Motivation
Was mentale Stärke bedeutet und wie sie erlernt werden kann
Veröffentlicht am:03.04.2023
7 Minuten Lesedauer
Vor allem im Leistungssport spielt mentale Stärke eine entscheidende Rolle. In angespannten Situationen fokussiert zu bleiben und Bestleistungen abzurufen, lässt sich trainieren – und auch im Beruf anwenden. Hier erfahren Sie, wie.
Mentale Stärke: Wann sie wichtig ist
Der Druck und die Erwartung sind riesig. Nach monatelangem Training für einen sportlichen Wettkampf will man nun Bestleistungen abliefern. Der Körper ist topfit und einsatzbereit, aber macht auch der Kopf mit? Oder kommen die Zweifel: Was, wenn ich scheitere? Was, wenn mir der gleiche Fehler passiert, der mich bei einem früheren Wettkampf den Sieg gekostet hat?
Leistungssportler und Leistungssportlerinnen kennen das Problem: Ohne mentale Stärke lässt sich ein Wettkampf nicht gewinnen. In einer höchst angespannten Situation reibungslos zu funktionieren und alles Gelernte abrufen zu können, erfordert eine besondere Fähigkeit: Sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Negative Gedanken auszublenden. Im Moment zu bleiben, ohne an Vergangenheit und Zukunft zu denken.
Die gute Nachricht: Mentale Stärke kann jeder lernen – sie lässt sich trainieren. Und das ist nicht nur für Leistungssportler und -sportlerinnen relevant. Auch im Beruf lassen sich Herausforderungen und Karriereziele mit mentaler Stärke besser erreichen.
Was zeichnet mental starke Menschen aus?
Was es bedeutet, mental stark zu sein, formulieren Forscher und Forscherinnen in einer systematischen Übersicht verschiedener Studien zur „Mental Toughness“ (englisch für „mentale Stärke“) in etwa so: Mentale Stärke befähigt Menschen dazu, effektiv mit Herausforderungen umzugehen und unter Druck zu bestehen. Aufgrund des hohen Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten sind mental starke Personen befähigt, proaktiv nach Herausforderungen zu suchen, an denen sie wachsen können.
Das 4C-Modell für mentale Stärke unterscheidet vier Komponenten:
- Kontrolle (control): Mental starke Menschen halten die Dinge für kontrollierbar.
- Selbstverpflichtung (commitment): Mental starke Menschen halten trotz auftretender Schwierigkeiten an ihren Zielen fest.
- Herausforderung (challenge): Mental starke Menschen suchen nach Herausforderungen. Sie sehen die Herausforderung als Möglichkeit, an ihnen zu wachsen.
- Selbstwirksamkeit (confidence): Mental starke Menschen glauben an ihre Fähigkeiten.
Mentale Stärke: Das können Berufstätige lernen
Ob bei Bewerbungsgesprächen, Gehaltsverhandlungen oder Abgabeterminen – auch in der Berufswelt müssen Leistungen unter Druck oder Stress abrufbar sein. Dabei können Berufstätige viel von Spitzensportlern und Spitzensportlerinnen lernen.
Zum Beispiel sich auf Stärken zu konzentrieren, nicht auf Schwächen. Sich auf den Moment zu fokussieren, negative Gedanken auszublenden und ganz bei sich zu sein. Angst vor Fehlern oder möglichen Folgen sind dabei ebenso fehl am Platze wie sich selbst unter Druck zu setzen. Das Ausmalen einer möglichen Folge führt zum Beispiel zu Nervosität.
Besser: Sich auszumalen, wie man sich fühlt, wenn man die entsprechende Situation gemeistert hat. Wie Sportler und Sportlerinnen können sich auch Berufstätige auf den „Wettkampf“ vorbereiten, in dem sie die Situation visualisieren, sie in Gedanken durchgehen, mögliche schwierige Stellen ausmachen und sich argumentativ darauf vorbereiten. Das Führen von Selbstgesprächen kann dabei sehr hilfreich sein. Manchen hilft es auch, sich vor den Spiegel zu stellen und laut zu sagen: Ich schaffe das!
Mental stark, resilient oder robust – was sind die Unterschiede?
