Zum Hauptinhalt springen
AOK WortmarkeAOK Lebensbaum
Gesundheitsmagazin

Achtsamkeit

Warum Alleinsein kein Grund zur Sorge ist

Veröffentlicht am:16.11.2023

5 Minuten Lesedauer

Allein zu sein, gilt für viele Menschen als nicht erstrebenswert. Wer sich jedoch ab und zu bewusst für das Alleinsein entscheidet, kann daraus neue Energie schöpfen und einen neuen Blick auf sich selbst gewinnen.

Eine junge Frau genießt das Alleinsein im Wald.

© iStock / deimagine

Porträt von Dr. Oliver Huxhold

© DZA/ChristophSoeder

Dr. Oliver Huxhold, Psychologe und Forschungsleiter am Deutschen Zentrum für Altersfragen, erklärt im Interview, warum das Alleinsein oft negativ angesehen wird, tatsächlich aber viele Vorteile bieten kann.

Das Alleinsein kann positive Auswirkungen haben

Wie definieren Sie Alleinsein?

Alleinsein heißt zunächst nur die Abwesenheit von anderen Menschen. Das ist weder positiv noch negativ zu verstehen. Es kann dann entweder zu einem negativen Gefühl der Einsamkeit führen, wenn man ungewollt nicht genügend Menschen um sich hat oder die Menschen im Umfeld nicht genug emotionale Unterstützung bieten, um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Das Alleinsein kann aber auch positiv empfunden werden. Für diese positive Erfahrung sind vor allem drei Voraussetzungen wichtig:

  1. Das Alleinsein ist selbstgewählt. Ich wurde nicht dazu gezwungen, sondern habe es mir ausgesucht.
  2. Ich nutze die Zeit des Alleinseins für etwas, das für mich wichtig und sinnvoll ist, beispielsweise ein Hobby oder ein Erlebnis in der Natur.
  3. Ich spüre in dem Moment des Alleinseins, dass es mir gut geht, dass es etwas Befriedigendes bringt.

Wenn es mir mit dem Alleinsein gut geht, meldet es der Körper als positive Erfahrung. Wer sich mit dem Alleinsein nicht gut fühlt, wer unglücklich ist und eigentlich das Gefühl hat, Menschen treffen zu wollen, ist einsam. Es ist ein Warnsignal, das funktioniert wie Hunger und Durst und uns signalisiert, dass etwas mit unserem sozialen Umfeld nicht stimmt und wir andere Menschen aufsuchen sollten.

„Wenn es mir mit dem Alleinsein gut geht, meldet es der Körper als positive Erfahrung.“

Dr. Oliver Huxhold
Deutsches Zentrum für Altersfragen

Welche Vorteile hat das Alleinsein?

Das Alleinsein kann, wenn es selbstgewählt ist, verschiedene positive Auswirkungen haben. Wir können uns dadurch zum Beispiel erholen, Stress abbauen und wieder neue Energie gewinnen. Denn beim Alleinsein fällt der soziale Druck weg, dem wir sonst oft ausgesetzt sind. So fühlen wir uns freier, wir selbst zu sein. Solange wir in Gesellschaft mit anderen Menschen sind, achten wir meist darauf, wie wir uns verhalten. Wir beobachten zum Beispiel Gesichtsausdrücke, Körpersprache oder gesprochene Worte, um herauszufinden, ob anderen unsere Gegenwart angenehm ist und welche Erwartungen sie an uns stellen. Unser Gehirn versucht die Emotionen und Gefühle der anderen Menschen zu erkennen und zu verstehen. Dafür wenden wir viel Energie auf. Diese Prozesse fallen weg, wenn wir allein sind. Erst kürzlich haben Studien gezeigt, dass Menschen, die viel mit anderen Menschen interagiert haben, anschließend fast immer Zeit für sich allein suchten, um wieder Kraft zu schöpfen und zu regenerieren.

Das Alleinsein kann aber auch eine große Hilfe beim Lösen von Problemen sein und die  Kreativität steigern. In der Zeit, die man für sich allein hat, kann man Dinge über einen längeren Zeitraum durchdenken. Dabei betrachtet man womöglich auch sich selbst in einem anderen Licht, unabhängig von den Erwartungen, die andere Menschen an einen stellen. So lässt sich während des Alleinseins eine neue Sicht auf sich selbst entwickeln. Das ist ein extrem wichtiges Moment, um Lebensentscheidungen zu treffen und womöglich einen neuen Weg einzuschlagen.

