Verdauungssystem
Leben mit einem künstlichen Darmausgang
Veröffentlicht am:25.04.2023
7 Minuten Lesedauer
Bei einem künstlichen Darmausgang (Stoma) wird über eine Öffnung in der Bauchdecke der Darminhalt in einen Beutel geleitet. Meist macht eine Darmkrebserkrankung ein Stoma notwendig. Moderne medizinische Hilfsmittel können die Lebensqualität erhalten.

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Was ist ein Stoma und wann ist es notwendig?
Als Stoma wird in der Medizin eine durch eine Operation geschaffene künstliche Öffnung im Körper bezeichnet. Außer künstlichen Darmausgängen gibt es Stomata auch zur Ableitung des Harns und als Zugang zur Luftröhre zum Atmen. Manche Stomata sind nur vorübergehend, bis sich das betroffene Organ nach einer Operation wieder regeneriert hat oder Operationsnähte verheilt sind. Andere sind dauerhaft.
Beim künstlichen Darmausgang spricht man auch von einem Anus praeter. Wenn es sich um eine Öffnung des Dickdarms handelt, wird außerdem der Begriff Kolostoma verwandt. Die Operation, bei der ein Kolostoma eingerichtet wird, heißt Kolostomie. Bei einem Ileostoma wird eine Öffnung des Dünndarms geschaffen.
Die Krankheit, die ein Kolostoma meistens erforderlich macht, ist Darmkrebs – vor allem, wenn der letzte Dickdarmabschnitt, das Rektum, betroffen ist. Wenn sich der Tumor hier befindet, muss bei einer Operation oft auch der Schließmuskel am unteren Ende des Dickdarms entfernt werden. Ein funktionsfähiger Schließmuskel kontrolliert die Entleerung des Darminhaltes – fehlt er, fließt Stuhl unkontrolliert aus dem Darm heraus. Deshalb muss nun ein künstlicher Darmausgang gelegt werden.
Weitere Krankheiten, bei denen eine Kolostomie notwendig werden kann, sind:
- entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa
- Divertikulitis des Dickdarms
- Analkrebs
- bei Scheidenkrebs und Gebärmutterhalskrebs, wenn auch Teile des Darms von Karzinomen betroffen sind und entfernt werden müssen
- Darmdurchbruch
- Stuhlinkontinenz
- Unfälle und Verletzungen
- Schäden durch Strahlentherapie
- angeborene Anomalien des Darms wie Morbus Hirschsprung
Wie läuft eine Kolostomie ab?
Eine Kolostomie wird in Vollnarkose durchgeführt. Sie kann, abhängig von medizinischen Voraussetzungen, als offene Operation über einen Bauchschnitt oder auch laparoskopisch, das heißt als sogenannte Schlüssellochchirurgie durchgeführt werden. Hierbei führt der Operateur oder die Operateurin die Instrumente über kleine Hautschnitte unter Zuhilfenahme einer Kamera in die Bauchhöhle ein. Die Anlage der Kolostomie erfolgt über eine kleine Öffnung in der Bauchdecke. Ein Teil des Dickarms wird durch die Öffnung in der Bauchdecke vor die Bauchhaut gezogen und dort fixiert. Unterschiede gibt es bei der Einrichtung eines sogenannten doppelläufigen und eines endständigen Anus praeter.
Doppelläufige Kolostomie
Ein doppeläufiges Stoma wird meist nur vorübergehend eingerichtet, zum Beispiel, damit sich, die näher zum After liegenden Darmabschnitte nach einem Eingriff regenerieren können. Das Stoma wird in der Regel im Bereich des Querdarms, meist oberhalb des Bauchnabels angelegt. Eine Schlinge des Dickdarms wird durch die Bauchdecke gezogen. Dann wird der Darm an der Vorderseite geteilt und knapp über Hautniveau eingenäht. So entsteht ein Stoma mit zwei Öffnungen. Die eine ist das Ende des oberen Darmteils. Hier verlassen die Ausscheidungen nach der Operation den Darm. Die andere Öffnung gehört zum unteren Abschnitt, der zum After führt. Wenn der Heilungsprozess abgeschlossen ist, werden die beiden Darmenden wieder vernäht und in den Bauch zurückverlegt. Ein normaler Stuhlgang ist wieder möglich.
