Pflegeformen
So sieht der Alltag im betreuten Wohnen aus
Veröffentlicht am:24.11.2022
6 Minuten Lesedauer
Viele Menschen möchten auch im Alter in den eigenen vier Wänden leben. Das Wohnen mit Service kann das ermöglichen. Mit Gemeinschaftsaktivitäten oder Unterstützungsangeboten können Bewohner und Bewohnerinnen ihren Alltag gestalten.
Maria Cloppenburg leitet das Wohnen mit Service bei der Caritas Bremen. Im Interview erklärt sie, für wen sich das Servicewohnen eignet und welche Finanzierungsmöglichkeiten es gibt.
Für wen eignet sich diese Wohnform?
Das betreute Wohnnen ist ein Begriff, der sehr unterschiedlich ausgelegt wird. Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine Wohnform, bei der Menschen Unterstützung im Alltag erfahren – zum Beispiel, weil sie körperliche oder geistige Einschränkungen haben. In dem Zusammenhang ist auch das Modell „Wohnen mit Service“ sehr beliebt. Das Angebot richtet sich an Senioren oder Seniorinnen, die die Freiheit und Selbstständigkeit in der eigenen Wohnung schätzen, aber einen zusätzlichen Service benötigen oder wünschen. Beim Wohnen mit Service gilt das Motto: so viel Selbstständigkeit wie möglich und so viel Unterstützung wie nötig. Das Konzept sieht vor, dass Menschen eine Wohnung in einer speziellen Wohnanlage beziehen und ihre eigenen Möbel mitbringen. Interessierte können aus verschiedenen Wohnungsgrößen wählen und alleine oder als Paar einziehen. Beim Wohnen mit Service befinden sich Freizeitangebote oder Dienstleistungen wie die Fußpflege in der Regel in kurzer Entfernung. Eine weitere Besonderheit kann sein, dass sich in der Wohnanlage ein ambulanter Pflegedienst oder eine Pflegestation befinden, das ist je nach Anbieter sehr unterschiedlich.
Welche Voraussetzungen muss man erfüllen?
Die zukünftigen Bewohner und Bewohnerinnen benötigen ein gewisses Maß an Selbstständigkeit. Für Personen mit Pflegegrad 3 oder 4, die beispielsweise nicht mehr alleine aufstehen können, eignet sich das Wohnen mit Service nicht. Das Gleiche gilt für Menschen mit einer ausgeprägten Demenz. Anders als in einem Pflegeheim gibt es hier keine Rundumversorgung. Die Senioren und Seniorinnen bewältigen ihren Alltag größtenteils selbst und nehmen auf Wunsch Services wie einen Wäschedienst in Anspruch. Ein Pflegegrad ist beim Wohnen mit Service übrigens keine Voraussetzung. Es gibt auch keine allgemeine Altersgrenze, die vorschreibt, ab wann ein Einzug in eine Einrichtung mit Service möglich ist. In unseren Einrichtungen sind die Bewohner und Bewohnerinnen bei Einzug in der Regel zwischen 75 und 90 Jahre alt.
Was passiert, wenn der Gesundheitszustand abnimmt?
Handelt es sich um zeitlich begrenzte Einschränkungen, nimmt das Serviceangebot darauf Rücksicht, indem das Essen beispielsweise direkt in die Wohnung gebracht wird. Nehmen die Einschränkungen auf Dauer zu, ist auch eine Anpassung der Leistungen seitens des Pflegedienstes möglich. Kann sich der Bewohner oder die Bewohnerin dauerhaft nicht mehr alleine versorgen, ist ein Umzug in ein Pflegeheim denkbar. Je nach Einrichtung befindet sich die Pflegestation direkt im Haus – Bewohner und Bewohnerinnen aus dem Servicewohnen erhalten oftmals eine bevorzugtere Aufnahme als Personen, die bisher noch nicht in der Wohnanlage untergebracht sind.
Aus welchen Gründen nehmen Menschen das Wohnen mit Service in Anspruch?
Die Gründe für den Einzug sind ganz unterschiedlich. Manche Personen wünschen sich eine barrierefreie Wohnumgebung, weil ihnen das Treppensteigen schwerfällt. Bei einigen Menschen liegt noch keine körperliche Einschränkung vor, sie fühlen sich aber sicherer, wenn sie die Serviceangebote jederzeit in Anspruch nehmen können. Manche ältere Menschen, deren Partner oder Partnerin verstorben ist, sehnen sich nach mehr Gesellschaft und beanspruchen deshalb das Servicewohnen. Hier bieten sich viele Gelegenheiten, neue Kontakte zu knüpfen oder das soziale Umfeld zu pflegen. Zum Beispiel während der Mahlzeiten im Speisesaal, beim Aufenthalt in den Gemeinschaftsräumen oder bei der Teilnahme an den zahlreichen Aktivitäten, die vor Ort angeboten werden.
„Manche ältere Menschen, deren Partner oder Partnerin verstorben ist, sehnen sich nach mehr Gesellschaft und beanspruchen deshalb das Servicewohnen.“
Maria Cloppenburg
Leitung Wohnen mit Service bei der Caritas Bremen
Wie läuft der Alltag beim Wohnen mit Service ab?
Ihren Alltag gestalten die Senioren und Seniorinnen beim Wohnen mit Service selbst. Sie entscheiden, welche Dienstleistungen und Freizeitaktivitäten sie in Anspruch nehmen. Die Angebote beeinflussen dann natürlich den Tagesverlauf. Bewohner und Bewohnerinnen können beispielsweise die Mahlzeiten im Speisesaal einnehmen – hier gibt es festgelegte Essenszeiten. Die Freizeitangebote finden im Vormittags- und Nachmittagsbereich statt und geben dem Alltag ebenfalls eine Struktur. Beim Wohnen mit Service sind aber alle Dienstleistungen und Beschäftigungsangebote freiwillig. Das ist wichtig, denn so können Senioren und Seniorinnen ihren Tag so verbringen, wie sie möchten. Wir haben auch Ehepaare, bei denen eine Person im Wohnen mit Service lebt und die andere auf der Pflegestation. Sie verbringen dann oft den Tag miteinander.
