Schlaf
Was ist Narkolepsie?
Veröffentlicht am:12.08.2022
5 Minuten Lesedauer
Narkolepsie ist eine neurologische Erkrankung. Sie ist unter anderem gekennzeichnet durch Tagesschläfrigkeit, gegen die sich der oder die Betroffene nicht wehren kann. Lesen Sie hier, wie die Symptome behandelt werden können.
Inhalte im Überblick
Symptome bei Narkolepsie
Narkolepsie, auch Schlafsucht genannt, ist eine chronisch verlaufende, neurologische Erkrankung. Sie betrifft ungefähr 40.000 Menschen in Deutschland. Die Symptome von Narkolepsie können in jedem Alter auftreten. Am häufigsten sind die ersten Anzeichen zwischen dem 15. und dem 25. Lebensjahr sowie zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Frauen erkranken früher als Männer, aber beide Geschlechter sind gleich häufig von der Krankheit betroffen. Etwa 20 Prozent der Erkrankten sind Kinder unter 10 Jahren. Bis es zu einer Diagnose kommt, vergehen oft Jahre. Schuld daran sind das zeitversetzte Auftreten der Kernsymptome oder eine sehr geringe Ausprägung.
Zu den Symptomen einer Narkolepsie gehören:
- Exzessive Tagesschläfrigkeit: Ein starker Schlafdrang, der trotz ausreichend Schlaf in der Nacht bei ruhigen Aktivitäten im Sitzen, wie Lesen oder Fernsehen, oder auch in gleichförmigen, monotonen Situationen, wie Zuhören, Vorträgen lauschen oder Kinobesuch, auftritt. Der oder die Betroffene kann sich nicht gegen den Drang zu schlafen wehren und schläft plötzlich ein. Dieses Symptom tritt bei allen Betroffenen auf.
- Kataplexie (plötzlicher Verlust der Spannung der Haltungsmuskulatur) der Gesichts-, Nacken- und Beinmuskulatur, häufig ausgelöst durch starke Gemütsregungen wie Ärger, Furcht, Freude oder Lachen. Es kann der ganze Körper betroffen sein und der Betroffene stürzt, oder aber auch nur ein Teil, so dass er zum Beispiel ein Glas fallen lässt. Etwa 80 bis 90 Prozent der Patienten mit Narkolepsie haben dieses Symptom.
- gestörter Nachtschlaf
- Automatisiert ablaufendes Verhalten: Betroffene erledigen weiterhin Routineaufgaben, ohne dabei aufmerksam zu sein.
- Schlaflähmungen
- Hypnagoge (beim Einschlafen) und hypnopompe (beim Aufwachen) Halluzinationen, die als sehr real empfunden werden. Sie können visuell, akustisch oder taktil (den Tastsinn betreffend) sein.
- Gewichtszunahme bei akutem Beginn der Erkrankung
Neben der Narkolepsie können bei Patientinnen und Patienten auch folgende Probleme auftreten:
- Albträume
- Schlafwandeln und Nachtschreck
- Sprechen im Schlaf
- Verhaltensstörungen im REM-Schlaf
- Migräne, Kopfschmerzen
- Atmungsstörungen im Schlaf
- periodische Bewegungen im Schlaf
- Depressionen
- Konzentrationsstörungen und Unfälle
- Veränderung der Persönlichkeit
Narkolepsie beeinträchtigt die Lebensqualität
Die Erkrankung nimmt zwar keinen Einfluss auf die Lebenserwartung der Patientinnen und Patienten, allerdings kann sie – je nach Schweregrad – die Lebensqualität einschränken. Das Risiko, Unfälle oder Verletzungen zu erleiden, ist durch die Tagesschläfrigkeit und durch das automatisiert ablaufende Verhalten bei Patientinnen und Patienten mit Narkolepsie höher als bei gesunden Menschen.
Wird Narkolepsie von einem Mediziner oder einer Medizinerin diagnostiziert, können Betroffene einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Der behandelnde Arzt oder die Ärztin kann für junge Menschen in der Schule oder im Studium außerdem eine Bescheinigung zum Nachteilsausgleich ausstellen. Für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gibt es eine Bestätigung, dass kurze Nickerchen (Powernap) am Arbeitsplatz krankheitsbedingt sind.
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Autofahren mit Narkolepsie
Bei einer unbehandelten Narkolepsie können Menschen nicht sicher Auto fahren – zu groß ist das Risiko, bei plötzlichem Einschlafen oder einer Kataplexie einen Unfall zu verursachen. Die Krankheit steht deshalb auf der Liste der Krankheiten, die die Fahreignung einschränken. Wird die Krankheit allerdings medikamentös behandelt und besteht keine messbare Tagesschläfrigkeit mehr, steht dem Autofahren in der Regel nichts im Wege. Bei unkontrollierbaren Kataplexien sollten Sie nicht am Steuer sitzen.
