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Welche Wirkung hat Nikotin?
Veröffentlicht am:12.12.2024
6 Minuten Lesedauer
Viele ziehen schon als Jugendliche zum ersten Mal an einer Zigarette – und kommen nicht mehr vom Tabak los. Grund ist das Nikotin: Es stimuliert auf komplexe Weise das Gehirn und hat ein hohes Suchtpotenzial. So wirkt Nikotin auf den Körper.
Was ist Nikotin?
Nikotin ist eine chemische Verbindung, die zu den sogenannten Alkaloiden zählt. Bei Alkaloiden handelt es sich um natürliche stickstoffhaltige Verbindungen, die vor allem in Pflanzen, aber auch in Tieren und Bakterien vorkommen. Besonders Pflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse können natürliches Nikotin enthalten. Geringe Mengen an Nikotin werden beispielsweise in Auberginen, Tomaten oder Kartoffeln nachgewiesen – ein Verzehr ist jedoch gesundheitlich unbedenklich.
In hohen Konzentrationen produzieren den Stoff hauptsächlich Tabakpflanzen (Nicotiana tabacum). Besonders ihre Blätter sind nikotinhaltig – und somit sehr giftig, denn: Mit dem Nervengift schützen sich die Nachtschattengewächse vor Fressfeinden wie Insekten. Auch in der Landwirtschaft kam Nikotin lange Zeit als Pflanzenschutzmittel zum Einsatz. Inzwischen ist es in der EU aber wegen seiner toxischen Wirkung verboten. Und auch wenn für den heimischen Garten zuweilen noch ein Sud aus Zigarettenstummeln als Tipp gegen Blattläuse empfohlen wird, ist es besser, Hobbygärtner verzichten auf diese Art der Schädlingsbekämpfung.
Trotz der toxischen Wirkung des Nikotins raucht in Deutschland fast jede dritte Person nikotinhaltige Zigaretten. Eine Zigarette enthält bis zu 13 Milligramm Nikotin. Beim Rauchen nehmen die Atemwege etwa ein bis zwei Milligramm davon auf. Ein Raucher oder eine Raucherin nimmt mit 20 Zigaretten am Tag also 20 bis 40 Milligramm Nikotin zu sich. Das ist zwar nicht sofort tödlich, hat aber kurzfristig und langfristig gravierende Auswirkungen auf das Gehirn und den Körper.
Was macht Nikotin im Körper?
Beim Rauchen gelangt Nikotin über die Atemwege in die Blutbahn. Ein Teil davon wird bereits innerhalb weniger Sekunden nach dem Inhalieren im Gehirn wirksam. Hier aktiviert es vor allem die Andockstellen (Rezeptoren) des Botenstoffs Acetylcholin, die sensibel auf Nikotin reagieren. Das hat verschiedene kurzfristige Auswirkungen auf den Körper:
- das Herz schlägt schneller
- die Atemfrequenz nimmt zu
- die Blutgefäße ziehen sich zusammen, der Blutdruck steigt
- Widerstand und Temperatur der Haut sinken
- die Darmtätigkeit erhöht sich
- die Urinproduktion und der Harndrang sinken
Auf psychischer Ebene beschreiben Raucher und Raucherinnen einen widersprüchlichen, aber als angenehm wahrgenommenen Effekt: Das Rauchen beruhigt sie, gleichzeitig fühlen sie sich konzentrierter und leistungsfähiger. Gefühle von Stress, Angst, Unsicherheit und Müdigkeit werden abgemildert. Darüber hinaus kann Nikotin auch den Appetit unterdrücken, während bei regelmäßig Rauchenden auch der Energieverbrauch im Ruhezustand leicht ansteigt. Dieser Effekt erklärt, warum manche Menschen nach einem Rauchstopp recht kurzfristig zwei bis drei Kilo zunehmen.
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Warum macht Nikotin süchtig?
