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Selbstbewusstsein

Selbstoptimierung – wo hört es auf, gesund zu sein?

Veröffentlicht am:02.10.2024

5 Minuten Lesedauer

Das eigene Verhalten ab und zu kritisch zu hinterfragen und den Wunsch zu hegen, Fähigkeiten auszubauen, ist sinnvoll. Doch opfern Menschen dafür viel Zeit und am Ende ihr Wohlbefinden, kann ein Selbstoptimierungswahn dahinterstecken.

Ein Mann mit einem roten T-Shirt und Kopfhörern steht vor einer Treppe und blickt die Stufen herauf.

© iStock / Bastian Weltjen

Was ist Selbstoptimierung und woher kommt der Begriff?

Das Beste aus sich herausholen und immer noch ein Stückchen weiter gehen – vor allem in den sozialen Medien ist das Phänomen der Selbstoptimierung zu beobachten: In den Storys berichten Menschen beispielsweise, dass sie nun noch erfolgreicher beim Sport sind, sich zusätzliche Kommunikationstechniken wie das aktive Zuhören angeeignet haben oder ihr Aussehen durch einen kosmetischen Eingriff verbessern wollen. Oft basieren diese Vorhaben auf dem Prinzip der Selbstoptimierung, doch was ist das überhaupt? Das Wort setzt sich aus zwei Begriffen zusammen: „Selbst“ für das eigene Ich und „Optimierung“, angelehnt an das lateinische Wort optimum, das soviel wie „das Beste“ bedeutet. Menschen, die Selbstoptimierung betreiben, befinden sich in einem Entwicklungsprozess, der einen besseren Zustand zum Ziel hat.

Der Ursprungsgedanke der Optimierung tritt seit den 1950er-Jahren vermehrt in Erscheinung, allerdings in Verbindung mit mathematischen Ansätzen, um Herausforderungen in der Physik, Biologie und vielem mehr zu meistern. Seit den 1970er-Jahren sprechen Menschen auch vermehrt im Zusammenhang mit Produktions- und Managementprozessen über Selbstoptimierung. Ungefähr ab dem Jahr 2000 wird der Begriff auch auf andere Bereiche übertragen, zum Beispiel auf das gesellschaftliche Leben. Die Weichen für die Selbstoptimierung wurden aber wahrscheinlich schon viel früher, durch die kulturelle Bedingungen des späten achtzehnten Jahrhunderts gestellt. Das damalige Bildungsideal, das auf Wilhelm von Humboldt zurückgeht, war bereits mit dem moralischen Appell verknüpft, sich selbst zu verbessern.

Die möglichen Ziele der Selbstoptimierung im Überblick

Bei der Selbstoptimierung geht es darum, Verbesserungen hervorzubringen – wo dies geschehen soll und worin genau das Optimum besteht, ist nicht eindeutig definiert. Im Prinzip lässt sich beinahe alles im Leben optimieren – ob körperliche, psychische, geistige oder soziale Leistungen. Auch Handlungsabläufe, Prozesse bei der Arbeit oder Fähigkeiten können verbessert werden. Menschen, die hinter dem Konzept der Selbstoptimierung stehen, befürworten bestimmte Ziele oder Güter, die das Wohlbefinden sicherstellen sollen – unabhängig davon, wie der individuelle Lebensentwurf aussieht.

Dazu zählen folgende Grundgüter:

  • Empathie
  • Gesundheit
  • Gedächtnis
  • Selbstdisziplin
  • Intelligenz

Führt innerer Antrieb oder äußerer Druck zur Selbstoptimierung?

Diese Frage sorgt für Diskussionsstoff, denn selbst Experten und Expertinnen sind sich nicht einig, wer die Ziele der Selbstoptimierung und die damit verbundenen Ideale definiert. Kritiker und Kritikerinnen meinen, die Selbstoptimierung sei eine Reaktion auf äußere Zwänge oder gesellschaftliche Erwartungen. Das würde bedeuten, dass sich Menschen anpassen, um weiterhin dazuzugehören. Befürwortende der Selbstoptimierung betonen hingegen, dass die kontinuierliche Verbesserung ein Ausdruck des Wunsches nach Selbstbestimmung sei. Menschen können so selbst entscheiden, welche Werte und Ziele für sie erstrebenswert sind und welche sie erreichen möchten. Da Menschen Teil einer Gesellschaft sind, lassen sich von außen vorgegebene Ziele und die eigenen aber nicht immer klar trennen, so dass bei der Selbstoptimierung wahrscheinlich beides eine Rolle spielt.

