Schlaf
Tipps für Eltern mit Schlafmangel
Veröffentlicht am:13.01.2023
5 Minuten Lesedauer
Die ersten Jahre mit Kindern gehen oft mit turbulenten Nächten einher. Wie müde Eltern dennoch Entspannung finden und auch Babys besser zur Ruhe kommen, beantworten Dr. Hans-Günter Weeß und Dr. Josephine Kliewer-Neumann.
Warum Schlaf für Eltern und Kinder wichtig ist
Kaum ist das Kind eingeschlafen, haben erschöpfte und müde Eltern meist nur einen Wunsch: endlich selbst zur Ruhe kommen. Doch gerade in den ersten Lebensmonaten des Babys bleibt er für viele Mütter und Väter unerfüllt – sie finden nur wenige Stunden Schlaf und Erholung. Mit jeder weiteren schwierigen Nacht wächst die Sorge, dass die Energiereserven bald aufgebraucht sind. „Schlaf ist das wichtigste Regenerations- und Reparaturprogramm, das wir haben. Ohne ihn können wir nicht überleben“, sagt Schlafexperte Dr. Hans-Günter Weeß. „Unsere biologischen Systeme fahren nachts nicht etwa herunter, vielmehr verbraucht der Körper dann fast so viel Energie wie am Tag.“
Schlaf für Körper und Geist
Ausgelöst wird dieser Prozess vor allem durch das Hormon Melatonin, das unser Gehirn mit Beginn der Abenddämmerung bildet. Es führt dazu, dass wir müde werden und sich unser Körper auf Schlafen einstellt. Während der Nachtruhe durchlaufen wir fünf verschiedene Phasen. Mit dem Alter werden die Tiefschlafphasen kürzer – vor allem bei Männern. Auch der REM-Schlaf (Rapid Eye Movement) nimmt mit den Jahren ab. In dieser Phase des intensiven Träumens und Lernens, die im Säuglingsalter noch sehr lang ist, werden die Gehirnzellen vernetzt. „Dies ist für das Erlernen von Bewegungsabläufen wie Laufen oder Greifen von Bedeutung, aber auch für die Ausbildung von Gehirnfunktionen insgesamt“, erklärt der Experte.
Doch Schlaf hat noch viele weitere entscheidende Funktionen für unseren Körper: Er stärkt unser Immunsystem, das Gedächtnis und die Organe. Zudem ist er wichtig für die Zellteilung, Zellneubildung und die Ausschüttung von Wachstumshormonen. „Der Volksmund hat also recht, wenn er sagt: Schlaf ist die beste Medizin“, so Dr. Weeß. Ein Schlafmangel hingegen erhöhe das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Parkinson oder Alzheimer.
„Der Volksmund hat also recht, wenn er sagt: Schlaf ist die beste Medizin.“
Dr. Hans-Günter Weeß
Schlafforscher und Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster
Welcher Schlaftyp sind Sie?
Aber wie viele Stunden Schlaf sollten es idealerweise pro Nacht sein? Dr. Weeß: „Das lässt sich nur ungefähr sagen. Ob wir Kurz- oder Langschläfer sind, ist größtenteils in unseren Genen verankert.“ 80 Prozent der Erwachsenen hätten ein Schlafbedürfnis zwischen sechs und acht Stunden. Die anderen 20 Prozent bräuchten mehr oder weniger Schlaf. „Wir sollten uns davon freimachen, auf insgesamt acht Stunden kommen zu müssen. Fühle ich mich am nächsten Tag fit und leistungsfähig, war die Dauer ausreichend.“
Auch unser individueller Schlaftyp bestimmt unser Schlafverhalten. Er ist von den Genen, teilweise auch vom Lebensalter abhängig. Sind wir eine Lerche, die früh zu Bett geht und zeitig aufsteht? Oder eine Eule, die spät den Schlaf sucht und morgens eher schwer aus den Federn kommt? Eltern werden es kennen: Kleine Kinder stehen oft sehr früh auf, während Jugendliche – unter anderem aufgrund der Hormonumstellung – gern lange wach bleiben und am nächsten Tag müde in den Schultag starten. „Menschen, die zum Typ Eule gehören, aber früh rausmüssen, leben gegen ihren inneren Rhythmus“, so Dr. Weeß. „Sie sind dadurch am Tag häufig müde, reizbar, unkonzentriert und wenig produktiv.“
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Rund 25 Prozent der Erwachsenen leiden hierzulande laut Robert Koch-Institut an Schlafstörungen. Insbesondere Frauen geben an, schlecht ein- und durchschlafen zu können, berichtet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. „Frauen nehmen öfter ihre Sorgen mit ins Bett, können sich schlechter abgrenzen als Männer“, so Dr. Weeß.
