Schlaf
Möglichkeiten und Risiken von Schlafmitteln
Veröffentlicht am:03.08.2022
6 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 19.12.2023
Schlafmittel können als kurzzeitige Therapie bei Schlafstörungen eingesetzt werden. Es gibt die unterschiedlichsten Mittel: mit und ohne Rezept, pflanzlich und mit mehr oder weniger starken Nebenwirkungen. Ein Überblick.
Schlafmittel als kurzfristige Hilfe bei Schlafstörungen
Schlafstörungen beeinträchtigen das Leben und den Alltag. Endlich leichter einschlafen und wieder durchschlafen – das erhoffen sich viele Personen mit Schlafstörungen von Schlafmitteln, um endlich wieder energievoll in den Tag starten zu können. Doch so einfach ist es nicht. Einige Substanzen, die es nur nach ärztlicher Verordnung gibt, können die Schlafqualität zwar verbessern, jedoch auch schwerwiegende Nebenwirkungen mit sich bringen. Die anderen, teils frei verkäuflichen Schlafmittel haben kaum eine nachgewiesene Wirkung. Außerdem sind verschreibungspflichtige Schlafmittel nicht als Dauertherapie zugelassen oder sinnvoll. Sabine Jablonka, Arzneimittel-Expertin im AOK-Bundesverband, gibt zu bedenken: „Schlafmittel bekämpfen nicht die Ursachen der Schlafstörungen. Sie können nur vorübergehend beim Ein- oder Durchschlafen unterstützen.“
Bevor eine Schlafstörung medikamentös behandelt wird, empfehlen Ärzte und Ärztinnen Erwachsenen stets, mithilfe nicht-medikamentöser Ansätze den Ursachen auf den Grund zu gehen und so eine langfristige Besserung der Nachtruhe zu erreichen. Dazu zählt unter anderem die kognitive Verhaltenstherapie, die als besonders effektiv bei Schlafstörungen gilt.
Schafmittel im Überblick
Rezeptfreie Schlafmittel:
- Phytotherapeutika (pflanzliche Präparate)
- einige Antihistaminika
Verschreibungspflichtige Schlafmittel:
- Benzodiazepine und Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten (sogenannte Z-Substanzen)
- sedierende Antidepressiva
- Antipsychotika
- einige Antihistaminika
- Melatonin in höherer Dosierung
Pflanzliche Schlafmittel ohne Rezept
Rezeptfrei und frei zugänglich: Wer in Deutschland auf der Suche nach einem leichten Schlafmittel ist, wird in fast jeder Apotheke oder Drogerie fündig. Pflanzliche Mittel, die bei Schlafstörungen und Unruhezuständen helfen sollen, sind beliebt. Baldrian, Hopfen, Melisse und Passionsblume sind die gängigsten Vertreter der als schlaffördernd geltenden Pflanzen. Es gibt die Mittel in Form von Tabletten, Dragees, Tropfen oder Tee.
- Vorteile: Sie sind frei verkäuflich und es sind keine schweren Nebenwirkungen erwartbar.
- Nachteile: Es gibt keine aussagekräftigen Studien, die einen Beweis für ihre Wirkung erbringen. Außerdem sind allergische Reaktionen, Bauchkrämpfe und Übelkeit möglich und einige der pflanzlichen Schlafmittel reagieren mit anderen Beruhigungsmitteln.
Sie sind bei der AOK versichert und mit uns zufrieden?
Dann empfehlen Sie uns gerne weiter. Für jedes neue Mitglied, das Sie uns vermitteln, bedanken wir uns bei Ihnen mit einem Bonus.
Antihistaminika als Schlafmittel
Wer unter Allergien leidet, kennt diese Mittel. Lange Zeit hatten Antihistaminika für Allergiker und Allergikerinnen eine besonders störende Nebenwirkung, die Personen mit Schlafstörungen aber zugutekommt: Müdigkeit. Bei neueren Produkten ist diese Nebenwirkung nur noch selten und deutlich geringer ausgeprägt. Manche Wirkstoffe (zum Beispiel Diphenhydramin und Doxylamin) sind ohne Rezept in einer Apotheke erhältlich, andere sind verschreibungspflichtig, wie Hydroxyzin und Promethazin.
- Vorteile: Sie sind teilweise frei verkäuflich und meist gut verträglich.
- Nachteile: Es konnte bisher nicht sicher nachgewiesen werden, ob Antihistaminika wirklich bei Schlafstörungen helfen. Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Unruhe, Schwindel, Mundtrockenheit und Konzentrations- sowie Sehstörungen sind möglich.
