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Was ist Alltagsrassismus und was kann man dagegen tun?

Veröffentlicht am:28.03.2024

4 Minuten Lesedauer

Ein abschätziger Blick auf dem Amt, die Frage nach der „eigentlichen Herkunft“, das vermeintliche Kompliment für das perfekte Deutsch: Rassismus hat viele Gesichter und kann sich in jeder Situation unseres Alltags zeigen. Was können wir alle dagegen tun ?

Mehrere Personen haben ein Meeting im Büro.

© iStock / NakoPhotography

Alltagsrassismus und struktureller Rassismus: Was ist der Unterschied?

Eine allgemeingültige Definition für Alltagsrassismus gibt es nicht. Er muss allerdings vom institutionellen oder strukturellen Rassismus unterschieden werden. Struktureller Rassismus bedeutet, dass Menschen aus rassistischen Gründen keinen gleichberechtigten Zugang zu gesellschaftlichen Gütern wie Rechte oder Bildung haben – so wie in der Zeit der Rassentrennung in den Südstaaten der USA. Während dieser Zeit durften afroamerikanische Kinder beispielsweise keine „weißen“ Schulen besuchen. Die Grenzen hin zum Alltagtagsrassismus können allerdings verschwimmen. Ein solcher Fall liegt vor, wenn beispielsweise ein Mädchen eine Gymnasialempfehlung deshalb nicht erhält, weil es aus einer türkischstämmigen Familie kommt und ihm von den Lehrkräften daher weniger zugetraut wird. Auch hier wird der Zugang zur Bildung verstellt, aber nicht aufgrund offizieller Vorschriften, sondern weil sich Menschen rassistisch verhalten. 

Neben den Problemen bei der Wohnungs- und Jobsuche oder eindeutigen rassistischen Beleidigungen gibt es weniger offensichtliche Formen des Alltagsrassismus. Menschen erzählen Witze, die sie selbst nicht als rassistisch wahrnehmen, oder äußern Vorurteile unbewusst. Auch mit unbedachten, vielleicht gut gemeinten Aussagen kann man Menschen das Gefühl der Nichtzugehörigkeit vermitteln. Unbewusst leiten Menschen „zugehörig“ von den Eigenschaften der Mehrheitsgesellschaft ab. Und die ist in Deutschland weiß und christlich geprägt.

Rassismus in Deutschland – leider allgegenwärtig

Wenn Menschen eine Wohnung deshalb nicht bekommen, weil ihre Hautfarbe dunkler ist als die anderer Kandidatinnen und Kandidaten, oder ihre Bewerbung unberücksichtigt bleibt, weil sie einen Namen haben, der auf eine nicht ursprünglich deutsche Herkunft schließen lässt, sind das offensichtliche Beispiele für Rassismus: Menschen werden benachteiligt, diskriminiert oder ausgegrenzt, weil sie aufgrund ihrer tatsächlichen (oder nur vermeintlichen) Herkunft, ihrer Religion oder ihrer äußeren Merkmale als fremd und nicht zugehörig betrachtet werden. 

Leider erleben viele Menschen diese und andere Arten von Diskriminierung: 22 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland geben laut einer repräsentativen Studie von 2022 an, Rassismus erfahren zu haben. Und dieser zeigt sich häufig ziemlich subtil. Manchmal tarnt er sich sogar als vordergründig freundliches Kompliment. Beispielsweise, wenn jemand einem ihm fremden Menschen distanzlos in die Haare greift, weil die so schön „südländisch und exotisch“ seien. Das kann genauso verletzend und diskriminierend sein wie eine unverhohlene Ausgrenzung, die für jede und jeden auf den ersten Blick erkennbar ist. 

Rassismus ist kein gesellschaftliches Randphänomen: Nur 35 Prozent aller Deutschen sind noch nie mit Rassismus in Berührung gekommen. Das schließt auch indirekte Erfahrungen ein: zum Beispiel, wenn man jemanden kennt, der von einem Vorfall berichtet – etwa die Freundin, deren dunkelhäutiger Lebenspartner überdurchschnittlich oft in Polizeikontrollen gerät.

Unbewusster Rassismus in Alltagsgesprächen – einige Beispiele

Bei den folgenden Beispielen handelt es sich um Fragen und Bemerkungen, die Menschen mit Migrations- oder einem bestimmten religiösen Hintergrund als ausgrenzend empfinden können, ohne dass es beabsichtigt war.

