Achtsamkeit
Resilienz trainieren – so stärken Sie Ihre Widerstandskraft
Veröffentlicht am:28.09.2021
8 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 17.05.2024
Resilienz beschreibt die Fähigkeit, belastende Situationen gut zu bewältigen. Wie diese psychische Widerstandskraft entsteht, welche Strategien Erwachsenen helfen und wie schon Kinder Resilienz lernen, erfahren Sie hier.
Was ist Resilienz?
Manche Menschen müssen in ihrem Leben viel ertragen: schwere Erkrankungen, Schicksalsschläge in ihren Beziehungen oder Todesfälle in ihrem nächsten Umfeld. Wie sie damit umgehen? Das ist individuell. Einige verlieren ihren Lebensmut und werden körperlich und psychisch krank. Andere richten sich wieder auf, schöpfen neue Kraft und meistern ihr Leben. Für diese Fähigkeit gibt es eine eigene Bezeichnung: Resilienz. Der Begriff geht auf das lateinische Verb resilire zurück – was übersetzt so viel heißt wie „abprallen“ oder „von einer Tätigkeit abspringen“. In der Psychologie ist damit Widerstandsfähigkeit gemeint: das Vermögen, belastende Situationen gut zu überstehen und im Idealfall sogar gestärkt daraus hervorzugehen.
Ein gutes Beispiel für eine hohe psychische Widerstandskraft findet man übrigens in der Welt der Kinderliteratur: die kleine Pippi Langstrumpf! Ihre Mama ist „im Himmel“, ihr Papa hat sie verlassen – das Mädchen steht im Prinzip ganz allein da. Aber anstatt sich ihrem Schicksal zu ergeben, nimmt sie ihr Leben selbst in die Hand. Pippi Langstrumpf verwandelt eine alte Bruchbude in ein gemütliches Zuhause, sucht sich Freundinnen und Freunde und ist sogar so stark, dass sie Thommy und Anika, die eher schüchternen Nachbarskinder, davon überzeugt, viele spannende Abenteuer mit ihr zu wagen. Pippis Lebensmotto: “Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut.”
Was Pippi Langstrumpf kann, bezeichnen Forschende als „positive Anpassung“. Gemeint ist damit, dass Betroffene bei belastenden Ereignissen, zum Beispiel der Erkrankung eines Angehörigen, ihr seelisches Ungleichgewicht durch ihre inneren Ressourcen ausgleichen können. Sie greifen sozusagen auf ihr inneres Potenzial zurück – auf ihr gesammeltes Wissen, ihre Erfahrungen, Fertigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale. Das zeigt aber auch: Resilienz ist uns nicht einfach in die Wiege gelegt. Sie entsteht hauptsächlich aus den Erfahrungen, die ein Mensch im Kindesalter macht. Nur zu einem geringen Teil baut die innere Widerstandsfähigkeit auf angeborenen Eigenschaften auf, etwa einem lebensfrohen Temperament.
Menschen, die auf wenig entsprechende innere Ressourcen zurückgreifen können, können ihr seelisches Ungleichgewicht schlechter oder gar nicht ausgleichen – man spricht dann auch von „negativer Anpassung“. Sie kann Folgen wie Burn-out oder sogar psychische Störungen mit sich bringen.
Die gute Nachricht: Resilienz ist eine Fähigkeit, die sich fördern lässt. Im Kindesalter vor allem von den Eltern und nahen Angehörigen – durch ein liebevolles, zugewandtes Umfeld. Und gleich noch eine zweite gute Nachricht hinterher: Selbst über die Kindheit hinaus können wir alle unsere Resilienz jederzeit fördern und stärken – bis ins hohe Alter. Wie das geht, erfahren Sie weiter unten.
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Wie groß ist Ihre Resilienz?
Sie fragen sich, wie es um Ihre eigene psychische Widerstandskraft bestellt ist? Um der Antwort einen Schritt näher zu kommen, beantworten Sie gerne die folgenden Fragen:
- Selbstwahrnehmung: Nehmen Sie Ihre Gefühle und Gedanken wahr, reflektieren und akzeptieren Sie sie? Können Sie die Sichtweise anderer Menschen auf das eigene Handeln nachvollziehen und einschätzen?
- Selbststeuerungsfähigkeit: Können Sie Ihre Gefühle gut kontrollieren und sich selbst beruhigen? Wissen Sie, was Ihnen guttut?
- Selbstwirksamkeitsüberzeugung: Kennen Sie Ihre Stärken und können Sie sie für sich gewinnbringend einsetzen?
- Angemessener Umgang mit Stress: Können Sie mit stressigen Situationen gut umgehen? Kennen Sie Bewältigungsstrategien?
- Problemlösekompetenz: Können Sie für Probleme schnell Lösungen finden?