Die Einnahme von Antihistaminika sollte stets (sowie besonders bei manchen Vorerkrankungen wie Prostatabeschwerden) mit einem Arzt oder einer Ärztin besprochen werden.
Passende Artikel zum Thema
Melatonin als Schlafmittel
Melatonin ist eng mit unserem Schlaf-Wach-Rhythmus verknüpft. Das Hormon wird vor allem gebildet, sobald es dunkel wird, um nachts (gut) schlafen zu können. Zudem steuert es den Wechsel zwischen Wachsein und Schlafen innerhalb eines Tages. Auf diese Wirkung zielen Melatonin-haltige Schlafmittel ab. Es gibt in Deutschland sowohl melatoninhaltige Medikamente als auch melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel. Die verschreibungspflichtigen Medikamente sind nur für eine Kurzzeitbehandlung körperlich gesunder Personen ab 55 Jahren zugelassen, mit einigen wenigen Ausnahmen (zum Beispiel sind einzelne Präparate auch für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit durch Autismus bedingten Schlafstörungen zugelassen).
- Vorteile: Es sind keine schweren Nebenwirkungen bekannt. Als Nahrungsergänzungsmittel ist Melatonin ohne Rezept zum Beispiel im Drogeriemarkt erhältlich. Studien deuten auf eine mögliche Wirkung bei (Ein-)Schlafstörungen hin.
- Nachteile: Weitere Studien sind notwendig, um eine Wirkung bei Schlafstörungen nachzuweisen. Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Reizbarkeit und Unruhe sind möglich. Wenn noch andere Medikamente eingenommen werden, sollte eine Einnahme nur unter ärztlicher Beratung stattfinden.
Antidepressiva und Antipsychotika als Schlafmittel
Medikamente, die in der Behandlung von psychischen Erkrankungen eine wichtige Rolle spielen, kommen teilweise auch als Schlafmittel zum Einsatz.
Zur Behandlung von Schlafstörungen eignen sich zum Beispiel Antidepressiva, deren Wirkungsprofil eher sedierend ist (zur Erklärung: Es gibt auch antriebssteigernde Antidepressiva). Sie werden vor allem bei Patienten und Patientinnen mit Depressionen angewendet, die als begleitendes Symptom ihrer Depression auch unter Schlafstörungen leiden. Werden Antidepressiva bei Schlafproblemen verordnet, die nicht im Zusammenhang mit einer depressiven Erkrankungen stehen, handelt es sich um einem sogenannten Off-Label-Use.
- Vorteile: Antidepressiva machen nicht süchtig oder körperlich abhängig, es kann aber trotzdem zu Unruhe und anderen kurzfristigen Nebenwirkungen kommen, wenn sie wieder abgesetzt werden. Sie können bei Schlafstörungen helfen, die durch Depressionen verursacht sind.
- Nachteile: Es ist noch nicht viel über Wirkungen, Nebenwirkungen, Verträglichkeit und Langzeitwirkung von Antidepressiva bei Schlafstörungen bekannt.
Für Antipsychotika, spricht Medikamente gegen Psychosen, sieht es ähnlich aus. Einige haben eine eigenständige Zulassung für die Therapie von Schlafstörungen (Anwendung vor allem im Bereich der Altersheilkunde), andere sind nur in Zusammenhang mit akuten, psychotischen Erkrankungen zugelassen.
- Vorteile: Einige Mittel wirken beruhigend und fördern die Müdigkeit.
- Nachteile: Wissenschaftliche Belege für die Wirkung bei Schlafstörungen fehlen bisher. Sie können zudem zu Nebenwirkungen führen, wie innere Unruhe, Übelkeit, allergische Reaktionen oder Herzrhythmusstörungen. In Kombination mit Alkohol und anderen Medikamenten sind unerwünschte Wirkungen möglich.
