Sucht
Einer Sucht vorbeugen: sechs Faktoren für mehr Resilienz
Veröffentlicht am:01.10.2024
5 Minuten Lesedauer
Suchterkrankungen sind komplex und weit verbreitet, mit gravierenden Folgen für die Betroffenen. Prävention ist daher wichtig – unter anderem durch Stärkung der Resilienz. Doch welche Faktoren erhöhen die Widerstandskraft und können Sucht vorbeugen?
Resilienz und Suchtvorbeugung
Sucht ist ein Thema, das viele von uns betreffen kann. Ob Alkohol, Drogen, Glücksspiel, Medienkonsum oder Arbeit: Die Formen der Abhängigkeit sind vielfältig und reichen weit über die klassischen stoffgebundenen Süchte hinaus, zum Beispiel von Alkohol, Nikotin, Medikamenten oder Heroin. In einer Gesellschaft, in der Leistung und ständige Verfügbarkeit eine große Rolle spielen, kann es schnell zu Druck, Stress und einem Gefühl der Überforderung kommen. Manche Menschen können mit solchen Belastungen schwer umgehen und versuchen, Stress abzubauen oder negative Gedanken zu vertreiben, indem sie eine bestimmte Substanz konsumieren. Dabei können die Grenzen zwischen Genuss, Gewohnheit und Abhängigkeit fließend sein. Ein Beispiel: Jemand trinkt zunächst gelegentlich Alkohol, dann fast täglich, bis der Konsum irgendwann außer Kontrolle gerät und das Leben immer mehr bestimmt. Einer Sucht lässt sich jedoch vorbeugen. Eine Möglichkeit der Prävention liegt in der Stärkung einer besonderen Kompetenz: der Resilienz.
Im Zentrum der Suchtprävention steht demnach die Stärkung der sogenannten Bewältigungsressourcen, vereinfacht gesagt, der Möglichkeiten eines Menschen, angemessen mit Problemen umzugehen. Grundlage vieler Präventionsmodelle ist das Risiko- und Schutzfaktorenmodell. Dabei geht es einerseits um die Reduktion von Risikofaktoren und andererseits um die Stärkung von Schutzfaktoren, die im Zusammenhang mit einer erhöhten Widerstandskraft – der Resilienz – stehen. Kinder aus alkoholkranken Familien beispielsweise sind eine Hochrisikogruppe und stark gefährdet, selbst alkoholabhängig zu werden. Ein wichtiger Schutzfaktor sind vertrauensvolle und sichere Beziehungen zu anderen Erwachsenen, zum Beispiel zu liebevollen Großeltern, anderen Verwandten, Nachbarn oder Lehrkräften.
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Was ist Resilienz?
Der Begriff Resilienz kommt aus dem Lateinischen, von resilire, deutsch „abprallen“ oder „zurückspringen“ und meint die psychische Widerstandskraft eines Menschen. Damit wird die Fähigkeit bezeichnet, sich trotz widriger Lebensumstände oder Krankheiten positiv zu entwickeln, sich nicht entmutigen zu lassen, optimistisch zu bleiben, sich zu erholen und neu aufzurichten. Je stärker die Resilienz ausgeprägt ist, desto besser kann ein Mensch mit schwierigen Situationen und Belastungen umgehen. Resilienz ist eine Fähigkeit, die sich bis ins hohe Alter fördern und trainieren lässt. Wir zeigen, auf welche sechs Faktoren es hier besonders ankommt, um die eigene Resilienz zu stärken – und damit gut gewappnet zu sein gegen problematischen Konsum.
1. Selbstwertgefühl
Ein gesundes Selbstwertgefühl und eine realistische Selbsteinschätzung bilden das Fundament für innere Stärke und Widerstandsfähigkeit. Wer sich selbst positiv bewertet und seine Stärken und Schwächen kennt, nimmt Krisen und schwierige Situationen als weniger bedrohlich wahr als andere und vertraut darauf, sie bewältigen zu können. Menschen mit einem hohen Selbstwertgefühl sind auch weniger abhängig von der Anerkennung anderer und somit besser davor gefeit, bei Zurückweisungen, Kritik oder Problemen nach Suchtmitteln zu greifen. Wer dagegen ein geringes Selbstwertgefühl hat, ist weniger vor einer Suchterkrankung geschützt.