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Junge Menschen verspüren immer mehr Optimierungsdrang

Die Gesellschaft hat sich verändert und mit ihr offenbar auch die Erwartungen an die eigenen Fähigkeiten, wie eine Studie britischer Psychologen belegt. Sie analysierten 146 Studien aus den Jahren 1989 und 2016, die sich alle auf den Perfektionismus College-Studierender konzentrierten. Die Untersuchungsergebnisse machten deutlich, dass der Perfektionismus, also das übermäßige Streben nach Vollkommenheit, bei jungen Menschen stetig zugenommen hat. Dass die Teilnehmenden im Jahr 2016 perfektionistischer waren als die im Jahr 1989 führen die Forscher auf mehrere Gründe zurück. Zum einen stellten die Teilnehmenden gesteigerte Ansprüche an sich selbst und empfanden die Erwartungen von außen als hoch. Die Psychologen vermuten aber auch Unsicherheit, unrealistische Erwartungen, ängstlichere und kontrollierendere Eltern als in früheren Generationen sowie Konkurrenzkampf und Wettbewerbsdruck als Ursachen. Diese und weitere Faktoren machen es womöglich unabdingbar, schneller, höher und besser zu sein.

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Eine lächelnde Frau steht im Schwimmbad bis zu den Achsel im Wasser. Sie befestigt eine Schwimmbrille über der Badehaube, die sie trägt.

© iStock / monkeybusinessimages

Sportlicher Ehrgeiz kann Spaß machen, sollte aber nicht in einem Selbstoptimierungswahn münden.

Die Schattenseiten der Selbstoptimierung

Wenn sich jemand zu Höchstleistungen anspornt und Stück für Stück besser wird, bewundern das viele Menschen im Umfeld. Eigentlich kann daran ja nichts Schlechtes sein, oder? Tatsächlich gibt es auch so etwas wie einen Selbstoptimierungswahn, also ein übermäßiges Arbeiten an sich selbst. Zwischen positiver Selbstsorge und übersteigerter Selbstoptimierung besteht ein Graubereich. Überschreitet eine Person die Grenze und verfällt in einen Selbstoptimierungswahn, neigt sie zu Extremen. Dies kann sich beispielsweise durch wiederholte Schönheitsoperationen oder exzessives Sporttreiben äußern. Unter der übersteigerten Selbstoptimierung leiden manchmal auch die sozialen Beziehungen, weil die Zeit dafür fehlt. Kritische Stimmen weisen zudem darauf hin, dass die Arbeit an sich selbst einen zwanghaften Charakter annehmen kann. Wer ständig Checklisten zur Selbstoptimierung führt, im übertriebenen Sinne Schritte zählt oder Sport-Apps bedient, kann womöglich Anzeichen einer Zwangsstörung (Obsessive-Compulsive Disorder, kurz OCD) zeigen. Zu den OCD-Symptomen zählen Zwangshandlungen oder Zwangsgedanken, wie die Angst, etwas vergessen zu haben. Da sowohl die Selbstoptimierung als auch der Perfektionismus mit einem starken Wunsch nach Verbesserung einhergehen, sollten gefährdete Menschen auf die Symptome eines krankhaften Perfektionismus wie eine ausgeprägte Angst vor Fehlern achten.

Selbstoptimierung, aber bitte mit Augenmaß

Hier und da Optimierungen vorzunehmen, kann wünschenswert und sinnvoll sein. Mit der richtigen Selbstkontrolle können Menschen vermeiden, dabei in einen Selbstoptimierungszwang zu verfallen.

Dabei helfen folgende Tipps:

  • Eigene Ziele hinterfragen: Bei einem Selbstoptimierungswahn unterwerfen sich Personen teilweise unerreichbaren Zielen, das kann demotivierend sein. Vor den Optimierungshandlungen sollte also die Frage stehen, ob das Ziel plausibel erscheint.
  • Sich von gesellschaftlichen Zwängen lösen: Selbstoptimierung ist ein beinahe endloser Prozess, denn es geht immer höher, schneller und weiter. Deshalb ist es wichtig, sich von der Vorstellung zu lösen, dem absoluten Ideal immer noch ein Stück besser genügen zu müssen. Stattdessen hilft ein Perspektivenwechsel: Was habe ich bereits erreicht?
  • Erfolg der Optimierung überprüfen: Das übergeordnete Ziel und ein Gradmesser bei der Selbstoptimierung sind das persönliche Glück oder gute Leben. Eine Frage kann daher sein: Inwieweit hat die Optimierungsmaßnahme mich weitergebracht? Fühlt man sich belastetet oder unter Druck gesetzt, kann es sinnvoll sein, das Handeln zu hinterfragen – bei starkem Leidensdruck kann auch eine Praxis für Psychotherapie eine richtige Anlaufstelle sein.

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