„Am besten entscheidet der Arzt, ob ein Schlafmittel notwendig ist und welches sich am besten eignet. Auch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind zu beachten.“
Sabine Jablonka
Arzneimittel-Expertin im AOK-Bundesverband
Benzodiazepine und Z-Substanzen
Benzodiazepine sind wohl die klassischen und stärksten Beruhigungs- und Schlafmittel. Sie wirken angstlösend, dämpfend und entkrampfend. Sie verkürzen nachweislich die Einschlafzeit und lassen einen länger schlafen. Klingt gut, kann aber auch gefährlich sein. Die Wirkung von Benzodiazepinen kann für mehrere Stunden und sogar Tage bestehen bleiben. Dadurch fühlen sich Betroffene womöglich gar nicht erholt, sondern noch schläfrig und auch die Schlafqualität ist unter Umständen schlechter. Außerdem können das Reaktionsvermögen, die Konzentration und Aufmerksamkeit deutlich reduziert sein, was besonders im Straßenverkehr und beim Bedienen von Maschinen gefährlich ist. Durch die muskelentspannende Wirkung haben ältere Personen zudem ein erhöhtes Sturzrisiko. Dazu kommt: Diese Schlafmittel machen schnell abhängig. Bereits zwei Wochen reichen aus und der Körper hat sich womöglich an die Medikamente gewöhnt und verlangt nach einer höheren Dosis.
Z-Substanzen wirken ähnlich wie Benzodiazepine, doch gehören sie zu einer anderen Substanzgruppe. Es handelt sich um die sogenannten Benzodiazepin-Agonisten, die auch Z-Substanzen genannt werden, weil ihre Namen (Zopiclon, Zaleplon und Zolpidem) alle mit Z beginnen. Sie werden schneller als Benzodiazepine im Körper abgebaut, sodass ihre Wirkung etwas weniger nachhallt. Dennoch können sie noch am Folgetrag beeinträchtigen und auch schnell zu einer Abhängigkeit führen.
- Vorteile: Benzodiazepine und Z-Substanzen zeigen eine starke, nachgewiesene Wirkung bei Schlafstörungen.
- Nachteile: Sie führen schnell zu einer Abhängigkeit und können noch am Folgetag beeinträchtigen. Es kann zu zahlreichen, teils schweren Nebenwirkungen kommen. Beim Absetzen sind Entzugserscheinungen möglich, die den eigentlichen Symptomen der Schlafstörung ähneln.
Etwa 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen sind allein in Deutschland von Benzodiazepinen und Z-Substanzen abhängig. Aufgrund der großen Gefahr der Gewöhnung sollte eine Einnahme stets sorgfältig abgewogen werden. Der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin begleitet stets die gesamte Therapie und nach spätestens vier Wochen sollten diese Schlafmittel wieder abgesetzt werden. Dazu rät Sabine Jablonka: „Wer Schlafmittel nimmt, sollte sie nie abrupt absetzen. Denn es drohen Entzugssymptome oder erneute Schlafstörungen. Die Dosis darum am besten schrittweise und mit ärztlicher Begleitung verringern.“
Passende Angebote der AOK
Antworten zu medizinischen Fragen
Beim Info-Telefon erhalten AOK-Versicherte rund um die Uhr medizinische Informationen. Einfach anrufen und beraten lassen unter 0800 1 265 265.
Welche Schlafmittel machen nicht abhängig?
Bei pflanzlichen Schlafmitteln, melatoninhaltigen Präparaten sowie Antidepressiva und -psychotika brauchen Sie sich nicht um eine mögliche Abhängigkeit sorgen. Die Schlafmittel Benzodiazepine und Z-Substanzen bergen jedoch das große Risiko, abhängig zu machen. Zudem kann es auch bei Antihistaminika zu einem möglichem Gewöhnungseffekt kommen. Lassen Sie sich vor der Einnahme unbedingt ärztlich beraten.
Wann nimmt man eine Schlaftablette?
Wann und wie Schlafmittel eingenommen werden sollen, hängt von der Substanzklasse ab. Lesen Sie vor Einnahme sorgfältig die Packungsbeilage der Medikamente. Informationen erhalten Sie auch bei Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin sowie in der Apotheke.
Sind Schlafmittel in Schwangerschaft und Stillzeit möglich?
Eine medikamentöse Therapie von Schlafstörungen während Schwangerschaft und Stillzeit sollte erst in Betracht kommen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Schlafmittel, wie Benzodiazepine und Z-Substanzen, sollten vermieden werden, da sie dem Kind schaden können. Welche Schlafmedikamente in dieser Zeit infrage kommen, wird Ihr behandelnder Arzt oder Ihre Ärztin mit Ihnen besprechen.
Gibt es Schlafmittel für Babys und Kinder?
Schlafmittel, ob verschreibungspflichtig oder nicht, sind für Kinder in der Regel nicht geeignet und können ihnen sogar schwerwiegend schaden. Wenden Sie sich an Ihren Kinderarzt oder Ihre Kinderärztin, wenn Ihr Kind unter hartnäckigen Schlafproblemen leidet. Dort erhalten Sie Unterstützung und können den Ursachen gemeinsam auf den Grund gehen.