Zähne
Parodontitis: Wenn das Zahnbett entzündet ist
Veröffentlicht am:09.05.2022
6 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 06.11.2023
Parodontitis ist unter Erwachsenen so weit verbreitet, dass sie als Volkskrankheit gilt. Wie die Erkrankung des Zahnhalteapparats im Mundraum verläuft, wie man sie behandeln kann und was hilft, damit sie gar nicht erst entsteht, lesen Sie hier.
Parodontitis: Was steckt dahinter?
Bei der Parodontitis handelt es sich um eine dauerhafte Entzündung des Zahnbetts. Als Zahnbett – man spricht auch vom Zahnhalteapparat oder Parodontium – wird das Gewebe bezeichnet, das den Zahn umgibt und dafür sorgt, dass er fest im Kieferknochen sitzt. Wenn der Zahnhalteapparat dauerhaft entzündet ist, können sich die Zähne lockern. Unbehandelt führt Parodontitis zu Zahnverlust.
Die Parodontitis hat eine Vorstufe: die Zahnfleischentzündung (Gingivitis). Bei vielen Menschen entzündet sich ab und an das Zahnfleisch, was meist keine Probleme bereitet. Denn oft ist eine Gingivitis harmlos und klingt von selbst wieder ab. Aber die Entzündung kann auch auf den gesamten Zahnhalteapparat übergreifen – und dann kommt es zur viel schwerwiegenderen Parodontitis. Deshalb sollte man schon bei einer Zahnfleischentzündung aktiv werden und einem schlimmeren Verlauf vorbeugen.
Parodontitis und Parodotose: Ist das das Gleiche?
Viele Menschen nutzen den Begriff „Parodontose“, wenn sie eigentlich eine Parodontitis meinen. Streng genommen ist das nicht ganz korrekt. Der Begriff „Parodontose“ beschreibt zwar auch einen Zahnfleischrückgang, allerdings liegt als Ursache keine Entzündung zugrunde. Durch das zurückgezogene Zahnfleisch liegen die Zahnhälse frei, sodass Parodontose zwar keine pathologischen Auswirkungen hat, jedoch ästhetisch nicht ansprechend ist und durch die freiliegenden Zahnhälse auch zu einer größeren Empfindlichkeit für Krankheitserreger wie Karies führt.
Unter einer Parodontitis versteht man eine chronische bakterielle Entzündung des Zahnhalteapparates und des Zahnfleisches, bei der es in der Regel zum Rückgang des Zahnfleisches kommt, deshalb wird im Folgenden der Fachbegriff Parodontitis genutzt.
Parodontitis – Ursachen und Häufigkeit
Auslöser für Parodontitis sind Bakterien, die in der sogenannten Plaque vorkommen. Das ist ein dünner, zunächst kaum sichtbarer Belag auf dem Zahn, der vor allem im Übergangsbereich zum Zahnfleisch entsteht. Plaque setzt sich aus Bakterien, Nahrungsresten und Bestandteilen des Speichels zusammen. Wird sie nicht vollständig durch gründliches Zähneputzen entfernt, verhärtet sie und es bildet sich Zahnstein, der sich auch unter das Zahnfleisch schieben kann. Ablagerungen unterhalb des Zahnfleischrandes nennt man Konkremente.
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Bakterien im Mund sind an sich nichts Schlimmes: Ein Milliliter Speichel enthält rund 60 Millionen Bakterien und viele erfüllen sinnvolle Aufgaben. Gesundes Zahnfleisch sitzt fest am Zahn und verhindert das Eindringen der Bakterien. Vor allem über die Ablagerungen unterhalb des Zahnfleischrandes kann es ihnen etwa durch unzureichende Zahnhygiene aber gelingen, auf den Zahnhalteapparat und die Knochen überzusiedeln und in den Blutkreislauf zu gelangen.
Dann kommt es zu einer Abwehrreaktion des Körpers. Eine Entzündung entsteht. Um die Bakterien zu besiegen, nimmt der Körper gewissermaßen auch Opfer in Kauf: Infizierte Knochen- und Gewebeteile werden abgestoßen – am Ende steht im schlimmsten Fall der Zahnverlust.
Neben Plaque und Zahnstein gibt es auch weitere Faktoren, die das Parodontitisrisiko und -ausmaß sowie das Fortschreiten der Entzündung begünstigen können:
Unzureichende Mundhygiene
Werden Beläge und Zahnstein gar nicht oder nicht gut genug entfernt, vermehrt sich die Bakterienzahl und das Parodontitisrisiko steigt.
Rauchen
Rauchen beeinträchtigt die gesamte Zahngesundheit und fördert insbesondere Gingivitis und Parodontitis.
Erkrankungen
Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus und Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder Syphilis fördern Bakterien im Mundraum, weil die Erkrankungen zu einer vermehrten Ansammlung von entzündungsauslösenden Stoffen im Zahnhalteapparat führen.
Schwangerschaft
Der Volksmund sagt: „Jedes Kind kostet einen Zahn.“ Da ist sogar etwas dran: Während der Schwangerschaft kann sich zum Beispiel durch die hormonelle Umstellung die Durchlässigkeit von Gefäßen erhöhen, sodass schon eine kleine Bakterienzahl ausreicht, um Parodontitis auszulösen. Das liegt auch daran, dass bei Schwangeren das Immunsystem leicht heruntergefahren ist, weil die Zellen des ungeborenen Kindes auch Merkmale des Vaters enthalten und das Immunsystem diese sonst angreifen würde, was die Schädigung des ungeborenen Kindes zur Folge hätte.
