Entspannung
Das Immunsystem stärken mit Wechselduschen und Saunagängen?
Veröffentlicht am:22.03.2021
5 Minuten Lesedauer
Die Nase läuft, der Hals kratzt und der Kopf schmerzt: Im Winter leiden viele Menschen unter grippalen Infekten. Oft ist zu lesen, dass Abhärtung durch Wärme und Kälte unser Immunsystem stärkt. Gibt es Studien, die den Nutzen von Wechselduschen oder Saunagängen belegen?
Inhalte im Überblick
- Was versteht man unter „Abhärten“?
- Körper abhärten mit Wechselduschen: Das sagt die Wissenschaft
- Immunsystem stärken mit Saunagängen?
- Wassertreten nach Kneipp: Was ist dran an der Abhärtungsmethode?
- Fazit: Derzeit keine Effekte belegbar
- Sauna & Co.: Einfach mal ausprobieren
- Regelmäßiger Sport kann Abwehrkräfte stärken
Was versteht man unter „Abhärten“?
Infektionen der Atemwege, umgangssprachlich Erkältungen oder grippale Infekte genannt, gehören zu den häufigsten Ursachen von Krankheitstagen. Das geht aus dem AOK-Fehlzeitenreport 2020 hervor. Nach Muskel-Skelett-Erkrankungen (22,4 Prozent) und psychischen Erkrankungen (11,9 Prozent) treten Atemwegserkrankungen bereits an dritter Stelle (11,8 Prozent) auf. Seit Jahrhunderten gibt es Ratschläge und Theorien, wie man sich abhärten kann. Unter „Abhärten“ im naturheilkundlichen Sinne versteht man vor allem Wechselduschen, Sauna-Anwendungen oder Wassertreten nach Kneipp. Ziel ist, mit Wärme und Kälte im Wechsel das Immunsystem zu stärken. Aber funktioniert das wirklich? So ist die Studienlage:
Körper abhärten mit Wechselduschen: Das sagt die Wissenschaft
Ärzte aus den Niederlanden haben 3.000 gesunde Erwachsene in eine Studie aufgenommen. Alle Teilnehmer hatten im Vorfeld normale Gewohnheiten. Sie duschten lauwarm oder warm, mieden aber kalte Duschen oder gar Wechselduschen. Für die Untersuchung wurden sie in zwei Gruppen eingeteilt: Manche Probanden sollten ihre Gewohnheiten beibehalten. Sie zählten zur Kontrollgruppe. Andere wiederum, die sogenannte Interventionsgruppe, wurden gebeten, sich einen Monat lang nach dem normalen Duschen für 30, 60 oder 90 Sekunden lang unter kaltes Wasser zu stellen. Das entspricht in etwa einer Temperatur von 10 bis12 Grad Celsius.
Am Ende der Studie werteten die Forscher Krankheitstage aus und befragten alle Teilnehmer. Dabei ergab sich eine geringere Zahl an Krankheitstagen bei den Probanden, die kalt duschten. Dieses Ergebnis wurde von den Forschen des unabhängigen österreichischen Cochrane Zentrums als wenig vertrauenswürdig bewertet, da augenscheinlich auch Krankheitstage wegen Verletzungen, Operationen und psychischen Erkrankungen mitgezählt wurden und etliche Unklarheiten bestehen. Bei der Auswertung der Lebensqualität gab es keine Unterschiede.
Eine sehr kleine und methodisch schwache Studie aus dem Jahr 1990 lieferte Anhaltspunkte dafür, dass Wechselduschen über ein halbes Jahr hinweg zu weniger Erkältungen führen, und dass der Verlauf milder ist. Eingeschlossen wurden 25 Erwachsene, die das sogenannte Hydrotherapie-Programm (Wechselduschen) durchliefen. 25 ähnliche Menschen wurden als Kontrollgruppe herangezogen. Effekte zeigten sich frühestens nach drei Monaten.
Immunsystem stärken mit Saunagängen?
Ähnlich beliebt wie Wechselduschen sind, gerade in skandinavischen Ländern, Saunabesuche. Was sie wirklich bringen, wollten finnische Wissenschaftler herausfinden. Für ihre Studie erfassten sie die Gewohnheiten von 1.935 gesunden, erwachsenen Männern. Die Teilnehmer saunierten unterschiedlich oft. Das Besondere an der Studie war die lange Nachbeobachtungszeit von 25,6 Jahren. Während dieser Zeit wurden 379 Fälle von Entzündungen der Atemwege in Krankenhäusern diagnostiziert.
