Achtsamkeit
Selftracking: Die Vor- und Nachteile der Selbstüberwachung
Veröffentlicht am:09.12.2024
5 Minuten Lesedauer
Mit Apps und diversen Gadgets wie smarten Uhren sowie Ringen behalten Nutzende ihren Kalorienverbrauch, ihre tägliche Schrittzahl, die Herzfrequenz und vieles mehr im Blick. Doch ist es wirklich gesund, diese Werte ständig zu kontrollieren?
Was ist Selftracking und warum ist es so beliebt?
Die Bezeichnung „Selftracking“, auch „Self Monitoring“ genannt, bedeutet übersetzt so viel wie „Selbstverfolgung“ oder „Selbstüberwachung“. Einfacher macht das die rasante technische Entwicklung, mit der Interessierte ständig Zugriff auf neue Anwendungen und tragbare Sensoren erhalten, um Daten über sich selbst zu sammeln. Smartphone-Apps oder sogenannte Wearables wie Fitnesstracker, Smartwaches oder smarte Ringe versorgen Nutzende mit einer Vielzahl an Informationen, die einen Rückschluss auf ihre Gesundheit zulassen sollen. Sie geben Auskunft über die Schlafqualität, das Bewegungsverhalten, die Stimmung, den Blutzucker und informieren über viele weitere physiologische Zustände. Die Technologien haben sich nicht nur einer kostengünstigeren und besseren Gesundheitsversorgung verschrieben, sondern vermitteln den Nutzerinnen und Nutzern auch das Gefühl, dass sie ihre eigene Gesundheit managen können. Diese Zielsetzungen, die Hersteller mit den Produkten verfolgen, kommen bei vielen Menschen gut an. Das größte deutsche Marktforschungsinstitut GfK führte in insgesamt sechzehn Ländern eine Onlineumfrage durch, wonach 33 Prozent der Internetnutzenden sich mithilfe einer Online- oder Mobilanwendung, einem Fitnessband, einem Clip oder einer Smartwatch überwacht.
Welche Vorteile hat die Selbstüberwachung?
Forschende haben sich mit der Frage beschäftigt, ob das Selftracking tatsächlich zur Gesundheit beiträgt. Sie fanden Hinweise darauf, dass die Selbstüberwachung die Selbstregulation unterstützen kann. Personen erhalten mit den Technologien Informationen über sich selbst und können bei aufgedeckten Abweichungen, zum Beispiel vom Schrittziel, darauf reagieren und mehr Bewegung in ihren Tagesablauf einbauen. Zudem wünschen sich die meisten Menschen eine positive Sicht auf sich selbst, eine Bestätigung dieser Sicht oder eine Selbstoptimierung. Geben Tracker eine positive Rückmeldung, kann das die Nutzenden darin bestärken, ihren Lebensstil fortzuführen. Die Trackingsysteme machen Ziele sichtbar und schaffen Anreize, wie virtuelle Abzeichen, um sie zu erreichen – auch das kann gesundes Verhalten stärken, wie eine Studie zeigt. In dieser Studie wurden die Auswirkungen des zweiwöchigen Tragens eines Fitnesstrackers untersucht. Hierzu teilte man Studierende aus Österreich zufällig in zwei Gruppen ein: Eine Gruppe mit und eine Gruppe ohne Aktivitätstracker. Es zeigte sich, dass in der Gruppe der Studierenden, die über zwei Wochen hinweg einen Aktivitätstracker trugen, diese im Vergleich zu der Kontrollgruppe über einen geringen, jedoch statistisch bedeutsamer Anstieg ihrer wahrgenommenen körperlichen Gesundheit und Leistungsfähigkeit berichteten. Studienteilnehmende, die wussten, dass ein Gerät ihre Schritte zählt, gingen zudem auch mehr Schritte als Studienteilnehmende, die nichts vom Tracking wussten.
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Welche Risiken birgt das Selftracking zur Selbstoptimierung?
Immer alles im Blick und bei Bedarf das eigene Verhalten auf Kurs bringen – das klingt erst einmal gut, die ständige Selbstüberwachung hat aber auch Nachteile. Nicht alle Menschen ticken gleich. Manche fühlen sich von einem negativen Feedback vielleicht angespornt, bei anderen leidet das Selbstwertgefühl, wenn sie die geforderten Ziele nicht erreichen. Untersuchungen legen nahe, dass sich durch Selftracking Angst, Stress und ungesundes Verhalten verstärken können. Frauen, die ihre Fruchtbarkeit überwachten, zeigten beispielsweise Anzeichen von Angst oder Stress, wenn das Tracking ihnen sagte, dass sie ihr Ziel, schwanger zu werden, wahrscheinlich nicht erreicht haben. Exzessives Überwachen von Ernährungsgewohnheiten kann hingegen Essstörungen begünstigen oder verstärken. Einige Nutzende nehmen körperliche Aktivität beim Einsatz von Trackingsystemen zudem eher als Arbeit wahr und verspüren dadurch weniger Freude oder Wohlbefinden. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Bestimmung von Werten nicht bedeutet, dass Menschen auch wissen, was damit zu tun ist. Wer beispielsweise laut Gesundheitsapp schlecht schläft, erhält nicht automatisch eine Empfehlung für einen besseren Schlaf. Dient die Selbstüberwachung zur Selbstoptimierung, gibt es das Risiko, dass Nutzende niemals mit ihrem Zustand zufrieden sind, ganz nach dem Motto: „Da geht immer noch mehr!“
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Wie sieht es mit dem Datenschutz bei Gesundheitsapps und Trackern aus?