Endständige Kolostomie
Ein endständiges Stoma wird häufig dauerhaft angelegt – vor allem, wenn der Schließmuskel betroffen ist. Eine Frage, die viele Menschen im Zusammenhang mit einem künstlichen Darmausgang beschäftigt, lautet: Was passiert mit dem After? Bei der endständigen Kolostomie wird manchmal nicht nur das letzte Stück des Dickdarms entfernt, sondern auch der Anus samt Schließmuskel. In diesem Fall wird der After zugenäht und die künstliche Darmöffnung im linken Unterbauch angelegt. Wird der letzte Darmabschnitt nicht entfernt, sondern nur „stillgelegt“, nennt man dies Hartmann-Stoma. Bei einem Hartmann-Stoma kann der Darm wieder rückverlagert werden. In jedem Fall bleibt fast der gesamte Dickdarm erhalten und ist nach der Operation in seiner Hauptfunktion, der Eindickung des Stuhls, kaum eingeschränkt. Der Stuhl hat in der Regel die gleiche Beschaffenheit wie vorher.
Ileostomie
Ein künstlich angelegter Dünndarmausgang oder Ileostoma ist seltener als ein Kolostoma und kann ebenso temporär oder permanent und doppelläufig oder endständig angelegt werden. Eine temporäre Ileostomie wird durchgeführt, um die Verheilung nach Operationen in unteren Darmabschnitten zu erleichtern. Eine endständige und permanente Ileostomie kommt vor allem bei vollständiger oder umfangreicher Dickdarmentfernung in Betracht.
Nach der Operation
Betroffene brauchen Zeit zur Erholung. Ein Stoma ist rot und feucht und geschwollen und kann anfangs noch leicht bluten, verursacht aber keine Schmerzen. In den ersten Tagen wird das Stoma im Krankenhaus regelmäßig kontrolliert und zum Auffangen des Stuhls mit einem geruchsundurchlässigen Spezialbeutel versehen. Wie ein Pflaster haftet solch ein Stomabeutel sicher auf der Haut. Speziell ausgebildete Stomatherapeuten und -therapeutinnen führen in der Klinik in die wichtigsten Hygieneregeln ein und zeigen, wie das Stoma und die umgebende Haut gereinigt und Infektionen vermieden werden können.
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Umgang mit dem Stomabeutel
Auch wenn die Stomaversorgung schon in der Klinik individuell angepasst wurde, ist Unterstützung bei Problemen mit dem Stomabeutel später noch wichtig. Viele Fragen treten erst im Alltag auf und sollten dann professionell geklärt werden. Es gibt ein- und zweiteilige Stomasysteme. Beim einteiligen bilden Haftfläche und Beutel eine Einheit, beim zweiteiligen sind sie getrennt und werden durch ein Einrastsystem oder Klebeflächen miteinander verbunden. Bei Problemen mit dem System kann eventuell ein Produktwechsel hilfreich sein. Die Weiterbetreuung nach dem Klinikaufenthalt erfolgt in der hausärztlichen Praxis. Bei Bedarf kann auch eine häusliche Weiterbetreuung durch einen Stomatherapeuten oder eine Stomatherapeutin verordnet werden.
Der beste Zeitpunkt für den Beutelwechsel ist vor dem Frühstück, weil der Darm dann am wenigsten ausscheidet. Als Alternative zu Beuteln können Menschen mit einem Kolostoma, bei denen keine Gegenanzeige dafür vorliegt, die Irrigation (Einlauf mit Wasser) anwenden. Dabei wird alle ein bis zwei Tage mit einem Wassereinlauf über das Stoma der Darm zur Entleerung angeregt. Danach kann meist bis zum nächsten Einlauf auf einen Beutel verzichtet werden und der Anus praeter wird nur mit einer flachen Kappe abgedeckt.

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Gestaltung des Alltags mit einem künstlichen Darmausgang
Ein künstlicher Darmausgang stellt Menschen vor Herausforderungen und kann ihre Lebensqualität beeinträchtigen. Oft dauert es Monate, bis sich die Betroffenen in der neuen Situation zurechtfinden und Sicherheit beim Wechsel der Stomabeutel oder der Pflege des Anus praeter gewinnen. Der künstliche Darmausgang kann auch zu psychischen Belastungen führen, weil viele Betroffene Angst haben, mit dem Stoma aufzufallen oder auf Ablehnung zu stoßen.
Dank moderner medizinischer Lösungen können Einschränkungen minimiert werden und die Hoffnung von Menschen mit dauerhaftem Stoma auf ein normales Leben kann sich weitgehend erfüllen.
Einige wichtige Fragen, die sich Menschen mit Stoma stellen, sind hier zusammengefasst.
Riecht man den Stuhl bei einem künstlichen Darmausgang? Kommt es zu störenden Geräuschen? Was ist bei bei der Ernährung zu beachten? Darf man noch Sport treiben? Kann man duschen, baden, schwimmen und in die Sauna gehen? Wie sieht die Sexualität mit künstlichem Darmausgang aus? Gibt es Hilfe zur Selbsthilfe?
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