Motivation
Drei Frauen, drei Generationen: im Gespräch über das Älterwerden
Veröffentlicht am:31.05.2022
7 Minuten Lesedauer
Die Lebensqualität steigt Studien zufolge mit dem Älterwerden. Wie empfinden das Frauen unterschiedlicher Generationen? Ein Gespräch über Glücklichsein, Motivation – und wie wir aus den Erfahrungen anderer lernen können.
Dr. Mina Kianfar (37) wuchs mit zwei älteren Brüdern auf und lernte dadurch früh, sich zu behaupten. Eine Eigenschaft, die ihr heute auch in ihrem Beruf als Juristin zugutekommt. In ihrer Freizeit liebt es die Mutter einjähriger Zwillinge, auf dem Surfbrett zu stehen. Für ein aktives Leben möchte sie möglichst lange fit bleiben.
Cecilia Farias Marchant (51) ist Kommunikationswissenschaftlerin. Mit intensivem Sport hat sie spät angefangen, um sich gezielt eine Auszeit vom Alltagsstress zu nehmen. Die Effekte spürte sie schnell: mehr Kraft, Ausdauer und Zufriedenheit.
Greta Silver (74) hat den Ruhestand offiziell zum Unruhestand erklärt. Mit 66 Jahren startete die Autorin und Podcasterin den YouTube-Kanal „zu jung fürs Alter“, um ihre Lebensfreude weiterzugeben.
Was bedeutet das Älterwerden als Frau heutzutage?
Die Jugend liegt hinter uns, das Alter noch in der Ferne. Und wir sind mittendrin – mit vielen Fragen: Wie wird sich unser Leben mit den Jahren verändern? Was bedeutet es heute, als Frau älter zu werden? Welche schönen Erfahrungen, welche Ängste begleiten diese Zeit? Und was lässt uns lange gesund und glücklich sein? Wir haben Dr. Mina Kianfar, Cecilia Farias Marchant und Greta Silver eingeladen, sich darüber auszutauschen.
Greta: Mina, du bist die Jüngste in unserer Runde. Denkst du schon an das Älterwerden?
Mina: Ja, verstärkt, seitdem ich Mutter bin. Ich bin so sehr im Hier und Jetzt gefangen, dass ich oft den Eindruck habe, nur noch zu funktionieren. Ich frage mich, wann ich wieder selbstbestimmter leben kann und ob ich im Alter noch die Kraft habe, neue Dinge auszuprobieren.
Cecilia: Ganz sicher! Ich fühle mich heute zum Beispiel um einiges fitter als mit 40. Ich laufe Marathon und fahre Rennrad. Außerdem engagiere ich mich mit meinem Sohn und meiner Tochter für den guten Zweck, sammle Spenden für erkrankte Kinder. Es tut gut, etwas zu bewegen. All das gibt mir so viel Energie.
Greta: Genau diesen Tatendrang braucht es meiner Meinung nach, um glücklich und gesund älter zu werden. Ich selbst spüre durch mein aktives Leben mein Alter nicht. Die meisten aber klappen das eigene Lebensbuch zu und beklagen, dass sich Neuanfänge nicht mehr lohnen. Dabei ist die Spanne von 60 bis 90 genauso lang wie die von 30 bis 60. Zeit, in der noch so einiges möglich ist. Das haben nur viele Menschen nicht vor Augen.
Mina: Also ist Altern auch Kopfsache?
Greta: Absolut! Der Gedanke, „Ich bin gespannt, was die Zukunft für wunderbare Chancen für mich bereithält“, schenkt mir mehr Zuversicht und lässt mich mutiger handeln, als wenn ich glaube:„Es wird später alles schrecklich sein“.
„Ein stabiles soziales Netzwerk ist mir wichtig – auch mit Blick auf später.“
Dr. Mina Kianfar
Juristin
Mina: Aber ein paar schwierige Seiten hat das Älterwerden ja auch – oder?
