennen und kritisch zu hinterfragen. Auch die Streaming-Stars werden von Glücksspielunternehmen bezahlt und verdienen teilweise Millionen.