Naturkosmetik
Nachhaltige Kosmetik: Welche Siegel stehen für welche Kriterien?
Veröffentlicht am:23.06.2022
7 Minuten Lesedauer
Nachhaltigkeit spielt für viele auch bei der Auswahl von Kosmetikprodukten eine wichtige Rolle. Das Angebot ist inzwischen groß und nicht immer wird deutlich, wie nachhaltig ein Artikel tatsächlich ist. Aus diesem Grund gibt es verschiedene Siegel.
Welche nachhaltigen Kosmetiksiegel gibt es?
Grundsätzlich fordern Konsumenten und Konsumentinnen klare Fakten, wenn es um die nachhaltige Herstellung von Produkten geht. Aus der Nachhaltigkeitsstudie vom VKE Kosmetikverband aus dem Jahr 2020 geht hervor, dass fast jede zweite Person (49 Prozent) nicht weiß, worauf sie bei der Auswahl nachhaltiger Kosmetik achten soll. Verschiedene Siegel helfen dabei, die Nachhaltigkeit von Kosmetikprodukten einzuschätzen.
Grundsätzlich lassen sich nachhaltige Kosmetiksiegel in vier Gruppen aufteilen, dazu gehören:
- Siegel für Bio- und Naturkosmetik
- fair gehandelte Kosmetikprodukte
- Siegel für allergikerfreundliche Kosmetik
- vegane Siegel und tierversuchsfreie Siegel
Siegel für Bio- und Naturkosmetik
Vor allem im Bereich der Bio- und Naturkosmetik sind kritische Verbraucher und Verbraucherinnen gefragt, denn die Begriffe Naturkosmetik oder Biokosmetik sind nicht gesetzlich geschützt. Produkte mit abgebildeten Pflanzen suggerieren Natürlichkeit, trotzdem kann die auf der Creme abgebildete Aloe-vera-Pflanze womöglich nur als chemisch-synthetische Substanz im Produkt enthalten sein.
Der Unterschied zwischen Bio- und Naturkosmetik ist folgender:
Naturkosmetiksiegel verbieten eine große Anzahl von Inhaltsstoffen. Viele umstrittene chemisch-synthetische Inhaltsstoffe, zum Beispiel Mikroplastik, Inhaltsstoffe auf Erdölbasis, Silikone und PEG (Polyethylenglykole, dazu gehören Emulgatoren, die schaumbildend sind), dürfen in einem Naturkosmetik-Produkt nicht enthalten sein. Außerdem gelten strengere Verbote für Tierversuche als gesetzlich vorgeschrieben.
Aber: Naturkosmetik bedeutet nicht zwingend, dass die Inhaltsstoffe aus biologischem Anbau sein müssen. Wer Biokosmetik bevorzugt, muss genau auf die Liste der Inhaltstoffe und ihre entsprechende Kennzeichnung achten. Bei Biokosmetik müssen 95 Prozent der Naturstoffe beziehungsweise naturnahen Stoffe aus biologischer Landwirtschaft oder Wildsammlung stammen.
Naturkosmetische Produkte müssen davon abgesehen auch nicht zwingend allergikerfreundlich sein. Wer unter einer Allergie leidet, sollte vor dem Kauf immer die Inhaltsstoffe des Produkts mit seinem Allergiepass abgleichen.
Die bekanntesten Naturkosmetiksiegel in Deutschland sind das NATRUE-Siegel und das BDIH-Siegel.
Das NATRUE-Siegel
NATRUE ist eine internationale Non-Profit-Organisation. Produkte, die mit diesem Siegel ausgezeichnet sind, müssen überwiegend aus pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Naturstoffen bestehen. Naturnahe Stoffe, dazu gehören zum Beispiel Emulgatoren, dürfen nur in einem geringen Anteil zugesetzt sein, da sie unter Umständen durch chemische Reaktionen gewonnen werden.
Seit 2021 unterscheidet das NATRUE-Siegel zwischen Naturkosmetik und Biokosmetik. Über eine spezielle Produktdatenbank lässt sich überprüfen, ob Creme, Duschgel oder Shampoo als Natur- oder als Biokosmetik eingestuft ist.
Zu den wichtigsten Qualitätsstandards von NATRUE zählen:
- Verzicht auf chemisch-synthetische Stoffe wie Paraffine und Erdölprodukte, Silikone, PEG (Polyethylenglykole) und auf synthetische Duftstoffe
- Verzicht auf organisch-synthetische Lichtschutzfilter und Farbstoffe
- Verbot von Inhaltsstoffen aus genetisch veränderten Organismen
- Verbot von Tierversuchen
- Verbot von Rohstoffen toter Wirbeltiere (Nerzöl). Aber: Rohstoffe von lebenden Tieren oder von toten Insekten wie Karminrot aus Cochenilleläusen sind erlaubt.
