Schlaf
Luzides Träumen – Bin ich noch wach oder träume ich schon?
Veröffentlicht am:15.09.2022
6 Minuten Lesedauer
Menschen, denen bewusst ist, dass sie träumen, sind keine Grenzen gesetzt. In so einem Klartraum ist es möglich, das Geschehen zu beeinflussen und sich alle Wünsche zu erfüllen. Nicht jeder kennt dieses Phänomen, aber jeder kann es erlernen.
Was sind Klarträume
Jeder Mensch träumt im Schlaf. Am häufigsten und intensivsten erleben wir diesen Zustand während des sogenannten REM-Schlafs, einer besonderen Phase des Schlafzyklus, der mehrmals pro Nacht durchlaufen wird. In der Regel ist in dieser Phase die Muskelspannung fast auf null gestellt. Was wir im Traum erleben, ist unbewusst und Traumerinnerungen gibt es nur dann, wenn wir am Rande einer REM -Phase aufwachen. Beim luziden Träumen hingegen sind sich die Träumenden bewusst, dass sie gerade träumen, manche können sogar auf das Geschehen Einfluss nehmen.
Luzid leitet sich vom Begriff Luzidität ab, der in der Medizin die Bewusstseinsklarheit beschreibt. Deshalb ist dieses Phänomen auch als Klartraum bekannt. Solch ein Klartraum kommt deutlich seltener vor als ein normaler Traum, trotzdem erleben ihn viele Menschen. In einer Studie gab mehr als die Hälfte aller befragten Erwachsenen in Deutschland an, mindestens einmal einen luziden Traum gehabt zu haben.
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Warum hat man Klarträume?
Auf der Suche nach Ursachen für luzides Träumen, hat die Traumforschung mit bekannten Problemen auf ihrem Gebiet zu kämpfen. Da es nicht möglich ist, alle internen Prozesse im Gehirn von Probanden und Probandinnen zu erfassen, sind die Forschenden auf deren Feedback angewiesen. So bleiben immer gewisse Unwägbarkeiten. Trotzdem geben einige Studien Hinweise darauf, was Klarträume begünstigen kann.
Forscher und Forscherinnen der Max-Planck-Institute für Bildungsforschung in Berlin und für Psychiatrie in München haben festgestellt, dass bei Menschen, die Klarträume haben, das vordere Stirnhirn größer ist als bei Menschen, die keine Klarträume haben. Dieser Bereich hat einen großen Einfluss auf die Fähigkeit, das eigene Denken zu reflektieren. Demnach vermuten die Forschenden, dass Klarträumer auch in ihrem Alltag besonders selbstreflektierend sind.
In einer anderen Studie wurde festgestellt, dass Patienten und Patientinnen mit Narkolepsie häufiger luzide Träume hatten als die Kontrollgruppe ohne Narkolepsie. Eine weitere Studie legt nahe, dass eine Verschiebung der Hirnaktivität in Richtung Wachsein während des REM-Schlafs luzide Träume auslöst. Das Gehirn weist demzufolge Merkmale sowohl des REM-Schlafs als auch des Wachseins auf.
Kann man luzides Träumen lernen?
Die Träume kontrollieren zu können und sich in ihnen die sehnlichsten Wünsche zu erfüllen, ist eine reizvolle Vorstellung. Theoretisch kann sie für jeden Menschen Wirklichkeit werden, denn luzides Träumen ist tatsächlich erlernbar. Eine Erfolgsgarantie dafür gibt es nicht, aber Experten und Expertinnen haben mehrere Methoden entwickelt, die die Wahrscheinlichkeit für einen Klartraum erhöhen.
Realitätscheck
Der träumende Verstand neigt dazu, selbst die offensichtlichsten Anzeichen dafür, dass man träumt, wegzuerklären. Der Realitätscheck soll das unterbinden. Dafür stellt man sich mehrmals am Tag die Frage: „Träume ich oder bin ich wach?“ und beantwortet sie mit einem zuverlässigen Realitätscheck. Zum Beispiel, indem man versucht, durch den geschlossenem Mund einzuatmen. Was im Wachzustand nicht möglich ist, kann im Traum das widersprüchliche Gefühl hervorrufen, dass sich Luft durch den geschlossenen Mund bewegt. Der Grundgedanke hinter dem Realitätscheck ist, dass er, wenn er zur Gewohnheit wird, schließlich auch im Traum durchgeführt wird und so zur Klarheit führt.
Die MILD-Technik
MILD steht für Mnemonic Induction of Lucid Dreams (Mnemonische Induktion von luziden Träumen). Bei dieser Mnemotechnik macht man sich das prospektive Gedächtnis zunutze, das heißt die Fähigkeit, sich an geplante Handlungen in der Zukunft zu erinnern. Es wird also die Absicht entwickelt, sich daran zu erinnern, dass man träumt. Und zwar indem man den Satz „Wenn ich das nächste Mal träume, werde ich mich daran erinnern, dass ich träume“ (oder eine andere Variante) wiederholt. Diese Technik beginnt unmittelbar vor dem Einschlafen und wird häufig mit einer anderen Technik kombiniert: der „Wake Back to Bed“-Methode (WBTB).