Das Abhängigkeitspotenzial bei Nikotin ist sehr hoch, das heißt, es macht im Vergleich zu anderen Substanzen schnell süchtig. Dabei wirken körperliche und psychische Faktoren eng zusammen: Bindet das Nikotin sich an die Acetylcholin-Rezeptoren im Gehirn, schüttet der Körper in der Folge vor allem den Botenstoff Dopamin aus, aber auch Serotonin und Adrenalin. Es entsteht ein aktiviertes und zugleich entspanntes Gefühl – und das Belohnungszentrum im Gehirn wird eingeschaltet. So greift die Person bald zur nächsten Zigarette. Durch wiederholtes Rauchen gewöhnen sich die Acetylcholin-Rezeptoren allerdings an das Nikotin. Die Folge ist, dass der Körper eine wiederholte Nikotinzufuhr von außen braucht, um den ursprünglich normalen aktivierten Zustand herzustellen.
Abhängige Raucher und Raucherinnen greifen also streng genommen nicht zur Zigarette, um sich ruhig oder konzentriert zu fühlen, sondern um ein normales Niveau an Entspannung und Konzentration herzustellen, das bei Nichtrauchenden auch ohne Nikotin besteht. Sie wirken lediglich den Entzugserscheinungen entgegen. Dazu kommen verschiedene Facetten der psychischen Abhängigkeit: So verbindet das Gehirn das Rauchen nicht nur mit einem entspannten Gefühl. Das ausgeschüttete Dopamin aktiviert auch Lernprozesse: Die rauchende Person verknüpft Zigaretten mit angenehmen Alltagssituationen, etwa mit der morgendlichen Tasse Kaffee, mit einer gemeinschaftlichen Mittagspause oder dem wohligen Gefühl nach dem Essen.
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Welche negativen Auswirkungen hat Nikotin?
Langfristig haben Tabak und das darin enthaltene Nikotin zahlreiche schädigende Auswirkungen auf den Körper. Speziell Nikotin greift nicht nur in neurochemische Funktionen ein, sondern wirkt sich auch auf die Funktion der Körperzellen und deren Fähigkeit, sich zu vermehren aus. Das Nervengift sorgt dafür, dass Gefäße schneller altern und sich mit Plaques zusetzen (Atherosklerose). Es fördert die Wahrscheinlichkeit für einen gestörten Zuckerstoffwechsel (Diabetes Typ 2) und stört bestimmte Prozesse im Immunsystem.
Hinzu kommt, dass Nikotin nicht der einzige Schadstoff in Zigaretten ist: Tabakrauch enthält über 4.800 verschiedene Bestandteile, von denen mindestens 250 giftig sind und 90 als krebsauslösend eingestuft werden. Wer raucht, erhöht damit unter anderem sein Risiko für:
- Krebserkrankungen, darunter Lungenkrebs, Mundhöhlen- und Rachenkrebs, Speiseröhrenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Harnblasen-, Harnleiter- und Nierenkrebs
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen, etwa Arteriosklerose, koronare Herzerkrankung (KHK), Herzinfarkt und Schlaganfall
- Atemwegserkrankungen, vor allem die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), aber auch Bronchitis, Lungenentzündung, Asthma und Lungenfibrose
- Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Typ 2
- Wundheilungsstörungen
- schneller alternde Haut
- Entzündung des Zahnbetts (Parodontitis) und drohenden Zahnausfall
Rauchen beeinflusst Frauen- und Männergesundheit
Rauchende Männer leiden häufiger unter Erektionsstörungen, Frauen unter Unfruchtbarkeit, Schwangerschaftskomplikationen und Gebärmutterhalskrebs. Weiterhin erhöht Rauchen das Risiko für Osteoporose (Knochenschwund) nach der Menopause. Diese gesundheitlichen Folgen gehen nicht allein auf das Nikotin zurück, sondern auf die Kombination immer wieder eingeatmeter Schadstoffe beim Rauchen.