Gibt es Nachwuchs in der Familie, werden jedoch auch für Väter die Nächte meist zur größeren Herausforderung. Wie gut Eltern nachts zur Ruhe kommen und schlafen können, hängt nämlich maßgeblich vom Schlafverhalten des Kindes ab. Die Erwartungshaltung ist bei vielen Müttern und Vätern entsprechend hoch: „Bereits nach den ersten Monaten soll das Kind durchschlafen. Dabei ist schon der Begriff Durchschlafen schwierig – wir in der Praxis meinen damit fünf Stunden“, sagt Dr. Josephine Kliewer-Neumann vom Zentrum für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie in Bochum. Es sei völlig normal, dass der Tagesschlaf erst mit der Zeit kürzer und der Nachtschlaf länger werde. „Die Spanne, ab wann Kinder durchschlafen, ist groß – den meisten gelingt es zwischen 6 und 18 Monaten. Zudem unterscheidet sich auch das Schlafbedürfnis von Kind zu Kind.“
Um zu erkennen, ob das Kind ausreichend schläft oder unter Schlafmangel leidet, sollte man es in den Wachphasen beobachten: Ist es spielbereit, aktiv und ausgeruht? Und wenn nicht – wie können Eltern ihr Kind dabei unterstützen, besser in den Schlaf zu finden? In erster Linie gehe es darum, Müdigkeitssignale richtig zu deuten: Reibt sich das Kind die Augen oder sind diese gerötet? Gähnt es wiederholt? „Lege ich das Kind hin, bevor es übermüdet und quengelig ist, schläft es meist besser ein. Bewahren Eltern beim Zubettbringen Ruhe, überträgt sich diese auch auf das Kind“, so Dr. Kliewer-Neumann.
„Bewahren Eltern beim Zubettbringen Ruhe, überträgt sich diese auch auf das Kind.“
Dr. Josephine Kliewer-Neumann
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Zentrum für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie in Bochum
Müde Eltern: Was Eltern bei Schlafproblemen tun können
Eltern können auch einiges tun, um selbst besser zu schlafen: Paare sind beispielsweise mit getrennten Matratzen besser beraten – um die eigene Wirbelsäule bestmöglich zu unterstützen und einander durch Bewegungen während des Schlafes nicht zu wecken. Die Ernährung spielt ebenfalls eine Rolle: So können Lebensmittel mit Tryptophan den Schlaf möglicherweise fördern – etwa Eier, Käse, Bananen oder Huhn. Experten raten zudem, Smartphone oder Tablet eine Stunde vor dem Schlafengehen beiseitezulegen. E-Mails, Chatten oder Surfen im Internet lassen uns schwer zur Ruhe kommen.
Stattdessen kann ein Zubettgehritual helfen. Dr. Weeß: „Es geht darum, sich zurückzuziehen, vielleicht ein Buch zu lesen. Wenn es mir gelingt, abzuschalten, mich zu entpflichten und ich mir keinen Druck mache, schlafen zu müssen, komme ich leichter in die Entspannung. Sie ist entscheidend, um gut ein- und durchschlafen zu können.“
3 Schlaftipps für die Familie
- Am Tag aktiv sein: Viel Bewegung tagsüber im Freien fördert den Tiefschlaf. Sportliche Aktivität unmittelbar vor dem Zubettgehen kann ihn stören. Meditation verbessert die Schlafqualität nachweislich.
- Gemeinsame Abendrituale: Gedämpftes Licht, der Klang einer Spieluhr oder eine Gute-Nacht-Geschichte: Feste Routinen geben Kindern Sicherheit und können das Einschlafen erleichtern.
- Rechtzeitig Hilfe suchen: Wird das Thema Schlaf für die Familie zum Dauerproblem, kann eine Beratung in einer Baby- und Kleinkindsprechstunde helfen.