Auch allein kann man glücklich sein

Warum wird das Alleinsein häufig als etwas Negatives angesehen?

Von außen betrachtet wird Alleinsein oft mit Einsamkeit verbunden. Ob sich aber jemand einsam fühlt oder ob er oder sie das Alleinsein genießt, ist ein subjektives Erlebnis. Das kann man nicht von außen beobachten oder beurteilen, man müsste stattdessen die Menschen direkt fragen und ihre persönlichen Bedürfnisse kennen. Viele Menschen zum Beispiel, die seit langem keine Beziehung haben, können eine fehlende Partnerin oder einen fehlenden Partner gut durch Freundinnen und Freunde oder Familienmitglieder kompensieren. Hinzu kommt, dass es Menschen gibt, die das Alleinsein als angenehmer empfinden als andere. So kommen beispielsweise introvertierte Menschen oft besser damit zurecht als extrovertierte Menschen.

Passende Artikel zum Thema

Wie lässt sich das Alleinsein am besten erleben?

Eines der positiven Erlebnisse des Alleinseins ist das Naturgefühl, das in der Romantik mit dem Begriff der Waldeinsamkeit beschrieben wurde. Dann geht man allein durch die Natur und kann seinen Gedanken nachhängen. Aber es kann auch ein Hobby sein, etwa die Modelleisenbahn im Keller, mit der man Zeit allein verbringt und dabei zu sich selbst findet. Dabei stellen sich positive Emotionen ein, man fühlt sich glücklich und entspannt und erlebt im besten Fall so etwas wie inneren Frieden. Übrigens sollte man das Smartphone dabei besser weglassen, um den Druck zu vermeiden, immer verfügbar zu sein und antworten zu müssen.

Versuchen, das Alleinsein als Geschenk zu betrachten

Lässt sich das Alleinsein lernen?

Es gibt sicherlich Situationen, in denen es sinnvoll ist, sich bewusst dem Alleinsein zu widmen. Wer es ausprobieren will, sollte sich zunächst fragen, warum er oder sie allein sein will und was er oder sie damit erreichen möchte. Welche Erfahrung könnte dabei das Ziel sein? Will man beispielsweise neue Energie schöpfen und Stress abbauen? Dann kann man Musik hören, ein Buch lesen oder ein Museum besuchen. In dem Moment sollte man versuchen, diese Situation als Geschenk zu betrachten. Wie lang solche Phasen des Alleinseins dauern sollten, hängt von den persönlichen Bedürfnissen ab. Die ideale Balance zwischen Alleinsein und Zeit in Gesellschaft kann jeder für sich selbst finden. Aber man sollte sich bewusst sein, dass das Alleinsein zeitlich begrenzt sein muss. Als soziale Wesen können wir schließlich auf Dauer nicht ohne andere Menschen auskommen. Der soziale Rückzug wäre der Weg in die Einsamkeit.

Eine ältere Frau malt ein Bild an einer Staffelei.

© iStock / skynesher

Bewusst gewählte Zeiten des Alleinseins können Raum für kreative Beschäftigungen wie Malen schaffen.

Muss man sich Sorgen machen, wenn man gerne allein ist?

Es ist kein Grund zur Sorge, wenn jemand gerne allein ist, aber das Alleinsein sollte jeder und jede in dem für sich richtigen Maß genießen. Menschen, die introvertierter sind und nicht so gerne auf andere Menschen zugehen, verbringen in der Regel gerne mehr Zeit allein. Es gibt jedoch Hinweise aus der Wissenschaft, dass positive Emotionen auch im Zusammenhang damit stehen, ob jemand viel unter Menschen geht. In einer Studie beispielsweise wurden die Teilnehmenden über einen Zeitraum von einer Woche angewiesen, sich auf einer Zugfahrt entweder extrovertiert oder introvertiert zu verhalten. Das Ergebnis war, dass das Wohlbefinden bei den Probanden höher war, wenn sie sich extrovertiert verhielten, als wenn sie introvertiert waren. Sich ein bisschen extrovertierter zu geben und mehr auf andere zuzugehen kann uns also glücklich stimmen.

„Es ist kein Grund zur Sorge, wenn jemand gerne allein ist, aber das Alleinsein sollte jeder in dem für sich richtigen Maß genießen.“

Dr. Oliver Huxhold
Deutsches Zentrum für Altersfragen

Waren diese Informationen hilfreich für Sie?

Noch nicht das Richtige gefunden?