Wie jemand schläft, was er gerne isst und wie viel er sich bewegt – das würden die meisten Menschen als sensible Daten beschreiben. Doch den Datenschutz und die Sicherheit zu gewährleisten, ist beim Selftracking eine große Herausforderung. Anders als bei Medizinprodukten müssen Hersteller bei Gesundheitsapps und Wearables die europäischen Datenschutzrichtlinien nicht einhalten. Wer die Einverständniserklärung akzeptiert, stimmt der Sammlung und Verwertung der Daten zu, meist ohne zu wissen, wie die Nutzung aussieht. Viele wissen auch nicht, welche Möglichkeiten es innerhalb der Anwendung gibt, um die eigenen Daten zu verwalten, manche von ihnen scheuen auch den Aufwand, die Einstellungen anzupassen.
Ist die Selbstüberwachung nun ratsam oder nicht?
Beim Selftracking gibt es kein Patentrezept, das zu jedem Menschen passt. Während einige sich mit dem Tracker und der Analyse der eigenen Daten sehr wohl fühlen, führt die Kontrolle bei anderen eher zu Verunsicherung. Deshalb ist es wichtig, kritisch zu hinterfragen, ob die Nutzung das eigene Wohlbefinden unterstützt. Dazu kann beispielsweise ein Selftracking-Tagebuch beitragen, in dem Nutzerinnen und Nutzer jeden Tag über einige Wochen aufschreiben, ob die Messung positive oder negative Gefühle, Motivation oder eher Desinteresse hervorgerufen hat. Grundsätzlich ist es sinnvoll, einen realistischen Ansatz für sich selbst zu entwickeln. Losgelöst von Vorgaben wie „10.000 Schritte am Tag“ oder „Acht Stunden Schlaf in der Nacht“ sollte das Selftracking dazu ermutigen, die körperlichen Fähigkeiten, aber auch die eigenen Grenzen, zu erkunden.
3 Tipps für ein gelungenes Selftracking
Die eigenen Werte zum Schlaf, zur Bewegung und vielem mehr mit einem Trackinggerät zu erfassen, kann zu einer gesunden Lebensführung beitragen und sogar Spaß machen. Folgende Tipps können Ihnen dabei helfen:
- Stressfallen vermeiden: Sie sollten sich anfangs mit Ihrem Trackinggerät, also zum Beispiel Ihrer Smartwatch, dem cleveren Ring oder dem Schrittzähler auseinandersetzen. Dabei lohnen sich ein Blick auf die Benachrichtigungsoptionen und eine individuelle Einstellung. Dass die Fitnessuhr am Handgelenk vibriert, wenn Sie zu lange sitzen, oder die tägliche Zusammenfassung der analysierten Daten per Push-Nachricht aufs Handy kommt, kann schnell zur Stressfalle werden.
- Gemessene Werte hinterfragen: Beim Selftracking ist nicht immer alles so, wie es scheint. Erhöhte Stresswerte deuten beispielsweise nicht zwangsläufig auf psychische oder emotionale Ausnahmesituationen hin. Ein Smartring oder andere Wearables messen Stress durch physiologische Gegebenheiten – wer sich viel auf der Arbeit bewegt und anstrengt, kann erhöhte Vitalparameter aufweisen, die missverständlich als Stress interpretiert werden. Daher prüfen Sie die Werte am besten auf Sinnhaftigkeit.
- Nicht dem Optimierungswahn verfallen: Menschen, die sich selbst aufmerksam tracken, erhalten mit Daten zu vielen Lebensbereichen so etwas wie das „gläserne Ich“. Das verlockt dazu, die Werte verschiedener Tage miteinander zu vergleichen und auch mit anderen Personen in Konkurrenz zu gehen. Der Selbstoptimierungsdrang kann jedoch das Wohlbefinden negativ beeinflussen – Sie sollten daher nicht versäumen, ohne Gerätschaften in sich hineinzuhorchen und sich die Frage zu beantworten: Wie geht es mir?