Motivation
Trotz Angst vor einer möglichen Krebsdiagnose zur Vorsorge gehen
Veröffentlicht am:06.06.2023
5 Minuten Lesedauer
„Es geht nicht darum angstfrei zur Krebsvorsorge zu gehen, sondern darum, es überhaupt zu tun“, davon ist Psychotherapeut und Buchautor Thorsten Padberg überzeugt. Er weiß: Was uns starke Angst macht oder überfordert, wird vermieden.
Eine AOK-Umfrage zeigt: Viele meiden anstehende Früherkennungsuntersuchungen, weil die Angst vor der Untersuchung oder einer möglichen Diagnose oft groß ist. Dabei kann durch die Entdeckung und Entfernung von Krebsvorstufen der Entstehung von Krebs vorgebeugt oder durch eine Krebsfrüherkennung die Prognose der Erkrankung deutlich verbessert werden.
Im Gespräch wirft Thorsten Padberg (Buchautor, Psychotherapeut und Dozent für Verhaltenstherapie) einen Blick auf die „Präventionshürden“, zeigt auf, wie sie sich verhindern lässt – und verrät, warum es nützlich sein kann, sich den eigenen Ängsten zu stellen.
Viele ängstigt eine mögliche Krebsdiagnose. Was lindert diese Angst?
Nun, niemand freut sich über eine Krebsdiagnose. Natürlich erzeugt das Ängste. Aber genau deswegen ist es so wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Früherkennung einem höheren Zweck dient – nämlich dazu, etwas für die eigene Gesundheit zu tun. In diesem Sinn könnte man sich selbst auch ein wenig zusätzlich motivieren: Zum Beispiel dadurch, dass man erst den nächsten Urlaub bucht, wenn man die fällige Früherkennungsuntersuchung wahrgenommen hat. Gleichzeitig tut man so auch etwas dafür, dass man noch viele weitere schöne Urlaube erleben kann.
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Ist die Angst vor einer Krebsdiagnose denn irrational?
Das ist ein wenig zweischneidig: Absolut gesehen ist die Gefahr, eine Krebsdiagnose zu bekommen, relativ gering. Die Angst ist also in den meisten Fällen unbegründet. Leider stärkt das gleichzeitig eine „Mich wird es schon nicht treffen“-Haltung. Also sollte man sich dann paradoxerweise doch ein wenig Angst machen – allerdings vor den langfristigen Folgen. Man sollte sich immer vor Augen halten: Krebsfrüherkennung kann in vielen Fällen dazu führen, dass man noch rechtzeitig eingreifen kann. Dass es Hilfe gibt und die Krankheit besser behandelt werden kann, wenn sie noch nicht so weit fortgeschritten ist, eben weil man zur Früherkennung gegangen ist.
„Man sollte sich immer vor Augen halten: Krebsfrüherkennung kann in vielen Fällen dazu führen, dass man noch rechtzeitig eingreifen kann.“
Thorsten Padberg
Buchautor, Psychotherapeut und Dozent für Verhaltenstherapie
Häufig empfinden Menschen auch irrationale Ängste, die sie blockieren.
Es gibt Möglichkeiten, die verhindern, dass Ängste das eigene Handeln beeinflussen oder gar einschränken. Als erstes sollte geklärt werden, ob die bestehende Angst wirklich rationaler Natur ist. Ist das nicht der Fall, kann man versuchen, sich selbst oder in Gesprächen mit Anderen klarzumachen, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gibt.
Doch nicht immer funktioniert diese Strategie – und neuere Ansätze zeigen, dass das auch gar nicht nötig ist: Angst kann nämlich auch nützlich sein. Im Alltag kämpfen wir ständig gegen Ängste an. Etwa, wenn wir eine für uns attraktive Person ansprechen (trotz der Angst, abgewiesen zu werden) oder ein selbstgemachtes Kunstwerk ausstellen (obwohl andere darüber lachen könnten). Das ist bei einer Früherkennungsuntersuchung nicht anders. Das Motto ist dann: „Ich und meine Angst gehen zum Arzt.“ Es geht nicht darum, es angstfrei zu tun, sondern darum, es überhaupt zu tun.
AOK-Kampagne „Deutschland, wir müssen über Gesundheit reden“
Regelmäßige Untersuchungen zur Früherkennung von Krebserkrankungen sind sehr wichtig – und wirksam, denn noch gutartige Vorstufen können dabei erkannt und behandelt werden. Um die Aufmerksamkeit für das Thema Krebsfrüherkennung zu erhöhen und anspruchsberechtigte Menschen zu motivieren, das Vorsorgeangebot wahrzunehmen, hat die AOK die Kampagne ins Leben gerufen. Das Interview mit Herrn Padberg entstand als Teil einer Experten- und Expertinnen-Interviewreihe im Rahmen dieser Reihe und soll dabei helfen, Gespräche über Gesundheit und Krebsvorsorge und -früherkennung zu fördern und vermeintliche Tabus zu brechen.
Wie gehen Sie als Therapeut mit Angstbewältigung um?
Verhaltenstherapie ist berühmt für ihre Konfrontationstaktiken. Dort wird dann genau das getan, wovor man sich selbst am meisten fürchtet. Das Gute an dieser Form der Angstbewältigung ist, dass die Angst in der Regel geringer wird, wenn man sich ihr stellt. Der Klassiker ist die Höhenangst, bei der man dann auf einen Turm klettert und solange oben bleibt, bis die Angst nachlässt. So wird ein Lernprozess ausgelöst: Mir ist dort nichts passiert, also ist es wohl nicht so gefährlich.
Wie spreche ich Familie oder Freunde an, die ich zur Vorsorge motivieren möchte?
Es liegt nahe, dafür einen entspannten Moment zu nutzen. Ein einfacher Einstieg wäre beispielsweise, von der eigenen Früherkennungsuntersuchung zu erzählen – und deutlich zu machen, dass dabei nichts Unangenehmes passiert ist. So bleibt das Thema präsent und vielleicht wird dann doch die nächste Gelegenheit genutzt, um selbst eine Untersuchung wahrzunehmen.
Um dabei eine Bevormundung des Gegenübers zu vermeiden, arbeitet man am besten nicht mit Druck, sondern bringt die eigene Sorge zum Ausdruck. Dabei kann es auch ratsam sein, offen zu besprechen, wie und wann man selbst die eigenen Früherkennungsuntersuchungen hat vornehmen lassen.
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Wie kann man einander beim Umgang mit Ängsten helfen?
Eine Angst ins Lächerliche zu ziehen oder zu bagatellisieren, bringt meist nichts. Ängste sollte man immer erst einmal ernst nehmen – aber das allein reicht nicht aus. Es ist wichtig, auch immer Optionen aufzeigen, wie man mit der jeweiligen Angst umgehen kann: Manchmal hilft es beispielsweise, jemanden bis zum Arzt oder zur Ärztin zu fahren oder zur Untersuchung zu begleiten.
Man sollte dennoch nicht vergessen, dass die Teilnahme an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen eine freiwillige Entscheidung jedes Einzelnen ist. Der gemeinsame Bundesausschuss beispielsweise stellt online Informationen zur Verfügung, die dabei helfen können, den Nutzen und Aufwand einer anstehenden Früherkennungsuntersuchung zu erkennen. Das könnte ein guter Start sein, sich mit der eigenen Gesundheitsvorsorge näher zu beschäftigen.
Zugegebenermaßen kann Krebsvorsorge und -früherkennung manchmal ein unangenehmes Thema sein – deswegen ist es aber umso wichtiger, offen darüber zu sprechen.