Wie wir unsere Ziele erreichen

Prof. Dr. Gabriele Oettingen ist Professorin für Psychologie an der New York University und der Universität Hamburg. Ihr Schwerpunkt ist die Pädagogische Psychologie und Motivation.

Das kann viele Gründe haben. Es kann etwa an den eigenen, individuellen Hindernissen liegen, also an bestimmten Angewohnheiten, Emotionen oder auch irrationalen Überzeugungen. Diese Hindernisse sind oft nicht leicht zu überwinden. Genau deswegen brauchen wir eine wirksame Strategie, um unsere Ziele zu erreichen.

Sie meinen: Ich stelle mir einfach vor, dass ich meinen Morgenlauf schon hinter mir habe? Auf den ersten Blick mag solch ein positives Denken eine sinnvolle Methode sein. Aber es ist nicht ganz so einfach. Unsere motivations-psychologische Forschung der letzten 20 Jahre hat gezeigt, dass positives Denken allein nicht hilft, Wünsche zu erfüllen. Im Gegenteil!

Ein Beispiel aus einer Untersuchung: Hochschulabsolventen und -absolventinnen, die besonders positiv fantasiert haben, wie reibungslos der Übergang in das Berufsleben sein wird, haben zwei Jahre später weniger verdient und weniger Jobangebote bekommen. Wir haben auch herausgefunden, dass Menschen, die ausschließlich positiv über ihre Zukunftsperspektiven nachdenken, zwar kurzfristig gute Stimmung aufweisen, langfristig aber eher unter depressiver Verstimmung leiden.

Wenn man positiv über die Zukunft träumt, dann fühlt man sich schon angekommen. Dadurch lässt die Energie nach, man entspannt sich. Und dann bringt man nicht mehr die nötige Anstrengung auf, um das Ziel zu erreichen, und hat letztlich weniger Erfolg.

Nein, positive Gedanken über eine erwünschte Zukunft sind wichtig. Sie entstehen aus unseren Bedürfnissen und geben dem Handeln die Richtung. Daher sollten wir unsere Wünsche ernst nehmen. Das Problem ist: Sie nehmen uns die Energie, die wir brauchen, um sie zu realisieren.

Durch mentales Kontrastieren. Hier geht es darum, zunächst einen wichtigen, aber erfüllbaren Wunsch zu identifizieren und sich seine Erfüllung lebendig vorzustellen. Gleich danach identifiziert man das innere Hindernis, das der Wunscherfüllung im Weg steht, und stellt es sich vor. Diese Gegenüberstellung von erwünschter Zukunft und dem inneren Hindernis lässt einen erkennen, wie man das Hindernis überwinden kann. So wird man sich voll der Wunscherfüllung widmen.

Mentale Kontrastierung ist die Basis von WOOP, einer mentalen Übung, mit der es jeder schaffen kann, seine Wünsche zu erkennen und seine Ziele zu erreichen. Insgesamt dauert eine WOOP-Übung nur fünf bis zehn Minuten. In dieser Zeit folgt man vier vorgegebenen Schritten:

1. (Wish) Wunsch: Was ist der Wunsch, der mir am meisten am Herzen liegt? Dieser Wunsch sollte für mich erfüllbar sein, aber auch herausfordernd.
2. (Outcome) Ergebnis: Was wäre das Schönste, wenn ich mir den Wunsch erfüllen würde? Wie würde ich mich fühlen? Das fasst man dann in wenigen Wörtern zusammen und stellt es sich lebhaft vor.
3. (Obstacle) Hindernis: Was ist es in mir, das der Wunscherfüllung entgegensteht? Was in mir hält mich davon ab?  Was ist mein inneres Hindernis? Das innere Hindernis fasst man dann wieder in wenigen Wörtern zusammen und stellt es sich lebhaft vor. Dann identifiziert man eine Handlung oder einen Gedanken zur effektiven Überwindung des Hindernisses und macht sich einen Plan.
4. (Plan) Plan:; „Wenn (Hindernis), dann werde ich (Handlung/Gedanken)“. Also: Wenn ich müde nach Hause komme, dann ziehe ich meine Laufschuhe an und jogge um den Block.

Durch dieses Vorgehen kann mir tatsächlich auch bewusst werden, dass der Wunsch gerade nicht in mein Leben passt, ein anderes Ziel gerade wichtiger ist oder auch, dass der Wunsch nicht erfüllbar ist. Aber dann kann ich mein Ziel anpassen, ihn auf einen geeigneten Zeitpunkt verschieben oder mich von der Wunscherfüllung lösen und meine Energie anderen Projekten zuwenden.

Nein, es geht auch darum, das Leben aufzuräumen. Zu erkennen, welche Wünsche und Ziele mir wirklich wichtig und auch erreichbar sind. Damit kann ich Prioritäten setzen und meine Wünsche anpassen. Zum Beispiel erkenne ich: Siebenmal die Woche Sport treiben geht nicht, aber dreimal pro Woche vielleicht schon.

Menschen können oft viel mehr, als sie sich zutrauen. Unseren Untersuchungen zufolge funktioniert WOOP unabhängig von Geschlecht, Altersgruppe, Kultur, Bildung oder Persönlichkeitsmerkmalen. Aber: Man muss sich darauf einlassen und sich konzentrieren. Dazu sollte man sich Zeit nehmen und sich nicht unterbrechen lassen.

Wünsche werden nicht immer sofort erfüllt. WOOP hilft einem, seine Wünsche zu erkennen und sich aktiv für ihre Erfüllung zu engagieren. WOOP ist eine bewusste Strategie, die der Erfüllung unserer Wünsche dient, ohne dass wir das merken. Viele Studien haben diese nicht bewussten Prozesse belegt. Wenn man eine WOOP-Übung gemacht hat, engagiert man sich danach und merkt das oft erst später. WOOP hilft, sowohl für kurzfristige als auch für langfristige Ziele, für triviale oder für lebensverändernde Vorhaben.