Pflegende Angeh örige
Menschen und Geschichten hinter der Pflege: Leon (10) und Bernd (56)
Veröffentlicht am:19.07.2022
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Das beeindruckende Vater-Sohn-Gespann aus Bernd (56) und Leon (10) durchlebte in den vergangenen zehn Jahren Höhen und Tiefen. Ihrer Liebe zueinander konnte das nichts anhaben. Doch Bernd musste lernen, auch für sich selbst zu sorgen.
Inhalte im Überblick
Mein Sohn Leon
Leon leidet unter einer Zerebralparese. Während der Geburt wurde sein Gehirn für zehn Minuten nicht durch Sauerstoff versorgt. Seitdem lebt er mit einer Spastik. Der Junge aus Bad Schwartau sitzt im Rollstuhl, kommuniziert über einen Sprach-Computer, ist ständig auf Pflege angewiesen – und seine Lebensfreude ist schlicht ansteckend.
„Leon ist ein Sonnenschein. Er winkt, wirft den Leuten Küsschen zu und hat sehr, sehr viele Freunde“, beschreibt Bernd seinen Pflegesohn, der 14 Tage nach seiner Geburt zu Bernd und dessen Frau in die Familie kam. Bernd schiebt eine kleine Anekdote hinterher: „In seiner alten Schule war Leon das einzige Kind in der Klasse, das nicht sprechen konnte. Wer aber wurde zum Klassensprecher gewählt? Leon.“
Mit Stolz spricht Bernd über „seinen Sohn“. Er unterscheidet dabei nicht zwischen Pflegesohn und leiblichem Sohn. „Seit seiner Geburt ist Leon durch die ständige Kommunikation, die vielen Hilfsmittel, das Lauf- und Sprechtraining noch nie stagniert in seiner Entwicklung. Manchmal passiert ein halbes oder ganzes Jahr fast nichts. Aber dann kommen auf einmal drei Worte, die mein Sohn vorher nicht sagen konnte!“ Bernd freut sich über jeden Fortschritt, den Leon macht.
Aber Bernd kennt auch die andere Seite der Pflege: die Momente der Erschöpfung, die Momente der Trauer.
Irgendwann schwindet die eigene Kraft
Vor acht Jahren, als Leon gerade einmal zwei war, starb Bernds Frau. Mit ihr hatte sich Bernd zu diesem Zeitpunkt neben Leon noch um drei weitere Pflegekinder gekümmert. „Natürlich war das hart“, sagt Bernd. Und trotzdem: Zeit für die eigene Trauerbewältigung blieb ihm kaum. Lieber setzte er seine Energie für Leon und die anderen Kinder ein.
Einige Jahre später machte sich das bemerkbar. Bernd rutschte in ein emotionales Loch: „Da erlebte ich sehr schwierige Monate, musste ständig von einem auf den anderen Augenblick heulen. Ich sorgte mich damals um das Haus, die Wohnung, selbstverständlich um Leon – nur nicht um mich!“ Eine Pflegeberaterin suchte in dieser Phase schließlich den Kontakt zu Bernd. Sie führte ihm vor Augen: Kümmert er sich nicht bald um sich selbst, hat er auch bald keine Kraft mehr für Leon.
Nach dem Krisengespräch mit der AOK-Pflegeberaterin gab Bernd seinen Sohn schließlich für ein paar Wochen in eine Pflegeeinrichtung an der Ostsee – und ging selbst in die Kur. „Das war der Anstoß, wieder mehr für mich selbst zu machen.“ Wie früher begann Bernd zu joggen, verbrachte mehr Zeit an der frischen Luft und ging regelmäßig in die Sauna.
„Es ist wie im Flugzeug“, erklärt Bernd Wiebens. „Wenn die Sauerstoffmasken fallen, soll man zunächst die eigene aufsetzen, bevor man sich um die Kinder kümmert. Das hat einen Sinn: Ich muss dafür sorgen, dass ich selbst sicher bin. Erst dann kann ich anderen helfen.“
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Was wirklich zählt
Heute weiß Bernd, wie er sich Auszeiten im Alltag nehmen kann. Dabei erlebt er die gemeinsame Zeit mit Leon nicht als Belastung: „Ich mache ja ganz viele Dinge mit Leon, die ich selbst mag. Wir gehen in den Zirkus, in den Freizeitpark, haben tolle Urlaube“, berichtet Bernd. „Zweimal haben Leon und ich jetzt schon in der Türkei Paragliding gemacht. Höher, schneller, weiter – das ist unser Ding!“
Bernd wünscht sich für seinen Sohn, dass er später einmal selbstbestimmt in einer Einrichtung für Betreutes Wohnen lebt. „Das ist mein Traum, dafür möchte ich die Weichen stellen. Auch wenn das Loslassen schwerfällt!“ Bis es soweit ist, gilt aber für Bernd: „Es gibt nichts Schöneres, als Leon in der Familie zu haben.“ Er versteht nicht, dass viele nur die Arbeit sehen. „Ja, es ist auch mal anstrengend, aber das steht nicht im Vordergrund. Im Vordergrund steht für mich, dass Leon glücklich ist, dass er lachen und weinen kann und vor allem, dass er seine Meinung sagen kann.“