2. Selbstwirksamkeit
Selbstwirksamkeit ist ein Begriff aus der Psychologie und bedeutet, an die eigenen Fähigkeiten zu glauben, bestimmte Ziele zu erreichen und Herausforderungen aus eigener Kraft heraus zu meistern. Das Gegenteil davon ist Hilflosigkeit. Wer zum Beispiel davon überzeugt ist, das eigene Leben selbst beeinflussen zu können, wer sich als stark und selbstwirksam erlebt, der wird eher eine kritischere Einstellung zum Konsum von Suchtmitteln entwickeln als eine weniger selbstwirksame Person. Und die Verlockung, legale oder illegale Drogen zu konsumieren, ist weniger groß.
3. Soziale Beziehungen
Ein gut funktionierendes soziales Netzwerk tut jedem Menschen gut – und fängt einen auf, wenn es mal nicht so rund läuft. Wenn man sich mit Menschen umgibt, die einem positiv gesinnt sind, wirkt sich das auf das eigene Wohlbefinden aus. Dazu gehört auch ein stabiler familiärer Rückhalt. Gerade in schwierigen oder belastenden Situationen sollte man sich nicht isolieren, sondern gezielt Hilfe suchen – bei Freundinnen und Freunden oder Familienmitgliedern. Wer damit positive Erfahrungen gemacht hat, für den sind Rauschmittel oder andere Formen von problematischem Konsum weniger attraktiv.
Die Peer-to-Peer-Methode
Gerade die Pubertät ist eine Zeit großer Unsicherheit, in der Jugendliche ihre psychischen und körperlichen Grenzen austesten – oft auch mit Suchtmitteln. Nicht nur Fachleute und Eltern, sondern auch Gleichaltrige spielen bei der Suchtprävention eine große Rolle. Ein Ansatz ist die Peer-to-Peer-Methode. Die Baden-Württemberg Stiftung hat das Modellprojekt „Partyzelt – The Next Generation“ im Rahmen ihres Präventionsprogramms gefördert, bei dem Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren, die Peers, speziell von Fachkräften geschult wurden. Anschließend informierten sie auf Festivals Besucherinnen und Besucher gleichen Alters über Konsumrisiken. Dieser Peer-to-Peer-Ansatz hat sich insofern als erfolgreich erwiesen, als damit eine Zielgruppe erreicht wurde, die bereits riskant Drogen konsumiert und für die Sucht- und Drogenprävention bisher kaum zugänglich gewesen war.
4. Problemlösefähigkeiten
Hier geht es darum, Problemen nicht aus dem Weg zu gehen, sondern sich ihnen aktiv zu stellen, nach Lösungen zu suchen und sich gleichzeitig auf das zu konzentrieren, was funktioniert. Man spricht auch von aktivem Coping. Der englische Begriff to cope bedeutet „bewältigen“ oder „zurechtkommen“. Dabei werden zwei Arten unterschieden: Beim problemorientierten Coping wird aktiv versucht, ein Problem allein oder mit Hilfe anderer zu lösen. Emotionsorientiertes Coping hat das Ziel, das Problem und das eigene Befinden zu akzeptieren und negative Gefühle zu bewältigen. Dazu gehört, sich mit eigenen Ängsten auseinanderzusetzen, statt sie zu vermeiden, die eigenen Kompetenzen positiver zu bewerten und die eigenen Wertmaßstäbe zu verändern. Mit Coping- oder Lösungsstrategien können Menschen Stress und kritische oder traumatische Lebensereignisse bewältigen. Sie fühlen sich dadurch nicht so ausgeliefert und die Gefahr, in solchen Situationen ein Suchtverhalten zu entwickeln, sinkt. Probleme zu lösen, kann man trainieren.
5. Aktive Lebensgestaltung
Die Möglichkeit, sein Leben aktiv zu gestalten, sich Ziele zu setzen und bewusst zu machen, was man erreichen möchte, spielt eine weitere Rolle für die Stärke der Widerstandskraft, der Resilienz. Dazu gehört auch eine Berufswahl oder eine Freizeitgestaltung, die einen mit Sinn erfüllt.
6. Selbstfürsorge
Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, aber viele Menschen achten nicht genug darauf, dass es ihnen gut geht. Dazu gehört, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu beachten und sich Zeit für Dinge zu nehmen, die einem guttun. Für die psychische und körperliche Gesundheit sind Achtsamkeit und Selbstfürsorge wichtig. Achten Sie auf ausreichend Schlaf, eine gesunde und ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung. Wer mit sich selbst zufrieden ist und das Gefühl hat, wertvoll zu sein, ist weniger gefährdet, Suchtmittel zu nehmen, um abzuschalten, sich von Konflikten abzuschirmen, von Ängsten zu lösen, zu entspannen oder Schmerzen zu lindern.
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