Sucht
Wie entsteht eine Sucht?
Veröffentlicht am:05.09.2022
5 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 14.11.2024
Wenn man auf das Feierabendbier oder die abendliche Schlaftablette irgendwann nicht mehr verzichten kann, ist eine Sucht entstanden. Bestimmte soziale und psychische Faktoren können das begünstigen. Doch wie entwickelt sich eine Sucht?
Was ist eine Sucht? Süchte einfach erklärt
Wer eine Sucht entwickelt, wird abhängig von einer bestimmten Substanz oder einem Verhalten. Manche Fachleute unterscheiden daher in zwei Arten von Süchten:
- Stoffgebundene Süchte beziehen sich auf bestimmte Substanzen, zum Beispiel Alkohol, Tabak, Beruhigungsmittel, Schmerzmittel oder Rauschmittel wie Kokain und Heroin.
- Auch bestimmte, außer Kontrolle geratene Verhaltensweisen werden heute tendenziell als Süchte identifiziert. Diese sogenannten „Verhaltenssüchte“ sind hierzulande noch nicht offiziell als Süchte anerkannt, was sich in den nächsten Jahren jedoch ändern wird. Betroffene sind beispielsweise süchtig nach Shopping, Glücksspielen oder Computerspielen.
Die beiden Formen haben gemeinsam, dass die Betroffenen immer wieder zu den jeweiligen Substanzen oder Verhaltensweisen greifen, auch wenn sie ihnen langfristig schaden – zum Beispiel körperlich, sozial oder finanziell. Es entsteht ein innerer Druck oder Zwang („Suchtdruck“), der so stark ist, dass die abhängige Person ihr Verhalten nicht mehr kontrollieren kann.
Wie entsteht eine Sucht?
Wer zum ersten Mal ein Bier trinkt oder ein Glücksspiel spielt, wird nicht sofort süchtig. Zum Teil braucht es viele Wiederholungen, bis ein Verhalten sich „einschleift“ oder Körper und Psyche von einer Substanz abhängig werden. Genau geklärt ist nicht, wie eine Sucht entsteht. Eine Theorie besagt, dass mehrere Faktoren auf verschiedenen Ebenen zusammenkommen müssen:
- Reaktionen im Gehirn
- die eigene Persönlichkeit
- soziale Faktoren
Wie entsteht daraus die Sucht im Gehirn? Psychologen und Psychiater gehen hier von einem Lerneffekt des Gehirns aus.
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Reaktionen im Gehirn auf die Droge oder das Verhalten
Warum verschiedene Substanzen oder Verhaltensweisen unterschiedlich schnell eine Sucht auslösen oder warum manche Menschen schneller süchtig werden als andere, ist nicht genau erforscht. Eine Rolle bei der Entstehung einer Sucht spielt aber wohl der Neurotransmitter Dopamin – er ist verantwortlich für positive Verstärkung und Freude und wird im Belohnungssystem des Gehirns verarbeitet. Es ist verantwortlich für das High-Gefühl.
Forscher vermuten inzwischen, dass die neurologischen Abläufe im Gehirn bei einer Abhängigkeit weitaus komplexer sind und nicht nur auf die Ausschüttung von Dopamin reduziert werden können.
Psyche: die individuelle Persönlichkeit
Eine wichtige Rolle spielen persönliche Faktoren – beispielsweise, wie jung die Person beim ersten Kontakt mit den Substanzen ist oder wann sie die Verhaltensmuster zum ersten Mal ausübt. Auch individuelle Stressbelastungen, Leistungsdruck, häufige Schmerzen oder Schlafstörungen können das Risiko für eine Abhängigkeit erhöhen. Das gilt ebenso für bestehende psychische Erkrankungen, wie Angststörungen oder Depressionen, außerdem für psychische Probleme, etwa Minderwertigkeitsgefühle. Ein weiterer Faktor kann Vererbung sein: Kinder von Suchtkranken haben selbst ein höheres Suchtrisiko.
Das soziale Umfeld
Hinzu kommt das soziale Umfeld – also die Familie, der Freundeskreis sowie Kontakte in der Schule oder bei der Arbeit. Wenn es für die engen Bezugspersonen und Vorbilder normal ist, bestimmte Substanzen zu konsumieren, sinkt in vielen Fällen die eigene Hemmschwelle. Ebenso erhöhen soziale Stressfaktoren die Gefahr, dass eine Sucht entsteht – zum Beispiel Konflikte oder Missbrauchserfahrungen innerhalb der Familie sowie schulischer oder beruflicher Leistungsdruck. Konsumieren Menschen Drogen oder gehen sie einem bestimmten Verhalten nach, reagiert das Belohnungssystem im Gehirn und das High-Gefühl führt zu einer vermeintlich besseren Stimmung. Wichtig ist aber auch, wie verfügbar und wie gesellschaftlich akzeptiert die Droge ist. Im Alltag ist das Risiko einer Alkoholsucht beispielsweise für die meisten Menschen trotzdem höher als das einer Heroinsucht, weil sie unter Umständen mit dieser Droge nie in Kontakt kommen.