Welche Beschäftigungsangebote gibt es?
Welche Beschäftigungsangebote Menschen beim Wohnen mit Service zur Verfügung stehen, richtet sich nach dem Anbieter. Wir bieten beispielsweise Gedächtnistraining, Gymnastik oder ein Seniorencafé für den Austausch an. Sehr beleibt ist zurzeit die Smartphone-Schulung. Was wann ansteht, erfahren die Senioren und Seniorinnen beim Mietertreff, der einmal im Monat stattfindet. Außerdem erhalten sie den Veranstaltungskalender direkt in den Briefkasten. Wer an den Freizeitaktivitäten teilnehmen möchte, muss sich in der Regel nicht anmelden. Die einzige Ausnahme sind Feste, bei denen das Essen vorbestellt werden muss.
Welche Dienstleistungen werden angeboten?
Beim Wohnen mit Service gibt es zum Beispiel einen Wäscheservice – hier erhalten die Bewohner und Bewohnerinnen ihre Kleidung gewaschen und gebügelt zurück. Der Essensservice stellt Frühstück, Mittagessen und Abendessen im Speisesaal bereit. Gerade das Essen in Gemeinschaft ist vielen Menschen wichtig, sie nutzen die Zeit, um sich auszutauschen oder sich zu Veranstaltungen zu verabreden. Zu den Wahlleistungen zählt auch ein Reinigungsdienst, der die Wohnung säubert, und ein Getränkedienst, der Getränkekisten bis in die Wohnung liefert. Was vielen Menschen sehr hilft, ist der Hausmeisterservice. Der Hausmeister wechselt beispielsweise das Leuchtmittel in den wohnungseigenen Lampen, reinigt verstopfte Abflüsse oder stellt Fernsehprogramme ein.
Sind alle Angebote beim betreuten Wohnen freiwillig?
An einem Service müssen die Menschen in unseren Wohnungen alle teilnehmen, der „Lebenszeichenkontrolle“. Hierbei drücken Bewohner oder Bewohnerinnen morgens auf einen Knopf, um zu signalisieren, dass es ihnen gut geht. Geschieht das nicht, ruft das Personal den Senior oder die Seniorin an oder geht persönlich vorbei, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist. Ist ein Ausflug oder ein Urlaub geplant, geben die Bewohner und Bewohnerinnen einfach kurz Bescheid, damit sich das Personal keine Sorgen macht.
Was kostet das Wohnen mit Service?
Zunächst fällt für die Bewohner und Bewohnerinnen eine Kaltmiete an. Die Höhe richtet sich nach der Wohnregion, für unsere Einrichtungen in Bremen beträgt die Kaltmiete zwischen 12 und 14 Euro pro Quadratmeter. Außerdem gibt es eine Nebenkostenvorauszahlung für Strom, Wasser, Gas und die Müllentsorgung. Dann kommt noch eine Servicepauschale hinzu – diese kann je nach Anbieter unterschiedlich ausfallen. Bei uns beträgt sie zwischen 95 und 115 Euro pro Monat. Die Pauschale deckt bis auf wenige Ausnahmen wie bestimmte Feste alle Beschäftigungsangebote ab. Nehmen Bewohner und Bewohnerinnen zusätzliche Dienstleistungen wie den Wäschedienst in Anspruch, bezahlen sie diese extra.
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Wie finanzieren Bewohner und Bewohnerinnen das Wohnen mit Service?
Das Servicewohnen bezahlen die Senioren und Seniorinnen so, wie sie auch eine gewöhnliche Mietwohnung bezahlen würden, also beispielsweise von ihrer Rente. Menschen mit einem Pflegegrad können Leistungen der Pflegekasse beanspruchen. Mit dem Pflegegeld, den Entlastungsleistungen oder den Pflegesachleistungen können sie unter anderem den ambulanten Pflegedienst bezahlen. Dieser befindet sich beim Wohnen mit Service meist direkt im Haus – alternativ können Senioren oder Seniorinnen einen Pflegedienst von außen beauftragen. Ein 24-Stunden-Notrufservice ist beim ambulanten betreuten Wohnen übrigens immer dabei – braucht eine Person Hilfe, beispielsweise nach einem Sturz, drückt sie einen Knopf und eine Pflegefachkraft kommt zur Wohnung.
Wie wichtig ist es, sich im Vorhinein über die Einrichtung zu informieren?
Da das Wohnen mit Service je nach Einrichtung sehr unterschiedlich sein kann, ist es wichtig, sich vorab gut zu informieren. Das klappt zum Beispiel mit Informationen über die Webseite oder über eine Infomappe, die die Anbieter herausgeben. Mit einer Besichtigung können sich Interessierte direkt vor Ort einen Überblick über die Räumlichkeiten und die Dienstleistungen beziehungsweise Freizeitaktivitäten verschaffen. Außerdem erhalten sie so ein Gefühl für die Atmosphäre im Haus. Mein Tipp ist, beim Besuch mit Bewohnern und Bewohnerinnen zu sprechen und sich bei ihnen zu erkundigen, wie es ihnen dort gefällt. Es gibt übrigens auch Servicewohnungen, in denen Interessierte für einen festgelegten Zeitraum zur Probe wohnen können. Ist die Entscheidung für eine Einrichtung gefallen, unterschreiben die zukünftigen Bewohner oder Bewohnerinnen einen Dienstleistungsvertrag.