Es gibt einige weitere Begriffe, die dem der mentalen Stärke ähneln:
- Resilienz: Der Begriff lässt sich mit psychischer Widerstands- und Anpassungsfähigkeit übersetzen. Wer das Vermögen hat, Stress und belastende Situationen gut zu überstehen und im Idealfall sogar gestärkt aus ihnen hervorzugehen, wird in der Psychologie als resilient bezeichnet.
- Hardiness: Der Begriff lässt sich mit „Robustheit“ übersetzen. Er meint die Persönlichkeitseigenschaft, auch unter großen Belastungen mit Stress so umzugehen, dass man gesund bleibt. Unglückliche Umstände werden zu Erfahrungen, aus denen man lernt.
Sowohl Resilienz als auch Hardiness (Robustheit) greifen jeweils Aspekte auf, die mentale Stärke ausmachen. Es liegen aber auch Unterschiede vor. Der Begriff Hardiness beschreibt beispielsweise die Widerstandsfähigkeit gegen Stress, aber nicht das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Für die mentale Stärke ist das aber ein entscheidender Punkt.
Resilienz und mentale Stärke ähneln sich darin, dass beide Eigenschaften dazu befähigen, sich an Widrigkeiten anzupassen. Resilient sind diejenigen, die sich positiv an Belastungen und Stress anpassen können, die von außen auf sie einwirken. Mental stark zu sein, bedeutet aber zusätzlich, dass Herausforderungen proaktiv aufgesucht werden.
Mentale Stärke: So beeinflussen Sie ihre Gedanken positiv
Jeder und jede ist ihr im (Berufs-) Alltag schon mal begegnet: Angst beziehungsweise Nervosität. Aber wie geht man am besten mit ihr um beziehungsweise lässt sie nicht an sich ran? Auch hier kommt Hilfe aus dem Spitzensport. Mit der ABC-Theorie lernen Sportler und Sportlerinnen zum Beispiel den Umgang mit den eigenen Gedanken. A steht dabei für „activating event“ (Reiz), B für „belief“ (Bewertung des Reizes) und C für „consequences“ (das Verhalten aufgrund der Reizbewertung).
Beispiel: Eine Präsentation steht an (Reiz). Der Gedanke an die Präsentation: Ich werde mich blamieren, Fehler machen, rot werden und so weiter (Bewertung des Reizes). Die Folge: Ich habe Angst vor der Präsentation (Verhaltenskonsequenz).
Jeder schreibt – bewusst oder unbewusst – gewissen Situationen also eine Bedeutung zu. Ist dieser Prozess erstmal erkannt, können Sie ihn beeinflussen, in dem Sie sich zum Beispiel fragen: Was macht mir Angst? Warum macht mir das Angst? Was kann ich tun, dass mir die Situation keine Angst mehr macht? Auch hier hilft übrigens eine positive Grundeinstellung: Fehler macht jeder. Aus Fehlern lernt man. Fehler sind also für mein Weiterkommen wichtig.
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Wie lässt sich mentale Stärke trainieren?
Der Sportpsychologe Hans Eberspächer, der zahlreiche Athleten und Athletinnen, Teams und Trainer sowie Trainerinnen auf die Olympischen Spiele und auf Weltmeisterschaften vorbereitet hat, beschreibt in seinem Standardwerk „Mentales Training“ (Stiebner Verlag), wie leistungssporttreibende Menschen mentale Stärke gezielt trainieren können. Seine Tipps lassen sich aber auch von Menschen anwenden, die ihre berufliche Karriere vorantreiben oder sich in einer Führungsposition beweisen wollen.
Nach Eberspächer ist es für Sportler und Sportlerinnen entscheidend, bestimmte kognitive Fertigkeiten regelmäßig zu trainieren. Nur dann kann auch das Training der motorischen Fertigkeiten (zum Beispiel das Ausführen bestimmter Bewegungsabläufe) gelingen.
Zu den mentalen Trainingsformen, mit denen sich die kognitiven Fähigkeiten verbessern lassen, gehören zum Beispiel:
- Selbstgesprächsregulation: Durch die Steuerung von Selbstgesprächen können Leistungsreserven abgerufen werden. Schwankt ein Sportler oder eine Sportlerin im Wettkampf zwischen Zuversicht und Zweifeln, kann er oder sie Selbstgespräche so regulieren, dass Zuversicht bleibt, einen Erfolg zu erzielen.