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Wann ist eine Sucht eine Sucht?
In manchen Fällen ist es nicht ganz einfach, eine Sucht von einer Angewohnheit abzugrenzen. Vielen Menschen fällt es schwer, sich einzugestehen, dass zum Beispiel ihr häufiges Zocken im Internet oder ihr allabendlicher Rotwein keine liebenswürdige Marotte beziehungsweise Genuss ist, sondern dass sie tatsächlich die Kontrolle verloren haben. Die folgenden Fragen können helfen, um sich selbst ehrlich zu beurteilen:
- Habe ich einen zwanghaften Wunsch, die Substanz zu konsumieren oder mich so zu verhalten?
- Fehlt mir manchmal die Kontrolle über den Beginn, die Beendigung oder die Menge des Konsums oder Verhaltens?
- Kenne ich körperliche oder psychische Entzugssymptome (Unruhe, Zittern, Schwitzen, Verstimmung, Gereiztheit), wenn ich versuche, es einzuschränken?
- Musste ich über die Zeit immer mehr konsumieren beziehungsweise mein Verhalten immer stärker ausweiten, um zufrieden zu sein?
- Vernachlässige ich andere Interessen oder Pflichten, um der Substanz oder dem Verhalten Zeit und Raum zu geben?
- Mache ich immer weiter, obwohl ich merke, dass es mir körperlich, psychisch oder finanziell nicht guttut oder meine sozialen und berufliche Beziehungen belastet?
Die Diagnosestellung einer Suchterkrankung erfolgt in einem ausführlichen ärztlichen oder psychotherapeutischen Gespräch.
Suchthilfe
Wenn Sie vermuten, süchtig zu sein, oder jemand in Ihrem Umfeld eine Sucht entwickelt hat, suchen Sie sich so schnell wie möglich professionelle Unterstützung. Als erste Ansprechpartner eignen sich zum Beispiel Ihre Hausärztin oder Ihr Hausarzt oder eine Suchtberatungsstelle in Ihrer Nähe. Diese finden Sie zum Beispiel im Suchthilfeverzeichnis.
Welche Faktoren schützen vor einer Sucht?
Die gute Nachricht ist: Genauso wie Risikofaktoren gibt es auch hilfreiche Maßnahmen, mit denen Sie sich und Ihr enges Umfeld (vor allem Kinder) davor schützen können, eine Sucht zu entwickeln. Dazu gehört zum Beispiel, ein positives Selbstbild und ein gesundes Selbstvertrauen aufzubauen. Wichtig dabei ist, sich auf die persönlichen Stärken zu besinnen und sich seelisch weniger abhängig von Leistung und sozialer Anerkennung zu machen. Auch ein gesundes soziales Umfeld, in dem Sie Probleme ansprechen können, sowie erfüllende Hobbys sind hilfreich. In größeren Lebenskrisen wie einer Trennung oder dem Jobverlust sollten Sie sich nicht scheuen, bei Bedarf Hilfe aus Ihrem sozialen Umfeld, in Beratungsstellen oder von der Hausärztin oder vom Hausarzt in Anspruch zu nehmen. Sie können einschätzen, ob gegebenenfalls eine psychische Erkrankung vorliegt, die behandelt werden kann oder eine Expertin oder ein Experte für mentale Gesundheit hinzugezogen werden sollte.
Für Eltern ist es zudem entscheidend, selbst einen gesunden Umgang mit Alkohol und anderen Substanzen vorzuleben und diese nicht zu verherrlichen. Gleichzeitig empfiehlt sich, das Thema Sucht frühzeitig anzusprechen und die Gefahren kindgerecht und realistisch zu benennen – nicht erst im Jugendalter. Wenn Jugendliche dennoch neugierig sind und eventuell sogar mit Substanzen experimentieren, bleiben Sie zugewandt, zeigen Sie Verständnis und sprechen Sie ohne Anklage über die Risiken. Zugewandte Erklärungen und ein offenes Ohr sind hilfreicher als Warnen, Mahnen und Schimpfen.