  • „Du sprichst aber gut Deutsch!"

    Nur weil eine Person zum Beispiel dunkle Haut hat, heißt das nicht, dass Deutsch nicht ihre Muttersprache sein kann. Die unbewusst transportierte Botschaft lautet: Menschen, die anders aussehen als die Mehrheit, sprechen meist schlechtes Deutsch.

  • „Woher kommst du wirklich?“

    Der tatsächliche Geburtsort der angesprochenen Person kann auch in Deutschland liegen. Aber wer fremd wirkt, wird oft nicht als deutsch wahrgenommen. Die unterschwellige Botschaft: „Du bist kein ‚echter‘ Deutscher oder keine ‚echte‘ Deutsche.“

  • „Schlimm, was in deinem Land passiert!“

    Manchmal werden Menschen mit Migrationshintergrund mit solchen Kommentaren zu ihren (vermeintlichen) Heimatländern konfrontiert. Auch wenn es der Ausdruck eines ehrlichen persönlichen Interesses ist, kann bei ihnen ankommen: „Du lebst zwar hier, aber ich identifiziere dich mit deinem ursprünglichen Herkunftsland.“

  • „In Deutschland macht man das so.“

    Personen, von denen angenommen wird, dass sie ursprünglich nicht aus Deutschland stammen, bekommen manchmal (womöglich gut gemeinte) Ratschläge, wie man sich in Deutschland zu verhalten hat. 

  • „Willst du einmal in deine Heimat zurück?“

    Eine mögliche Antwort: „Ins Berchtesgadener Land? Auf keinen Fall!“ Aber das wollte die fragende Person wohl eher nicht wissen. Sie vermittelt mit ihrer Frage den Eindruck, als könne sie sich nicht vorstellen, dass Deutschland die Heimat der befragten Person ist. 

Bei allen Beispielen wird kaum in Betracht gezogen, dass Menschen, die äußerlich vom Erscheinungsbild der Mehrheitsgesellschaft abweichen, in Deutschland geboren sein können, einen deutschen Pass und hier ihre Heimat haben. Stattdessen steht deren äußere Erscheinung im Fokus.

Dennoch bedeutet das natürlich kein Redeverbot. Viele Menschen äußern sich wie in den oben genannten Beispielen ohne einen bösen Hintergedanken. Dennoch können nur die Betroffenen selbst beurteilen, ob sie eine Aussage als ausgrenzend empfinden. Wichtig ist, achtsam zu sein und die Empfindungen der anderen Person zu respektieren. Im Verlauf eines Gespräches kommt dann oft vieles von dem zur Sprache, was einen am Gegenüber interessiert, ohne dass man dies konkret ansprechen muss.

Zwei Frauen unterhalten sich konzentriert.

© iStock / PixelsEffect

Unbedachte oder gut gemeinte Kommentare können auch Alltagsrassismus sein.

Was kann man gegen Rassismus tun?

Um die eigenen versteckten Vorurteile aufzudecken, können Sie über Ihr eigenes Bild vom Deutschsein nachdenken: Was und wer gehört für Sie zu Deutschland? Konkrete Beispiele von Menschen, die andere Hintergründe haben als die Mehrheit und die deswegen nicht weniger deutsch sind, können helfen, sich für Alltagsrassismus zu sensibilisieren. Das können Menschen aus dem persönlichen Umfeld sein oder man überprüft sein Bild von Prominenten mit einem Migrationshintergrund.

Wenn Sie Alltagsrassismus in Kommentaren oder Witzen von anderen bemerken, können Sie die Person darauf aufmerksam machen – mit Nachfragen, wie etwas gemeint war, oder indem Sie erklären, was als „versteckte Botschaft“ mit solchen Aussagen mittransportiert wird. Aufgeschlossene Menschen werden für den Hinweis vermutlich dankbar sein. Zu denjenigen, die eine bewusste rassistische Einstellung haben und entsprechende Sprüche klopfen, werden Ihre Einwände wohl ohnehin nicht durchdringen. Ihr Widerspruch ist dennoch wertvoll, aber vermeiden Sie eine mögliche Eskalation der Situation.

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