Je mehr Fragen Sie mit Ja beantworten können, desto resilienter sind Sie. Resiliente Menschen wissen, was Ihnen wann hilft oder guttut. Sie sind davon überzeugt, mit ihrem Handeln etwas bewirken zu können. Ganz wichtig zu wissen: Kontakt zu anderen Menschen ist ein wichtiger Resilienzfaktor. Er fördert die eigene Wahrnehmung und den Selbstfindungsprozess. Auch Kinder sollten ab einem gewissen Alter in der Lage sein, sich in andere Menschen hineinzuversetzen (Empathie) und Konflikte zu lösen.
Soziale Bindungen eingehen
Umgeben Sie sich mit Menschen, die Ihnen guttun. So spüren Sie, dass Sie nicht allein in Ihrer Situation sind. Außerdem können Sie sich einer Gruppe anschließen, mit der Sie etwas unternehmen können und die Ihnen gleichzeitig Hilfe bietet. Isolieren Sie sich in schwierigen oder belastenden Situationen also nicht, sondern suchen Sie sich bei ausgewählten Personen gezielt Hilfe beziehungsweise nehmen Sie deren Unterstützung an.
Auf das körperliche Wohlbefinden achten
Selbstfürsorge ist ein wichtiger Grundstein für die psychische Gesundheit. Achten Sie auf ausreichend Schlaf, eine gesunde und ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung, etwa durch Yoga oder Pilates. Sind Sie mit Ihrem Körper im Einklang, können Sie auch Stress besser bewältigen. Vermeiden Sie es, Stress oder Schmerz mit Alkohol oder anderen Substanzen zu betäuben. Setzen Sie stattdessen Ihren Fokus auf das Verbessern Ihrer Ressourcen, um Stress zu mindern, anstatt ein kurzfristiges „Pflaster“ auf die Wunde zu kleben, das auf längere Zeit keine positive Wirkung zeigen wird.
Positiv denken
Auch wenn es in Krisensituationen verständlicherweise sehr schwerfallen kann – versuchen Sie, zuversichtlich zu bleiben. Vielleicht hilft Ihnen diese Strategie: Ändern Sie das, was Sie ändern können. Aus dem Rest machen Sie das Beste. Dafür können Sie sich auch Hilfe holen, etwa beim AOK-Selbsthilfeprogramm „moodgym“ oder bei Verbänden wie der Lebenshilfe oder der Caritas.
Resilienz trainieren – ein Beispiel
Eine schwerwiegende Diagnose zu erhalten, gehört wohl zu den belastendsten Lebenssituationen, denen wir ausgesetzt werden können. Wie können Menschen solche Nachrichten verarbeiten und trotz solch schwerer Schicksalsschläge ihren Lebensmut behalten? Das ist eine unglaubliche Herausforderung, bei deren Bewältigung wir Ihnen vielleicht mit einigen Ratschlägen helfen können:
- Verbringen Sie viel Zeit mit nahestehenden Personen, etwa Ihrer besten Freundin, Ihrem besten Freund und Familienangehörigen. Für eine ausgeprägt Resilienz sind Gemeinschaft und das soziale Umfeld besonders wichtig. Es kann auch helfen, mit Menschen Kontakt aufzunehmen, die Ähnliches durchmachen. Sie finden Sie zum Beispiel in Selbsthilfegruppen.
- Versuchen Sie, weiter aktiv am Leben teilzuhaben, Ihre Hobbys zu pflegen oder sich sogar ein neues zu suchen. All das hilft Ihnen, Ihr Gedankenkarussell zu verlassen.
- Machen Sie sich bewusst, dass es auch in Ihrer eigenen Hand liegt, wie Sie Ihr Leben mit der Diagnose gestalten. Sie sind nicht ganz und gar machtlos ausgeliefert. Schauen Sie Ihrer Behandlung zuversichtlich entgegen, gestehen Sie sich aber auch ein, wenn Sie diese Herausforderung allein nicht bewältigen können. Suchen Sie sich dann unbedingt professionelle Unterstützung.
Die Resilienz-Akuthilfe – in drei Schritten belastende Situationen meistern
Jede und jeder von uns nimmt Situationen unterschiedlich wahr. Manchmal reichen zum Beispiel auch schon kleinere Anlässe, um uns aus der Bahn werfen – eine unschöne Konfrontation mit dem Kollegen bei der Arbeit oder ein Familienstreit. Sie haben das Gefühl, die Situation wächst Ihnen über den Kopf? Dann versuchen Sie, erst einmal aus der Situation herauszutreten und die Ereignisse mit Abstand von außen zu betrachten. Wechseln Sie dazu den Ort, machen Sie einen Spaziergang oder etwas Vergleichbares, das Sie zur Ruhe bringt. Stellen Sie sich folgende Fragen: Was überfordert mich gerade? Was genau macht mir Angst, macht mich nervös oder traurig?
Dann machen Sie den nächsten Schritt: Wie ernst ist die Situation? Erschien sie mir vielleicht nur auf den ersten Blick unlösbar? Was brauche ich, damit es mir besser geht oder ich die Situation lösen kann? Schaffe ich das allein oder benötige ich Hilfe von Freunden, Freundinnen, der Familie oder einer Beratungsstelle?
