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Immunsystem

Geschichte von Polio – trotz Impfung noch nicht besiegt

Veröffentlicht am:18.02.2025

5 Minuten Lesedauer

Polio ist eine Infektionskrankheit, die durch Viren ausgelöst wird. Seit dem Jahr 2002 ist Europa poliofrei, aber in einigen Ländern der Welt gibt es noch immer Krankheitsfälle. Doch warum gelingt es trotz der verfügbaren Impfung nicht, die Poliomyelitis auszurotten?

Eine Ärztin hält eine kleine Tropfflasche aus weißem Kunststoff in der Hand, um einem kleinen Kind eine Polio-Impfdosis in den Mund zu träufeln.

© iStock / Mayur Kakade

Was ist Poliomyelitis und wie lange gibt es die Erkrankung schon?

Die Poliomyelitis, kurz Polio, kennen viele Menschen unter der Bezeichnung „Kinderlähmung“. Der Begriff rührt daher, dass in Zeiten vor der Impfung vor allem Kinder erkrankten – sie verstarben an der hochansteckenden Polio oder wurden immun. Bei über 95 Prozent der Infizierten verläuft die Infektion ohne Symptome. Entwickeln Infizierte Symptome, ist das Nervensystem in der überwiegenden Anzahl der Fälle nicht involviert – stattdessen macht sich die Erkrankung unter anderem durch Magen-Darm-Beschwerden, Fieber, Übelkeit, Kopfschmerzen, Halsschmerzen und Muskelschmerzen bemerkbar. In fünf von hundert Fällen befällt der Poliovirus das Nervensystem, dann meist in Form einer Hirnhautentzündung mit Fieber, Nackensteifigkeit, Rückenschmerzen und Muskelkrämpfen.

Bei jedem Hundertsten bis Tausendsten der Infizierten kommt es zur gefürchteten Kinderlähmung. Nach einer Besserung der Symptome der Hirnhautentzündung kommt es zu einem erneuten Fieberanstieg und Lähmungen der Beine, Arme, der Bauchmuskeln oder der Muskeln am Brustkorb. Manchmal sind auch die Atem-, Sprech- und Schluckmuskulatur betroffen. Die erkrankten Kinder kamen dann in ein spezielles Gerät, die Eiserne Lunge, um sie zu beatmen. Auffällig war, dass Kinder oft an einem Tag noch gesund, am nächsten jedoch gelähmt (Morgenlähmung) waren. Die Krankheitserscheinungen rund um Polio sind schon mehr als 3.500 Jahre bekannt, allerdings traten lange Zeit nur vereinzelte Fälle auf. Das änderte sich Ende des 19. Jahrhunderts – hier grassierten alle fünf bis sechs Jahre Polioepidemien in Europa und Nordamerika. Im Jahr 1908 gingen Karl Landsteiner und Erwin Popper als Entdecker des Virus in die Geschichte ein.

Die Polioimpfung, ein weltweiter Durchbruch bei der Infektionsbekämpfung

Der erste Impfstoff gegen Polio wurde im Jahr 1955 entwickelt, und zwar durch Jonas Salk. Dabei handelte es sich um einen Totimpfstoff, Menschen wurden dabei abgetötete Erreger des Virus per Spritze verabreicht – nach Einführung der Impfung erkrankten deutlich weniger Menschen in den USA an Polio. Nur kurze Zeit darauf gelang es Albert Sabin im Jahr 1960, Personen auch einen Lebendimpfstoff, in Form der berühmten „Schluckimpfung“, bereitzustellen. In der DDR wurde diese Poliomyelitis-Impfung ab dem Jahr 1960 flächendeckend eingesetzt, in der Bundesrepublik Deutschland jedoch erst ab 1962 – dadurch kam es 1961 zu einer schweren Epidemie mit 3.300 gelähmten Kindern, in der DDR gab es hingegen nur vier Krankheitsfälle. Die Einführung der freiwilligen öffentlichen Schluckimpfung war nach dem anfangs zögerlichen Verhalten nun auch in der Bundesrepublik Deutschland eine Erfolgsgeschichte, die Krankheit wurde weitestgehend zurückgedrängt. Problematisch an dem Lebendimpfstoff ist, dass der abgeschwächte Poliovirus, der bei der Lebendimpfung verwendet wird, in seltenen Fällen im Magen-Darm-Trakt der Geimpften zurückmutieren kann. Daraus kann sich ein aggressiver Poliovirus entwickeln, der von betreffenden Personen ausgeschieden wird. So ist es möglich, dass ein geimpftes Kind ungeimpfte Personen in seiner Umgebung infiziert. Die Ständige Impfkommission empfiehlt deshalb seit 1998 nur noch den Einsatz des Totimpfstoffes.