Die WBTB-Methode
„Wake Back to Bed“ bedeutet so viel wie Aufwachen und zurück ins Bett. Dafür stellt man sich einen Wecker auf etwa fünf bis sechs Stunden nach dem Zubettgehen. Nachdem er ertönt, bleibt man eine Zeit lang wach, bevor man sich wieder schlafen legt. Das können nur zehn Minuten, aber auch mehr als eine Stunde sein. Ziel ist es, dadurch die geistige Wachheit zu erhöhen.
Die Wachphase ist gleichzeitig der ideale Zeitpunkt, die MILD-Technik durchzuführen, da nach dem erneuten Einschlafen die REM-Phase, also die Phase, in der die meisten Träume auftreten, schneller erreicht wird. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Absicht, sich daran zu erinnern, dass man träumt, während des REM-Schlafs beibehalten wird.
Externe Stimulationstechniken
Bei anderen Ansätzen werden schlafende Personen im REM-Schlaf externen Reizen wie blinkenden Lichtern und akustischen Signalen ausgesetzt, um bei ihnen einen Klartraum auszulösen. Die Reize sollen von den Schlafenden in ihre Träume mit einbezogen werden und als Hinweise darauf dienen, dass sie träumen.
Solche externen Stimulationstechniken können die Schlafqualität und damit auch die Gesundheit beeinträchtigen, weshalb sie nur unter ärztlicher Aufsicht stattfinden sollten. Wiederum andere Techniken versuchen luzide Träume durch gesundheitlich und moralisch höchst bedenkliche Methoden, wie zum Beispiel leichte Elektroschocks oder die Einnahme spezieller Substanzen zu fördern. Davor ist eindringlich zu warnen, denn die gesundheitlichen Risiken solcher Techniken übersteigen eindeutig den erwünschten Nutzen.
Welchen positiven Effekt haben Klarträume?
Klarträumende können ihre Kreativität voll ausleben und unmögliche Dinge im Traum möglich werden lassen. Die Wissenschaft sieht in luziden Träumen aber noch ganz andere Potenziale. Vor allem in der Behandlung gegen Albträume als Symptom von psychischen Störungen wie Depressionen und Angststörungen. Luzides Träumen kann Betroffenen ermöglichen, das Auftreten und den Inhalt von Albträumen zu regulieren und so eine alternative oder ergänzende Behandlungsoption darstellen. Es wurden bereits mehrere Studien durchgeführt, die diesen Ansatz unterstützen. Die Universität Wien beispielsweise hat für eine Studie mit 31 Probanden und Probandinnen, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden, ein sechswöchiges Luzid-Traumtraining durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Angst- und Depressionswerte während der Behandlung deutlich abnahmen.
Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass motorische Abläufe in Klarträumen trainiert werden können. Eine Versuchsgruppe übte dafür beispielsweise das Dartwerfen in luziden Träumen. So konnten die Probanden und Probandinnen im Laufe der Zeit ihre Fähigkeit in dem Sport deutlich verbessern. Auch in einer Interview-Studie, die in der Fachzeitschrift „Current Issues in Sport Science“ veröffentlicht wurde, berichteten Sportler davon, dass sie ihre physischen Leistungen mithilfe von Klarträumen verbessern konnten.
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Können luzide Träume auch gefährlich sein?
Luzid-Traumtraining kann für viele Menschen von Vorteil sein, bei bestimmten Personengruppen sollte die Behandlung aber mit Vorsicht erfolgen. Beispielsweise bei Menschen, die ein erhöhtes Risiko für Realitätsverlust haben. Klarträume stehen im Verdacht, Halluzinationen zu verstärken und die Vermischung von innerer und äußerer Realität zu begünstigen. Selten können auch albtraumhafte luzide Träume auftreten. Da es ebenfalls vorkommen kann, dass die Träumenden keinen Einfluss auf das Traumgeschehen nehmen können, werden diese Ängste dann bei vollem Bewusstsein erlebt.
Aufgrund der erhöhten Gehirnaktivität werden luzide Träume auch mit einer schlechteren Schlafqualität in Verbindung gebracht. Dazu durchgeführte Studien zeigen allerdings widersprüchliche Ergebnisse.
Luzide Träume können unter Umständen zukünftig als alternative beziehungsweise ergänzende Behandlungsmethode in der Psychotherapie positive Effekte erzeugen. Es bedarf jedoch weiterer Studien, um die genaue Wirksamkeit einschätzen zu können.