Genetische Veranlagung
Manche Menschen sind besonders anfällig für Parodontitis. Forscherinnen und Forscher an der Berliner Charité konnten bei der Untersuchung der DNA zwei Gen-Bereiche bzw. Abschnitte des Erbguts identifizieren, die für entsprechend veranlagte Menschen auch bei guter Mundhygiene ein erhöhtes Parodontitisrisiko bedeuten.
Medikamente
Einige Medikamente zur Behandlung von Gefäß- und Herzkrankheiten oder solche, die das Immunsystem unterdrücken, wirken sich auf Speichelfluss oder Zahnfleischwachstum aus – und begünstigen auf diese Weise Parodontitis.
Wie häufig ist Parodontitis und ab wann tritt sie auf?
Parodontitis ist eine der häufigsten Entzündungserkrankungen. Eine internationale Studie weist sie als weltweit sechsthäufigste Erkrankung aus. In Deutschland ist unter den 35- bis 44-Jährigen rund die Hälfte betroffen, unter den 65- bis 74-Jährigen sind es rund 65 Prozent und bei den über 74-Jährigen 90 Prozent.
Symptome und Diagnose bei einer Parodontitis
Zunächst verursacht Parodontitis wenig spürbare Beschwerden. Da die ersten Parodontitissymptome nicht eindeutig sind, kann zu einem frühen Zeitpunkt der Erkrankung nur der Zahnarzt oder die Zahnärztin eine zuverlässige Diagnose stellen. Mögliche Frühsymptome, die sich weitgehend mit der Zahnfleischentzündung decken, sind:
- geschwollenes und/oder gerötetes Zahnfleisch
- Zahnfleischbluten
- Schmerzen beim Essen
- Mundgeruch
Erst bei fortgeschrittener Entzündung bildet sich das Zahnfleisch sichtbar zurück und löst sich vom Zahn. Dadurch entstehen Zahnfleischtaschen, in denen sich der Zahnbelag weiter ausbreitet. Der Zahnhalteapparat entzündet sich mehr und mehr, wird schrittweise abgebaut und schließlich lockert sich der Zahn.
Wie kann ich einer Parodontitis vorbeugen?
Gute Mundhygiene und regelmäßige zahnärztliche Kontrollen sind das A und O, um Parodontitis so gut wie möglich entgegenzuwirken. Entscheidend ist, Zahnbeläge und Zahnstein möglichst früh zu beseitigen, um die Mundflora gesund zu halten, indem Bakterien im Mundraum reduziert und günstige Bedingungen für die Bakterienentwicklung vermieden werden. Weiche Beläge können Sie durch gründliches Zähneputzen selbst entfernen. Weil die Zahnbürste nur schwer in die Zahnzwischenräume gelangt, empfiehlt sich die zusätzliche Verwendung von Interdentalbürsten, Zahnseide oder Mundspülungen. Ihr Zahnarzt oder Ihre Zahnärztin berät Sie bei der Auswahl der für Sie geeigneten Hilfsmittel und zeigt Ihnen die richtige Putztechnik.
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Wenn Sie Kronen oder Füllungen haben, können Ränder überstehen, an denen sich bevorzugt Belag bildet. Der Zahnarzt oder die Zahnärztin wird diese Ränder bei Bedarf korrigieren. Auch Zahnstein und Konkremente, also Ablagerungen unterhalb des Zahnfleischrandes, lassen sich nur in der Arztpraxis entfernen, am besten bei einer professionellen Zahnreinigung (PZR), deren Kosten gesetzliche Krankenkassen zwar nicht vollständig übernehmen, aber häufig bezuschussen.
Parodontitis-Behandlung
Bei einer Entzündung des Zahnhalteapparats gilt: Je eher erkannt, desto leichter lässt sie sich behandeln. Im Anfangsstadium können mehrere professionelle Zahnreinigungen hintereinander ausreichen. Zahnärztinnen und Zahnärzte raten zu zwei Behandlungen pro Jahr. Danach beurteilt der Zahnarzt oder die Zahnärztin den Behandlungserfolg, indem er die Tiefe der Zahnfleischtaschen misst. Wenn sich die Entzündung durch die Zahnreinigungen nicht gebessert hat, werden auch die Oberflächen der Zahnwurzeln und die Zahnfleischtaschen gereinigt. Unter lokaler Narkose entfernt die Zahnärztin oder der Zahnarzt verbliebene Konkremente und schält oberflächliche Entzündungen aus. Nur bei sehr schweren Fällen sind später noch operative Eingriffe nötig, bei denen zum Beispiel Knochenersatzmaterialien implantiert werden.
Nach der Behandlung, egal wie schwerwiegend sie war, ist gute Mundhygiene erst recht wichtig, um die Parodontitis nicht wieder enstehen zu lassen. Ihr Zahnarzt oder Ihre Zahnärztin wird Sie darüber aufklären, was Sie bei der richtigen Zahnhygiene beachten müssen. Außerdem haben Sie als gesetzlich versicherte Person im Anschluss an die Behandlung mindestens zwei Jahre lang Anspruch auf ein spezielles zahnmedizinisches Nachsorgeprogramm, die sogenannte Unterstützende Parodontitis-Therapie (UPT). Bei Bedarf kann sie um sechs Monate verlängert werden. Die UPT umfasst eine Mundhygienekontrolle und gegebenenfalls weitere Parodontalbehandlungen wie professionelle Zahnreinigungen, eine professionelle mechanische Plaquereduktion und das Reinigen sowie das Messen der Zahnfleischtaschen. Diese Nachbehandlung inklusive Reinigung ist seit Juli 2021 für gesetzlich Versicherte Teil der Kassenleistung.
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