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Wird heute noch gegen Kinderlähmung geimpft?

Die Poliomyelitis-Impfung gehört noch immer zu den empfohlenen Impfungen. Die Grundimmunisierung erfolgt bereits im Säuglingsalter. Die Ständige Impfkommission rät zudem zu einer Auffrischungsimpfung im Alter von neun bis sechzehn Jahren – Mediziner und Medizinerinnen verabreichen hier in der Regel einen kombinierten Impfstoff, der daneben auch vor Keuchhusten, Tetanus und Diphtherie, Hepatitis B und Hämophilus influencae schützt. Im Erwachsenenalter wird Personen keine weitere Auffrischimpfung nahegelegt, bei fehlender oder unvollständiger Impfung wird empfohlen, diese nachzuholen.

Angeschnittene Aufnahme einer Person, die in einem Rollstuhl sitzt.

© iStock / Danai Jetawattana

Eine Infektion mit Polioviren kann dauerhafte Lähmungen verursachen.

In welchen Ländern gibt es die Kinderlähmung noch?

Da der Mensch der einzige Wirt des Poliovirus ist, ist es möglich, diese schreckliche Krankheit durch Impfungen weltweit zu verdrängen. Die Weltgesundheitsorganisation setzte sich 1988 das ehrgeizige Ziel, Polio bis zum Jahr 2000 weltweit zu eliminieren. Zwar ist das nicht gelungen, der flächendeckende Einsatz des Impfstoffes im Rahmen der globalen Initiative zur Ausrottung der Poliomyelitis zeigt aber große Erfolge. Weltweit ging die Anzahl der Infektionen im Vergleich zu den 1980er-Jahren um 99,9 Prozent zurück. Von den drei verschiedenen Typen wilder Polioviren zirkuliert heute nur noch der Typ 1, insbesondere in Afghanistan und Pakistan. Auch im Kongo, in Mosambik, Französisch-Guyana und Guinea gibt es noch Poliomyelitisviren. In Deutschland hat sich zuletzt im Jahr 1990 ein Mensch mit wilden Polioviren angesteckt. Aus dem Ausland eingeschleppte Erkrankungen liegen ebenfalls bereits weit zurück – jeweils ein Importfall aus Ägypten und einer aus Indien wurden zuletzt im Jahr 1992 dokumentiert, hierzulande gilt die Krankheit demnach als ausgerottet.

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Darum ist es so schwer, die Poliomyelitis weltweit auszumerzen

Es gibt verschiedene Gründe, warum die Kinderlähmung noch immer eine Gefahr ist. Die weltweite effektive Impfung gelingt in manchen Regionen noch immer nicht. So ist die Poliomyelitis in Syrien im Bürgerkrieg wieder aufgelebt, in Nigeria führte ein Impfboykott vor einigen Jahren zum erneuten Anstieg. Dort, wo noch Lebendimpfstoffe eingesetzt werden müssen, besteht die Gefahr, dass die Impfviren sich im Magen-Darm-Trakt der Impflinge wieder zurück zu gefährlichen Viren verändern. Aus diesem Grund spricht sich die Weltgesundheitsorganisation dafür aus, dass nur in Risikoregionen wie Pakistan oder Nigeria Lebendimpfstoffe eingesetzt werden. Obwohl das Poliomyelitisvirus sich nur wenig verändert, besteht dennoch weiterhin die Gefahr, dass sich neue Mutationen entwickeln können, gegen die die Impfung nicht mehr wirkt. Im Kongo entdeckten Forschende im Jahr 2010 eine solche mutierte Form des Poliovirus. Daher bleibt es weiterhin wichtig, dass die Kinder in Deutschland gegen Polio geimpft werden und auch die Auffrischimpfung wahrnehmen. Nur so lässt sich verhindern, dass es nochmals eine solch schreckliche Polioepidemie gibt, wie zuletzt 1961.

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