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Achtsamkeit

Selbstliebe und Selbstakzeptanz: wie man lernen kann, sich selbst zu lieben

Veröffentlicht am:24.01.2022

7 Minuten Lesedauer

Nicht selten setzen wir uns selbst unter Druck: Selbstzweifel und eine übersteigerte Selbstkritik nagen dann an uns. Dabei können wir unser Wohlbefinden stärken, wenn wir uns selbst lieben, und zwar trotz der kleinen Fehler, die jeder von uns hat.

Eine blonde Frau schaut nachdenklich aus dem Fenster und grübelt über ihre Selbstliebe.

© iStock / mheim3011

Doch was ist, wenn wir Selbstliebe nicht kennen oder sie uns nicht gelingen mag? Können wir lernen, uns selbst mehr zu lieben?

Porträt von Prof. Dr. Astrid Schütz, Inhaberin des Lehrstuhls für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Bamberg, Coach und Leiterin des Kompetenzzentrums für Angewandte Personalpsychologie

© Universität Bamberg

Im Interview verrät Prof. Dr. Astrid Schütz, Inhaberin des Lehrstuhls für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik sowie Coach und Leiterin des Kompetenzzentrums für Angewandte Personalpsychologie an der Universität Bamberg, wie es uns gelingt, uns anzunehmen, wie wir sind.

Was genau ist Selbstliebe?

Wenn wir von Selbstliebe sprechen, meinen wir, dass wir auch dann noch gut zu uns selbst sind, wenn etwas einmal nicht gut gelaufen ist oder wenn wir mit unseren eigenen Unzulänglichkeiten konfrontiert sind. Es geht also darum, sich selbst zu akzeptieren – auch mit unseren Fehlern und Schwächen. Wichtig ist dabei, dass wir uns in Selbstmitgefühl üben – also, dass wir in schwierigen Situationen so mit uns selbst umgehen, wie wir es mit einer guten Freundin oder einem guten Freund tun würden. Das ist nicht immer einfach. Vor allem dann, wenn wir glauben, eine gewisse Schuld an einer Situation zu tragen. Eine positive Haltung sich selbst gegenüber, auch bei herausfordernden Erfahrungen, geht mit vielen positiven Aspekten einher. Sie fördert den Optimismus, die Lebenszufriedenheit und die emotionale Intelligenz. Wenn wir uns selbst lieben können, sind wir in der Regel auch glücklicher und offener für unser Gegenüber.

Wie äußert sich Selbstliebe?

Menschen mit einem gesunden Selbstwertgefühl sind in der Lage, sich entsprechend Selbstliebe entgegenzubringen. Sie akzeptieren sich und andere, wie sie sind – mit Fehlern und Schwächen. Selbstliebende Menschen stellen sich weder krankhaft selbstbezogen über ihre Mitmenschen noch leiden sie unter Selbstzweifeln. Außerdem nehmen sie eine mitfühlende Haltung sich selbst gegenüber ein, wenn sie mit unangenehmen Situationen konfrontiert sind oder negative Eigenschaften an sich selbst bemerken. Statt defensiv zu reagieren oder in harsche Selbstkritik zu verfallen, gehen sie freundlich mit sich selbst um. Sie erleben die Situation bewusst und reflektieren. Sie analysieren ihr Denken, Fühlen und Handeln. Außerdem versuchen sie, sich selbst das zu geben, was ihnen in diesem Moment guttut. Menschen, die sich selbst lieben, kaschieren eigene Schwächen nicht, sondern versuchen, aus Fehlern zu lernen und an Misserfolgen zu wachsen. Sie machen sich bewusst, dass alle Menschen Unzulänglichkeiten haben und niemand perfekt ist.

„Menschen, die sich selbst lieben, kaschieren eigene Schwächen nicht, sondern versuchen, aus Fehlern zu lernen und an Misserfolgen zu wachsen.“

Prof. Dr. Astrid Schütz
Inhaberin des Lehrstuhls für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik sowie Coach und Leiterin des Kompetenzzentrums für Angewandte Personalpsychologie an der Universität Bamberg

Wie grenzen Experten Selbstliebe von Egoismus ab?