Das BDIH-Siegel (Bundesverband der Industrie- und Handelsunternehmen)
Kosmetika, die den Richtlinien des Bundesverbandes der Industrie- und Handelsunternehmen entsprechen, dürfen das Prüfzeichen „BDIH Standard“ tragen. Seit der Einführung im Jahr 2001 steht das Siegel für kontrollierte Naturkosmetik.
Produkte, die mit dem BDIH-Siegel ausgezeichnet werden, müssen folgende Richtlinien erfüllen:
- Pflanzliche Rohstoffe müssen aus zertifiziertem ökologischen Anbau stammen.
- Tierische Rohstoffe wie Milch und Honig sind gestattet, der Einsatz von Rohstoffen aus toten Wirbeltieren (Emuöl, Nerzöl, tierische Fette, Collagen) ist verboten, Rohstoffe von lebenden Tieren oder von toten Insekten (Karminrot aus Cochenilleläusen, Colour-Index-Nummer CI 75470) sind jedoch erlaubt.
- Weder bei der Entwicklung noch bei der Herstellung der Produkte dürfen Tierversuche durchgeführt werden, außerdem dürfen Rohstoffe, die ab 1998 im Tierversuch getestet wurden, nicht verwendet werden.
- Neben physikalischen Verfahren sind für die Herstellung von Naturkosmetika enzymatische und mikrobiologische Verfahren (wie sie in der Natur vorkommen) zulässig.
- Verboten sind organisch-synthetische Farbstoffe, synthetische Duftstoffe, ethoxylierte Rohstoffe (das sind petrochemisch angereicherte Rohstoffe), Silikone, Paraffine und andere Erdölprodukte.
- Beim Einsatz von Konservierungsstoffen ist der Zusatz „Konserviert mit…“ erforderlich.
Dem BDIH-Standard haben sich noch weitere, europäische Naturkosmetiksiegel angeschlossen, dazu gehören:
- Ecocert
- Cosmebio
- ICEA
- Soil Association
Sie gehören zusammen zum internationalen Naturkosmetikstandard COSMOS, der häufig zusätzlich auf Naturkosmetikprodukten zu finden ist. Bei dem speziellen COSMOS-Organic-Siegel handelt es sich um Naturkosmetik in Bioqualität.
Kosmetik in Demeter-Qualität
Demeter gehört nicht nur bei Lebensmitteln, sondern auch bei der Naturkosmetik zu einem wichtigen Siegel und Zertifikat.
Ihre wichtigsten Bedingungen lauten:
- Alle Kosmetik-Produkte müssen zu mindestens 90 Prozent Rohstoffe enthalten, die nach Demeter-Richtlinien produziert wurden.
- Die Hersteller verzichten auf Mineralöle, Benzol oder Hexan, Butylen- oder Propylenglycol und auf Rohstoffe, die aus Tieren gewonnen wurden.
- Ebenfalls verboten ist der Einsatz von Gentechnik und Nanopartikeln, von radioaktiver Bestrahlung oder Begasung.
- Hohe biologische Abbaubarkeit.
- Hohe Transparenz in der Deklaration der Inhaltsstoffe.
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Weil viele Kosmetikrohstoffe wie Palmöl, Kakaobutter, Jojobaöl oder Sheabutter aus Asien, Lateinamerika oder Afrika kommen, legen nachhaltige Unternehmen Wert auf eine faire Zusammenarbeit mit den Erzeugern dieser Rohstoffe. So können Dumpinglöhne oder schlechte Arbeitsbedingungen vermieden werden.
Das sogenannte Fairtrade-Siegel auf Kosmetik- und Pflegeprodukten darf nur in Kombination mit dem Hinweis „mit Fairtrade-Zutaten“ erscheinen. Außerdem enthält die Verpackung Informationen dazu, wie viel Prozent und welche der Inhaltsstoffe Fairtrade-zertifiziert sind.
Folgende Richtlinien sind dabei einzuhalten:
- Die Waren müssen aus fairem Handel stammen, bei deren Herstellung müssen darüber hinaus bestimmte soziale, ökologische und ökonomische Kriterien eingehalten werden.
- Alle Inhaltsstoffe des Kosmetikproduktes, die es als Fairtrade-Rohstoffe gibt, müssen auch aus fairem Handel stammen.
- Für Produkte, die auf der Haut bleiben (zum Beispiel Cremes und Lotionen), müssen mindestens fünf Prozent der Inhaltsstoffe aus fairem Handel stammen, bei abwaschbaren Produkten (Duschgel) sind es wegen des höheren Wasseranteils nur zwei Prozent.
Öle, Duftstoffe oder Essenzen können bei einigen Menschen allergische Reaktionen auslösen. Um sie davor zu schützen, vergibt der Deutscher Allergie- und Asthmabund sein DAAB-Logo an Produkte, die keine Inhaltsstoffe mit hohem allergenen Potential enthalten. Dazu gehören auch Inhaltsstoffe, die stark irritierende Eigenschaften zeigen und bei sensibler Haut Beschwerden hervorrufen können.