Das funktioniert zum Beispiel über Selbstmotivierungstechniken: Man kann sich etwa mit Selbstinstruktionen motivieren („Gibt nicht auf!“), sich seine eigenen Fähigkeiten vergegenwärtigen („Ich bin besser vorbereitet als der Gegner“) oder sich selbst loben.
- Selbstwirksamkeitserwartung: Ob ein Sportler oder eine Sportlerin positive oder negative Erwartungen hinsichtlich der Wirksamkeit des eigenen Handelns hat, hat Einfluss auf das Handeln. Etwa wie sehr und wie lange er oder sie sich anstrengt.
Die Selbstwirksamkeitserwartung lässt sich zum Beispiel mit dem sogenannten Prognosetraining stärken: Nachdem die Anforderungen und das Ziel einer Trainingseinheit bestimmt wurden, gibt der Sportler eine Prognose über das Ergebnis ab. Anschließend wird das Ergebnis festgestellt, analysiert und die Prognose überprüft. Durch die Eigenerfahrung wird eine realistische Selbstwirksamkeitserwartung aufgebaut.
- Aktivierungsregulation: Mit „Aktivierung“ ist das physische und psychische Erregungsniveau einer Person gemeint. Um eine Leistung erfolgreich zu erbringen, ist ein bestimmtes, individuelles Aktivierungsniveau entscheidend. Wenn ein Sportler oder eine Sportlerin etwa zu aufgeregt ist, kann das die motorischen Abläufe stören. Ist er oder sie hingegen zu gelassen und unaufmerksam, kann das ebenfalls zu Störungen führen. Zielrichtungen der Aktivierungsregulation sind also entweder Entspannung oder Mobilisation.
Zur Entspannung sind verschiedenen Maßnahmen hilfreich:
- Sich langsam oder gar nicht bewegen und Muskelspannung abbauen, indem man sich auf die Ausatmung konzentriert.
- Eine reizarme, ruhige Umgebung aufsuchen oder selbst herstellen (durch das Hören ruhiger Musik).
- Die Wahrnehmung mental auf Ruhe und Entspannung einstellen. Mit der Methode der Selbstgesprächsregulation ein angenehmes Befinden herstellen.
- Auch das Erlernen von Entspannungstechniken wie dem Autogenen Training und der Progressiven Muskelentspannung hat sich bewährt.
Zur Mobilisation können diese Maßnahmen beitragen:
- Sich schnell und schwunghaft bewegen. Das funktioniert beispielsweise mit Seilspringen oder Sprinten. Dabei auf die Einatmung konzentrieren.
- Eine reizreiche, anregende Umgebung aufsuchen oder herstellen (durch das Hören anregender Musik).
- Die Wahrnehmung mental auf Herausforderung einstellen. Durch die Methode der Selbstgesprächsregulation können Druck und Power erzeugt werden.
Mentale Stärke: So erreichen Sie Ihre Ziele
Ziele festzulegen und zu erreichen, schaffen Sie nicht nur mit positivem Denken. Im Leistungssport wird dafür unter anderem die WOOP-Methode angewendet. Sie geht wie folgt:
Konzentrieren Sie sich auf ein Ziel, das Sie haben („wish“). Es sollte realistisch und innerhalb eines absehbaren Zeitraums erfüllbar sein. Formulieren Sie das Ergebnis Ihres Ziels so konkret es geht („outcome“). Sie wünschen sich eine bessere Kommunikation am Arbeitsplatz? Ihr schönstes „Outcome“ wäre dann zum Beispiel: Weniger Missverständnisse, bessere Stimmung im Team.
Jetzt gehen Sie mehr in die Tiefe. Welche Hindernisse („obstacles“) könnte es auf diesem Weg geben? Dies können hier zum Beispiel alte Verhaltensmuster oder vorgefasste Meinungen einzelner Teammitglieder sein. Aber auch eigene Ängste, zum Beispiel vorm Scheitern oder vor der Verantwortung in der Führungsrolle.
Im letzten Schritt versuchen Sie dann Lösungen zu finden beziehungsweise Wenn-Dann-Pläne zu erarbeiten („plan“). Fragen könnten hierbei sein: Wie kann ich im Vorfeld die konkreten Hindernisse beziehungsweise Ängste vermeiden? Wie kann ich handeln, wenn sie trotzdem auftauchen? Sie bereiten sich also nicht nur auf eventuell schwierige Situationen vor, sondern auch auf deren Bewältigung – und erreichen so Ihr Ziel am besten.