Tatsächlich war das Risiko, eine Lungenentzündung zu entwickeln, in der Gruppe mit vier oder mehr Saunabesuchen pro Woche um 28 Prozent niedriger, verglichen mit der Gruppe, die einmal oder seltener pro Woche saunierte. Erkältungen oder leichte grippale Infekte wurden bei dieser Untersuchung nicht erfasst. Unklar ist, ob die Saunabesuche für die wenigeren Lungenentzündungen verantwortlich waren, oder ob die Menschen, die häufiger pro Woche saunieren, auch ansonsten mehr Sport treiben und gesundheitsbewusster leben.
Wassertreten nach Kneipp: Was ist dran an der Abhärtungsmethode?
Auch das Wassertreten nach Kneipp soll zur Abhärtung beitragen. Man bewegt sich auf der Stelle in kaltem Wasser. Stellt sich ein starkes Kältegefühl ein, sollte man die Anwendung unterbrechen und nach dem Erwärmen wiederholen. Forscher aus Deutschland wollten wissen, was sich dabei im Körper tut. An ihrer Studie nahmen 24 Erwachsene teil, von denen zwölf ein klassisches Kneipp-Programm durchliefen. Die anderen zwölf Personen dienten als Kontrollgruppe. Tatsächlich fanden die Wissenschaftler mehr spezifische Botenstoffe der Immunabwehr und mehr weiße Blutkörperchen (sogenannte T-Lymphozyten) im Blut der Kneipp-Gruppe.
Die Zahl der Atemwegsinfekte war in beiden Gruppen gleich. Aber durch die Wasseranwendungen schienen solche Erkrankungen milder zu verlaufen. Da die Studie sehr klein war und die Ergebnisse auch rein zufällig sein können, muss man auch diese Ergebnisse mit Vorsicht deuten.
Fazit: Derzeit keine Effekte belegbar
Welches Fazit lässt sich daraus ziehen? Die Cochrane Collaboration, ein Zusammenschluss unabhängiger Wissenschaftler, hat Ende 2019 diverse Studien ausgewertet. Sie kam zu dem Ergebnis, dass es keine hochwertigen Belege dafür gibt, dass kaltes Duschen, kaltes Baden oder Kaltwassertreten nach Kneipp zu weniger grippalen Infekten führt.
Da hochwertige Studien nicht vorhanden sind, bleibt es somit weiter eine Glaubensfrage, ob Wechselduschen, Kaltwassertreten oder Saunieren gegen Erkältungskrankheiten abhärten.
Sauna & Co.: Einfach mal ausprobieren
Trotz der schlechten Datenlage lohnt es sich, zu testen, ob Sauna oder Wechselduschen das eigene Wohlbefinden verbessern und auch das Immunsystem stärken können. Wer gesund ist, braucht außer den normalen Saunaregeln nichts zu beachten. Patienten mit Vorerkrankungen sollten aber erst mit ihrem Arzt sprechen. Starke Temperaturänderungen, wie sie beim Saunieren auftreten, belasten vor allem das Herz-Kreislauf-System. Internisten raten Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder mit sehr hohem Blutdruck vom Saunieren ab. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob Ihr Blutdruck gut genug eingestellt ist, um Saunieren gehen zu können
Auch bei erhöhter Körpertemperatur und Fieber ist die Sauna tabu. Menschen mit Lungenerkrankungen sollten ebenfalls auf das Saunieren verzichten. Für Diabetiker spricht generell nichts dagegen, falls man die Stoffwechselerkrankung gut im Griff hat. Jedoch sollte direkt vor dem Saunabesuch kein Insulin gespritzt werden.
Regelmäßiger Sport kann Abwehrkräfte stärken
Etwas bessere Daten gibt es zur Frage, ob moderates bis starkes Training das Immunsystem kräftigt. Wer regelmäßig körperlich aktiv war, hatte im Blut mehr entzündungshemmende weiße Blutkörperchen, also regulatorische T-Zellen – und zwar unabhängig von der Außentemperatur beim Sporttreiben. Das geht aus einer Studie hervor, die 2016 im „The Journal of Allergy and clinical Immunology“ erschienen ist. Auch grippale Infekte scheinen bei regelmäßigem Sport seltener aufzutreten, aber auch hier sind die vorhandenen Studien recht klein.