Ursachen von Narkolepsie
Die Ursache der Erkrankung war lange unklar. 2018 gelang der Beweis, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, bei der sich die Immunabwehr gegen den Botenstoff Hypocretin im Hypothalamus richtet. Dadurch kommt es zu einem schleichenden Verlust von Nervenzellen im Hypothalamus, und die Produktion von Hypocretin (einem Botenstoff, auch Orexin genannt) nimmt weiter ab. Dieser Botenstoff steuert die Wachzustände, aber auch das Emotionsempfinden sowie das Ernährungs- und Belohnungsverhalten. Es gibt zwei Arten von Narkolepsie-Typen, die sich unter anderem am Orexin-Gehalt unterscheiden lassen.
In Verbindung mit Narkolepsie steht auch der Influenza-Impfstoff Pandemrix, der gegen die Schweinegrippe, wie das Influenza-A-Virus H1N1 umgangssprachlich genannt wird, zum Einsatz kam. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die diese Impfung erhielten, haben ein erhöhtes Risiko, an Narkolepsie zu erkranken. Zu dem Ergebnis kamen mehrere europäische epidemiologische Studien, über die das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Webseite zusammenfassend berichtet.
Pro 100.000 verimpfter Dosen traten bei Kindern und Jugendlichen zwei bis sechs Fälle von Narkolepsie zusätzlich auf. Bei Erwachsenen lag der Wert nach Schätzungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bei 0,6 bis 1 zusätzlichen Fällen pro 100.000 Impfdosen. Zurzeit wird der Impfstoff in der EU nicht mehr eingesetzt.
Zwei Typen der Narkolepsie
Typ 1
Merkmale einer Narkolepsie Typ 1 sind:
- Tagesschläfrigkeit in Kombination mit Kataplexien
- Mangel des Botenstoffs Orexin beziehungsweise Hypokretin, der im Liquor (Nervenwasser) nachzuweisen ist
Typ 2
Merkmale einer Narkolepsie Typ 2 sind:
- Fehlen von Kataplexien
- normaler Orexin-Gehalt im Liquor
- Tagesschläfrigkeit über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten
Wie wird Narkolepsie diagnostiziert?
Je nach Schweregrad und auftretenden Symptomen – wenn zum Beispiel Tagesschläfrigkeit und Kataplexien zusammen auftreten – kann Narkolepsie bereits durch ein Anamnesegespräch diagnostiziert werden. Auch ein Schlaftagebuch kann bei der Diagnose helfen. Um andere Erkrankungen sicher ausschließen zu können, ist allerdings eine Untersuchung in einem Schlaflabor nötig. Die sogenannte Polysomnografie und ein MSLT (Multiple Sleep Latency Test) – der unter anderem zur Diagnose von Schlafstörungen genutzt wird – geben Aufschluss darüber, welche Ursachen für die Tagesschläfrigkeit vorliegen könnten. In Einzelfällen muss mit einer Nervenwasserpunktion der Liquor auf den Orexin-Gehalt überprüft werden.
Behandlung von Narkolepsie
Narkolepsie ist nicht heilbar, aber die Symptome sind medikamentös gut behandelbar. Die Behandlung muss immer individuell zusammengestellt werden und besteht meist aus einer Kombination von Medikamenten und Coping-Strategien – zum Beispiel alltägliche Routinen – zur Bewältigung der Erkrankung. Durch die medikamentöse Therapie kann allgemein eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden.
Medikamentöse Therapie bei Narkolepsie
Zur Behandlung aller Kernsymptome der Narkolepsie sind wenige Medikamente zugelassen. Die Tagesschläfrigkeit wird mit Stimulantien (wachhaltenden Medikamenten) behandelt. Die Medikamente Xyram (Wirkstoff Natrium-Oxybat) und Modafinil werden am häufigsten zur Behandlung von Kataplexien, Schlaflähmung und Halluzinationen eingesetzt, auch Antidepressiva sind gegen diese Symptome wirksam. Allen gemeinsam ist, dass sie starke Nebenwirkungen haben können. Dazu zählen Kopfschmerzen, Übelkeit und innere Unruhe. Außerdem kann es bei 30 bis 40 Prozent der Patientinnen und Patienten zur Toleranzentwicklung, also eine Gewöhnung an eine hohe Dosis des Medikaments, kommen. Deshalb ist eine regelmäßige Kontrolle und Anpassung der Dosierung nötig. So kann man Maßnahmen ergreifen, wie einen sogenannten „Drug Holiday“ – eine Pause von der Medikation – um anschließend den Erkrankten wieder auf eine niedrige Dosierung einzustellen.
Coping-Strategien helfen im Umgang mit der Krankheit
Zu den nichtmedikamentösen Maßnahmen bei Narkolepsie gehören bestimmte Coping-Strategien, die Patienten und Patientinnen anwenden können. Dazu gehört in erster Linie eine gute Schlafhygiene: Regelmäßige Schlafzeiten sollten eingehalten, Pausen und Schlafphasen am Tag gezielt genutzt werden, um leistungsfähiger zu bleiben. Achten Sie darauf, tagsüber keine zu schweren, kohlenhydratlastigen Mahlzeiten zu sich zu nehmen.
Und nicht zuletzt: Wichtig ist, die Krankheit zu akzeptieren und verantwortungsbewusst mit den Symptomen umzugehen.