Einige Menschen nehmen an, dass eine mitfühlende Haltung sich selbst gegenüber mit Egoismus verbunden ist. Forschungsbefunde zeigen allerdings: Wer sich selbst mitfühlend begegnet, ist nicht besonders egoistisch. Vielmehr ist eher das Gegenteil der Fall. Eine Studie liefert beispielsweise Hinweise darauf, dass Liebende ihren selbstmitfühlenden Partner als besonders fürsorglich wahrnehmen. Ob mehr Selbstmitgefühl auch mit mehr Mitgefühl anderen gegenüber einhergeht, ist allerdings nicht klar – hier gibt es widersprüchliche Studienergebnisse. Fest steht jedoch, Egoismus schließt unsere Mitmenschen aus – egoistische Personen stellen sich mit ihrem Ego über andere. Selbstliebe hingegen befähigt uns zu Empathie und bezieht andere Menschen mit ein. Außerdem haben wir in einer Studie gezeigt, dass Menschen, die sich in einer Beziehung als mächtig erleben, eher bereit sind, der anderen Person zu vergeben.

Warum mangelt es manchen Menschen an Selbstliebe?

In der Kindheit erfahren wir in der Regel zum ersten Mal stabile Beziehungen zu anderen Menschen, zum Beispiel zu unseren Eltern. Sie prägen den Begriff von Urvertrauen, indem sie uns annehmen und wahrnehmen. Tatsächlich spielen die Beziehung zu den Eltern und frühkindliche Erfahrungen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von gesundem Selbstwert und der späteren Fähigkeit zum Selbstmitgefühl. Forscher bringen eine mütterliche Unterstützung, ein harmonisches Familienleben sowie eine sichere Bindung zu den Eltern mit Selbstmitgefühl im Jugendalter in Verbindung. Wenn wir Lob, unabhängig vom Wohlverhalten oder Erfolg, hören, begünstigt das unseren Selbstwert. Der Selbstwert und die Selbstliebe sind übrigens eng miteinander verknüpft. Untersuchungen zeigen, dass der Selbstwert vorhersagen kann, wie viel Selbstmitgefühl eine Person Jahre später entwickelt.

Was passiert, wenn es mir an Selbstliebe fehlt?

Gehen wir sehr kritisch mit uns selbst um, machen wir es uns sowohl in Leistungssituationen als auch in sozialen Situationen schwer. Menschen mit Selbstzweifeln setzen sich Ziele, die unter ihren Potenzialen liegen – das heißt, sie verpassen auch Gelegenheiten, sich zu beweisen und Herausforderungen zu meistern. In Beziehungen fällt es ihnen schwer zu glauben, dass der Partner sie schätzt. Diese Selbstzweifel und der daraus womöglich resultierende Wunsch nach Bestätigung sind Belastungsfaktoren für Beziehungen. So können Teufelskreise entstehen. Dazu können wir uns Folgendes vorstellen: Eine Frau hat in der Vergangenheit nicht die Sicherheit elterlicher Bindung erlebt und leidet deshalb später an Selbstzweifeln. Durch diese Selbstzweifel glaubt die Frau, ihrem Partner nicht gerecht werden zu können. Sie ist immer wieder auf der Suche nach Bestätigung, erhält sie diese nicht, verstärkt das die Selbstzweifel – die Verunsicherung und das Risiko für Streitigkeiten wachsen.

Ein geringer Selbstwert und eine fehlende Selbstliebe stehen auch in Zusammenhang mit Angst, Depression und Stress.

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Gibt es einfache Selbstliebe-Übungen für den Alltag?

Es gibt viele Techniken, die wir ganz einfach in den Alltag einbauen können, auch wenn wir wenig Zeit haben. Wichtig ist in allen Fällen Übung. Eingeschliffene Muster verändern sich nicht von heute auf morgen. Je mehr Selbstmitgefühl wir praktizieren, umso schneller machen wir eine selbstmitfühlende Haltung zur Gewohnheit.