Versuchen Sie es nun mit dem dritten Schritt: Welche positiven Effekte könnte die Situation für meine Zukunft haben? Macht Sie mich stärker? Bereitet sie mir vielleicht einen neuen Weg? Schreiben Sie alles auf. Sie werden sehen, schon nach diesen Fragen wird es Ihnen besser gehen: Sie nehmen die Situation und die Herausforderung proaktiv an und versuchen, sie lösungsorientiert zu betrachten. Yoga- oder Atemübungen können zusätzlich beruhigen und die Dynamik, die manche negativen Ereignisse mit sich bringen, stoppen. Wichtig ist immer: Ruhe bewahren und an sich glauben.
Resilienz fördern: Was macht Kinder stark?
Eltern können viel dazu beitragen, dass ihre Kinder Resilienz entwickeln und für die Herausforderungen des Lebens gewappnet sind:
- Selbstwirksamkeit: Bereits als Baby erleben Kinder das Prinzip der Selbstwirksamkeit: Wenn es zum Beispiel schreit, hat Ihr Baby bestimmte Bedürfnisse. Versuchen Sie, diese zu erkennen und zu erfüllen.
- Selbstwertgefühl: Kinder können nur dann ein gesundes Selbstbewusstsein aufbauen, wenn sie sich so geliebt fühlen, wie sie sind – mit all ihren Stärken und Schwächen.
- Selbstvertrauen: Sie können das Selbstbewusstsein Ihres Kindes stärken, indem Sie in seine Fähigkeiten vertrauen, es ermutigen und loben. Aufrichtiges und gezieltes Lob hilft Ihrem Kind, eigene Stärken und Schwächen besser wahrnehmen und damit umgehen zu können.
- Selbstständigkeit: Jedes Kind hat von Geburt an die Motivation, mit der Zeit selbstständiger zu werden. Geben Sie Ihrem Kind Gelegenheit, sich im Alltag auszuprobieren und seine eigenen Fähigkeiten besser kennenzulernen, beispielsweise beim Essen mit Besteck.
- Durchhaltevermögen: Wenn Kinder eine neue Fähigkeit entwickeln, bleiben sie so lange am Ball, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden sind. Geben Sie Ihrem Kind Zeit und Raum, eigene Lösungen zu finden und seine Fähigkeiten zu entfalten.
- Konfliktfähigkeit: Ob und wie Ihr Kind mit Streitigkeiten umgeht, hängt maßgeblich damit zusammen, ob und wie Konflikte in der Familie ausgetragen werden. Wichtig ist, dass Ihr Kind im Alltag immer wieder erfährt, dass seine Meinung genauso wie die der anderen respektiert wird.
- Mitgefühl und Nachempfinden: Empathie hängt mit dem Selbstempfinden, der kindlichen Ich-Entwicklung wie auch mit der sozialen Entwicklung des Kindes zusammen. Schon Babys machen diese Erfahrung, wenn sie Nähe und Zuwendung erleben. Sie begreifen dadurch, dass sie verstanden und angenommen werden.
Resiliente Kinder – darauf kommt es an
Resilienz kann trainiert werden – unabhängig vom Alter. Doch der Grundstein für eine stabile psychische Widerstandskraft wird bereits in Kindheitstagen gelegt. Ein positives Umfeld und verlässliche Bezugspersonen sind die Basis, um auch in späteren Jahren trotz Stressbelastungen gesund zu bleiben. Soziale Unterstützung, ob durch die Eltern oder eine andere Vertrauensperson, ist entscheidend für eine stabile Entwicklung. Wichtig ist aber vor allem, dass sich Ihr Kind sicher sein kann, jederzeit bei Ihnen oder einer anderen Bezugspersonen Halt und Unterstützung zu finden und Sie Ihr Kind so sehen, wie es ist. Sie sollten die Grundbedürfnisse befriedigen und auch individuelle Wünsche des Kindes ernstnehmen. Auch die äußeren Lebensumstände spielen eine Rolle – zum Beispiel gute Betreuungsangebote, Schule, Freizeitmöglichkeiten und Freunde. Dann stehen die Chancen gut, dass Ihr Kind auch schwierige Phasen in seinem Leben meistern wird.
Wo liegen die Grenzen der Resilienz?
Generell ist Resilienz für jeden förderlich, weil resiliente Menschen mit stressigen Situationen und Lebenslagen besser zurechtkommen. Sie schaffen es, gut auf sich zu achten und aktiv Grenzen zu setzen. Doch nicht alle Menschen besitzen das gleiche Maß an Resilienz, und selbst bei resilienten Menschen kann die innere Widerstandskraft im Laufe des Lebens stark schwanken; abhängig von individuellen Belastungsphasen. Resilienz bedeutet nicht, immun gegen jegliche Widrigkeiten zu sein. Manche Erfahrungen sind so schwerwiegend, dass sie auch resiliente Menschen belasten. Bei psychischen Erkrankungen wie einer Depression ist unbedingt psychotherapeutische Unterstützung erforderlich. Ein Training der Resilienz ersetzt keine Therapie!