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Nikotin in der Schwangerschaft, bei Kindern und Jugendlichen
Ungeborene Kinder, die im Mutterleib „passiv rauchen“ und über die Nabelschnur mit Nikotin und anderen Schadstoffen im Tabakrauch in Kontakt kommen, können in ihrer Lungenentwicklung langfristig beeinträchtigt sein. Untersuchungen deuten darauf hin, dass dafür vor allem das Nikotin im Zigarettenrauch verantwortlich ist. Betroffene Kinder haben zudem häufig ein niedrigeres Geburtsgewicht und ein erhöhtes Risiko, mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zur Welt zu kommen. Die Kinder werden selbst häufiger abhängig und sind von Lernstörungen und dem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) betroffen. Forschende nehmen außerdem an, dass Rauchen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Gehirnentwicklung beeinträchtigen kann, dazu trägt auch das Nikotin im Tabakrauch bei.
Wie gefährlich ist reines Nikotin?
Nikotin führt nur in größeren Mengen zu akuten Vergiftungen, wobei abhängig von der Dosis oder dem Weg der Aufnahme leichte und schwere Vergiftungen unterschieden werden. Eine gerauchte Zigarette löst bei gesunden Menschen keine Vergiftung aus. Jedoch können Arbeitende auf Tabakplantagen leichte Vergiftungssymptome entwickeln, die unter dem englischen Begriff Green Tobacco Sickness bekannt sind. Betroffene leiden beispielsweise unter Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen oder Durchfall. Grund dafür ist, dass auch die Haut Nikotin aufnehmen kann, etwa im Kontakt mit Tabakpflanzen.
Eine Nikotinvergiftung kann schwer verlaufen, etwa wenn Kleinkinder einen Zigarettenstummel oder Nikotinkaugummi verschlucken oder mit Nikotinpflastern in Berührung kommen. Mögliche Symptome sind unter anderem:
- Krampfanfälle
- Blutdruckabfall
- Atemstillstand
Wichtig: Wenn Ihr Kind unter diesen Symptomen leidet, rufen Sie bitte den Notruf unter 112.
Nikotin-Gefahren für Kinder
Eine besondere Gefahr stellen Aschenbecher und kontaminiertes Wasser dar. Vorsicht gilt bei sogenannten Nikotin-Shots und Flüssigkeiten („Liquids“) zum Nachfüllen von elektronischen Zigaretten. Solche Produkte sollten immer sicher vor Kindern aufbewahrt werden.
Wie schafft man den Nikotin-Entzug?
Fachleute warnen immer wieder vor den Gefahren des Rauchens, weil Tabakkonsum langfristig gesundheitsschädlich ist und nicht selten sogar tödlich. Wie das Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR) mitteilt, sterben allein in Deutschland jedes Jahr mehr als 127.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Zigarettenkonsum gilt als der größte vermeidbare Risikofaktor für Krebserkrankungen.
Gleichzeitig ist eine Nikotinabhängigkeit oft hartnäckig und geht mit unangenehmen Entzugserscheinungen einher. Zu den häufigen Nikotin-Entzugserscheinungen gehören unter anderem:
- Reizbarkeit
- Antriebslosigkeit
- innere Unruhe
- Angst
Zudem ist das Rauchen meistens mit Ritualen verbunden, etwa die Zigarette zum Kaffee oder regelmäßige Rauchpausen an einem stressigen Arbeitstag. Vielen Menschen gelingt es allein mit guten Vorsätzen nicht, mit dem Rauchen aufzuhören. Dann ist es hilfreich, sich Unterstützung zu holen, etwa in Form eines Ausstiegsprogramms. Auch die Hausarztpraxis, eine Selbsthilfegruppe oder eine Suchtberatungsstelle sind mögliche Anlaufpunkte. Manchen angehenden Nichtrauchern und Nichtraucherinnen helfen Ersatzprodukte wie Nikotinpflaster oder Nikotinkaugummis, um in gewohnten Situationen nicht zur Zigarette greifen zu müssen. Diese sind in der Apotheke erhältlich. In schweren Fällen kann die Hausärztin oder der -arzt auch zu einer Therapie mit speziell zugelassenen Wirkstoffen zum Rauchentzug beraten.