  • Positives anerkennen: Wenn wir am Abend und am Ende der Woche darüber nachdenken, was gut lief und was wir selbst dafür getan haben, ist das eine erste Übung. Sie stammt übrigens aus der sogenannten Positiven Psychologie. Bei der Übung findet ein Perspektivwechsel statt – wir richten unseren Blick nicht auf das halb leere, sondern auf das halb volle Glas.
  • Der Gedankenstopp: Negative Gedanken wie „Immer passiert mir so etwas“ können unseren Selbstwert oder auch unsere Selbstliebe beeinträchtigen. Mit dem Gedankenstopp unterbrechen wir negative Gedanken, zum Beispiel, indem wir laut „Stopp“ sagen. 
  • In sich hineinspüren: Vielen Menschen hilft es in schwierigen Situationen, bewusst in sich hineinzuhören. Sie tun sich etwas Gutes, indem sie sich fragen „Was brauche ich gerade, was tröstet mich?“.
  • Die Selbstmitgefühlserkundung: Wenn wir eine Situation als schwierig erleben, machen wir uns bei der Übung im ersten Schritt bewusst, dass die Situation gerade schwierig ist. Das wahrzunehmen und anzuerkennen ist sehr wichtig. Im zweiten Schritt führen wir uns vor Augen, dass auch andere Menschen solche schwierigen Erfahrungen kennen und wir nicht alleine damit sind. Dieser Schritt hilft uns zu erkennen, dass kein Mensch perfekt ist. Im letzten Schritt können wir uns die Frage stellen, was wir jetzt hören möchten, damit es uns besser geht. Das können beispielsweise Sätze sein, wie „Möge ich geduldig sein“ oder auch „Möge ich mich so akzeptieren, wie ich bin“. Dabei betrachten wir uns selbst, leben im Hier und Jetzt und bewerten uns nicht – das Stichwort heißt Achtsamkeit.
  • Sich selbst wie den besten Freund behandeln: Wenn ein guter Freund einen schlechten Tag hat, an sich selbst zweifelt oder Fehler macht, bringen wir ihm großes Verständnis entgegen. Außerdem haben wir immer tröstende und stärkende Worte parat. Das Gleiche können wir auch für uns selbst tun. Wenn wir uns in einem Konflikt befinden oder unzufrieden mit uns selbst sind, können wir mehr Verständnis für uns aufbringen und uns eigene Stärken vor Augen führen.
Ein junger Mann sitzt lächelnd auf dem Sofa und denkt über Selbstliebe nach.

© iStock / shapecharge

Negative Gedanken beeinflussen unsere Selbstliebe und -akzeptanz. Es gibt Übungen, die dabei helfen, diese Gedanken zu stoppen.

„Je mehr Selbstmitgefühl wir praktizieren, umso schneller machen wir eine selbstmitfühlende Haltung zur Gewohnheit.“

Prof. Dr. Astrid Schütz
Inhaberin des Lehrstuhls für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik sowie Coach und Leiterin des Kompetenzzentrums für Angewandte Personalpsychologie an der Universität Bamberg

Die Universität Bamberg bietet derzeit online einen Selbsttest zum Thema Achtsamkeit an, bei dem Teilnehmende automatisch ihr individuelles Ergebnis erhalten. Außerdem können sie dort auch kostenlos an einem Online-Training „Emotionale Kompetenz“ teilnehmen.

Mehr Achtsamkeit führt zu mehr Selbstliebe: Die AOK unterstützt

Selbstliebe schwingt im Leben als begleitendes Grundgefühl mit. Selbstakzeptanz lernen heißt, sich mit der eigenen Wahrnehmung, den Gefühlen und dem Handeln auseinanderzusetzen.

Ein Achtsamkeitstraining kann Ihnen dabei helfen, Ihren Geist und Ihre Wahrnehmung zu schulen. Mit verschiedenen Übungen lernen Sie, Situationen richtig wahrzunehmen und sie so einzuschätzen, wie sie tatsächlich sind.

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