Cecilia: Ich komme gerade in die Wechseljahre, das ist für mich schon eine Umstellung. Mein Körper verändert sich, ich schlafe plötzlich schlechter. Die grauen Haare sprießen immer mehr, und es kommen Falten dazu.
Greta: Ja – und sie stehen für gelebtes Leben! Das ist doch etwas Schönes und macht einen Menschen umso interessanter. Ich kann nur sagen: Ich habe noch nie so versöhnt mit meinem Körper gelebt wie jetzt. Wenn ich 90 bin, wird es wahrscheinlich noch toller sein.
Mina: Wieso bist du da so zuversichtlich?
Greta: Weil ich gelernt habe, meinen Körper wertzuschätzen, mich um ihn zu kümmern. Er ist mein Lebensfreund, der mir so viel ermöglicht. Ich habe gemerkt, dass ich mich auf zehn Jahre alten Fotos gar nicht so schlecht fand wie zum Zeitpunkt der Aufnahme. Auch deshalb habe ich beschlossen, mich jetzt schon zu mögen. Meine Figur ist kein Statussymbol mehr für andere, mit dem ich etwas signalisieren muss.
Cecilia: Was mich aber doch beschäftigt, sind Krankheiten. Dieses Risiko kann ich schwer einschätzen. Daher gehe ich regelmäßig zur Vorsorge – zum Glück sind die Werte gut.
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Greta: Erkrankungen lassen sich natürlich nur bis zu einem gewissen Grad beeinflussen. Aber man kann selbst viel tun, um gesund zu bleiben. Ich habe mit etwa 60 Jahren meine Ernährung umgestellt. Ich verzichte auf Zucker und Weißmehl, weil mich beides unglaublich müde macht. Auch Bewegung ist wichtig: Pilates, Kniebeugen und Hula-Hoop gehören zu meinem Tagesprogramm, um die Muskeln zu stärken.
Mina: Ich möchte meine frühere Fitness unbedingt wiedererlangen, weil ich im Alter sonst vielleicht körperliche Nachteile habe. Ich hatte mit Anfang 30 durch das viele Sitzen am Computer ständig Rückenschmerzen. Erst durch gezieltes Krafttraining habe ich sie langfristig in den Griff bekommen. Obwohl meine Zeit knapp ist, nehme ich mir jeden Morgen 15 Minuten für meine Übungen. Gleichzeitig esse ich viel gesünder, wenn ich Sport treibe: viel Gemüse, Salat und Obst. Damit tue ich mir bewusst etwas Gutes.
Was macht mich glücklich?
Greta: Es ist so wichtig, auf sich selbst zu achten – in allen Bereichen. Früher dachte ich immer: Die Menschen um mich herum sind dafür verantwortlich, mir das zu geben, was ich brauche. Ich war 30, als ich erkannte: Das kannst nur du allein! Was gehört für mich zu einem glücklichen Leben – und was kann ich selbst jeden Tag dafür tun? Diese Fragen sollte man sich immer wieder stellen.
„Meinem jüngeren Ich würde ich gerne sagen: ,Du bist gut genug, so wie du bist!‘“
Cecilia Farias Marchant
Kommunikationswissenschaftlerin
Cecilia: Ich habe erst mit 40 angefangen, mehr auf mich und meine Bedürfnisse zu achten. Vorher versuchte ich immer, den Erwartungen anderer zu genügen, in allem perfekt zu sein. Meinem jüngeren Ich würde ich sagen: „Fordere den Freiraum für dich ein, den du brauchst.“ Und: „Du bist gut genug, so wie du bist!“ Eine positive Grundeinstellung und der Mut, für sich selbst einzustehen, tragen einen so viel besser durchs Leben.
Greta: Und auch das Wissen, dass einen Krisen stärker machen. Ich war 19, als mein Vater plötzlich starb und meine heile Welt zerbrach. Ich fragte mich: Ist im Leid auch etwas, das mir das Leben geschenkt hat? Ja – ich war schlagartig erwachsen geworden.