Kosmetikprodukte mit dem DAAB-Logo müssen frei sein von folgenden Stoffen:
- Duftstoffe, Aromastoffe, ätherische Öle
- Konservierungsstoffe, die als Kontaktallergene bekannt sind
- Farbstoffe, die als Kontaktallergene bekannt sind
- weitere Inhaltsstoffe, die als Kontaktallergene bekannt sind wie Lanolin (Wollfett)
- Inhaltsstoffe, die schon in kleinen Mengen zu Irritationen der Schleimhäute, aber auch der Augen oder Haut führen können
- Chemisch-synthetische Inhaltsstoffe sind (anders als bei Naturkosmetik) erlaubt, es sei denn, es handelt sich um bekannte Allergene oder irritierende Substanzen
Auch das europäische ECARF-Siegel zeichnet Produkte aus, die besonders hautverträglich sind und folgende Kriterien erfüllen:
- Anhand von Schwellenwerten und Ausschlusskriterien muss dargestellt werden, dass eine allergische Reaktion sehr unwahrscheinlich ist.
- Die ECARF-Kriterien sind dem neuesten Stand der Wissenschaft angepasst.
- Gutachten und Studien weisen nach, dass das Produkt alle Kriterien erfüllt.
Kaninchen mit schützender Hand vom Deutschen Tierschutzbund
Wer ein Kosmetikprodukt mit dem Siegel des Deutschen Tierschutzbundes kauft, erkennbar am Kaninchen mit schützender Hand, kann sich sicher sein, dass kein Inhaltsstoff seines Produkts von toten Tieren stammt. Es geht zudem über die Anforderungen von Naturkosmetiksiegeln hinaus.
Weitere Kriterien, die Produkte mit dem Tierschutz-Bund-Siegel erfüllen müssen, lauten:
- Das Siegel wird nur dann vergeben, wenn zur Entwicklung und Herstellung des fertigen Kosmetikproduktes keine Tierversuche durchgeführt wurden.
- Es dürfen keine Inhaltsstoffe verwendet werden, die nach 1979 an Tieren im Auftrag des Herstellers getestet wurden.
- Der Hersteller darf nicht abhängig von Firmen sein, die Tierversuche durchführen.
- Tierische Inhaltsstoffe sind nur dann erlaubt, wenn diese nicht von toten Tieren stammen oder durch Tierquälerei gewonnen wurden.
- Die Marktpräsenz in Ländern, in denen Tierversuche durchgeführt werden (zum Beispiel in der Volksrepublik China), ist verboten.
Leaping Bunny
Für das international bekannte „Leaping Bunny“-Siegel haben sich vor allem Tierschutzorganisationen aus Europa und Nordamerika auf einen Standard geeinigt, den sogenannten „Humane Cosmetic Standard“. Sie legten dabei unter anderem fest, nach welchen Kriterien ein Produkt als „tierleidfrei“ gilt.
Im Hinblick auf Tierversuche hat der springende Hase weniger strenge Kriterien als das Siegel des Tierschutzbundes. Das jeweilige Unternehmen darf selbst festlegen, ab wann die von ihm verwendeten Rohstoffe nicht mehr im Tierversuch getestet sein dürfen. Ein weiterer Unterschied ist, dass Lanolin, welches von australischen Schafen stammt, nicht verboten ist. Außerdem werden auch Firmen zertifiziert, die zu einem Konzern gehören, der Tierversuche durchführt oder durchführen lässt. Der Vorteil des Siegels ist allerdings seine internationale Bekanntheit.
Folgende Kriterien müssen Kosmetikprodukte mit dem „Leaping Bunny“-Siegel erfüllen:
- Weder Inhaltsstoffe noch Rezepturen dürfen an Tieren getestet werden, das Unternehmen darf Tierversuche auch nicht in Auftrag geben oder sich daran beteiligen.
- Die Unternehmen legen den Stichtag fest, ab dem es keine Tierversuche mehr durchgeführt hat und durchführen wird.
- Das Unternehmen muss sich von den Lieferanten schriftlich bestätigen lassen, dass Hersteller oder Lieferanten die Kriterien des sogenannten „Humane Cosmetic Standards“ erfüllen.
- Zertifizierte Kosmetikfirmen dürfen mit ihren Produkten nicht am chinesischen Markt registriert sein.
Das Vegan-Label der Vegan Society
Anders als bei den vorherigen Siegeln handelt es sich bei dem Siegel der „Vegan Society“ um ein Zertifikat, welches nur an Kosmetikprodukte vergeben wird, die weder aus Bestandteilen von lebenden noch von toten Tieren bestehen. Dabei ist es egal, ob es sich um Wirbeltiere handelt oder nicht. Auch bei diesem Label sind Tierversuche in der Entwicklung und Produktion verboten. Weder vom Unternehmen noch in dessen Auftrag dürfen Inhaltsstoffe an Tieren getestet werden. Es gibt allerdings keinen genauen Stichtag, ab wann dieses Tierversuchsverbot für die Unternehmen gilt.