Mina: Wenn man schwierige Situationen meistert, erkennt man seine wahre Stärke. Ich kenne das zum Beispiel aus dem Job. Als Anwältin muss ich mich immer wieder in komplexe Fälle einarbeiten und vor Gericht bestehen. Das ist anstrengend, aber es bringt mich weiter. Und vielleicht wird es mir auch im Alter helfen, neue Aufgaben zu bewältigen.
Motivation auch im hohen Alter
Cecilia: Man sollte seinen Kopf auf jeden Fall ständig herausfordern. Ich möchte zum Beispiel unbedingt Klavier und Querflöte lernen und mich auch beruflich noch weiterentwickeln.
Greta: Das schaffst du! Wir können schließlich immer dazulernen – auch im hohen Alter. Das Gehirn ist nur im Stand-by-Modus und braucht unsere Neugier und die Begeisterung, um wieder anzuspringen.
Cecilia: Die habe ich! Um meine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren, erstelle ich Jahrespläne. Was will ich in den nächsten zwölf Monaten erreicht haben? Das kann ein Trainingserfolg sein oder auch ein regelmäßiger Termin mit der besten Freundin. Und noch weiter gedacht: Wo sehe ich mich in fünf, wo in zehn Jahren?
Mina: Treffen mit Freunden würden bei mir weit oben auf der Liste stehen. Ich habe einen engen Freundeskreis, mit dem ich alle schönen und schweren Momente teile. Wir fahren auch gemeinsam in den Urlaub, entlasten uns bei der Kinderbetreuung. Ein stabiles soziales Netzwerk ist mir wichtig – auch mit Blick auf später.
Cecilia: Ich nehme aus jedem Gespräch mit Freunden etwas mit, das mich inspiriert und das Leben aus einer anderen Perspektive betrachten lässt. Das möchte ich nicht missen.
Greta: Und Freundschaften kann man auch noch im Alter schließen. Das habe ich an meiner Mutter gesehen, als sie ins Altersheim zog. Die Frauen haben viel miteinander gelacht, gemeinsam gebastelt oder gestrickt. Wenn es bei mir zu langweilig wird und ich Hilfe brauche, würde ich ebenfalls dorthin gehen.
Gemeinsam alt werden
Cecilia: Mich beschäftigt auch gerade, wie ich im Alter einmal leben werde. Was wird, wenn mein Sohn aus dem Haus ist? Bleibe ich in der Stadt oder suche ich mir mit meinem Partner etwas im Grünen? Freunde von uns wohnen in einem Ort außerhalb Berlins mit jungen und alten Leuten. Man begegnet sich und ist im Austausch miteinander. Das Konzept finde ich toll.
„Mit 74 geht es endlich um das, was mir guttut.“
Greta Silver
Autorin und Podcasterin
Mina: Ich denke über ein Mehrgenerationenhaus nach, in dem wir dann mit meiner Mutter leben. Es wäre schön, sie um uns zu haben. Sie ist so eine starke Frau, nie wehleidig und bei allem mit Freude dabei. Das hält sie jung – genauso wie der Umgang mit den Enkeln. Ich kann mir auch vorstellen, später mit mehreren Generationen zusammen unter einem Dach alt zu werden.
Cecilia: Egal wie ich mich entscheide – das Wichtigste ist für mich, regelmäßig mit meinen Lieben zusammenzukommen: Wir essen gemeinsam, reden und genießen den Moment.
Greta: Ja, das schätze ich besonders an der dritten Lebensphase: nicht mehr gejagt vom Alltag zu sein. Mit 74 geht es um das, was mir guttut. Diese Zeit jetzt ist so kostbar.
Cecilia: Man spürt so klar deine innere Zufriedenheit. Gleichzeitig ist da solche Lust, noch viele verrückte Pläne umzusetzen. Für mich fügen sich alle Erfahrungen, die ich gemacht habe, wie Puzzleteile immer weiter zu einem großen Ganzen. Ich denke, das Leben wird mit den Jahren einfach immer besser.