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Gesundheitsmagazin

Selbstbewusstsein

Chronische Krankheiten mithilfe der Löffel-Theorie besser verstehen

Veröffentlicht am:27.03.2023

4 Minuten Lesedauer

Eine chronische Erkrankung kann sich stark auf den Alltag der Betroffenen auswirken. Die sogenannte Löffel-Theorie kann sowohl ihnen als auch Außenstehenden dabei helfen, diese Herausforderungen besser zu verstehen.

12 Löffel liegen im Kreis angeordnet auf einem Tisch.

© iStock / AntonioMari

Woher stammt die Löffel-Theorie?

Die sogenannte Spoon Theory (auf Deutsch: Löffel-Theorie) ist eine Methode zu erklären, wie sich die gesundheitlichen Probleme von Menschen mit einer chronischen Krankheit auf die Fähigkeit auswirken können, alltägliche Aufgaben und Aktivitäten zu erledigen. Entwickelt wurde die Löffel-Theorie im Jahr 2003 von der US-amerikanischen Bloggerin Christine Miserandino. Sie leidet an der chronischen Autoimmunerkrankung systemischer Lupus erythematodes (SLE). Die Symptome sind vielfältig, es sind unter anderem Hautausschläge, Müdigkeit oder Gelenkschmerzen möglich. Bei einer Autoimmunerkrankung richtet sich das Immunsystem gegen Strukturen des eigenen Körpers.

Als Miserandino mit einer Freundin im Restaurant beim Essen saß, wollte diese von ihr wissen, wie es denn nun wirklich sei, mit ihrer Krankheit zu leben. Um ihre Antwort zu veranschaulichen, nahm Miserandino zwölf Löffel zu Hilfe. Die Löffel standen für die Menge an körperlicher und geistiger Energie, die sie als chronisch Kranke täglich zur Verfügung hat – und die sie jeden Tag genau einplanen und verteilen muss, um die Aufgaben oder Tätigkeiten zu bewältigen.

Was verbirgt sich hinter der Löffel-Theorie?

Gesunde Menschen wachen in der Regel mit einer ausreichenden Menge an Energie auf, also im übertragenen Sinn mit nahezu unzähligen Löffeln. Sie können aus dem Bett aufstehen, Zähneputzen, sich anziehen, kochen, Sport treiben, zur Arbeit gehen, Freunde treffen – ohne darüber nachdenken zu müssen, ob sie all diese Tätigkeiten bewältigen können.

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Menschen, die mit einer chronischen Erkrankung wie beispielsweise Multipler Sklerose, Parkinson, Fibromyalgie, Asthma oder der Lungenkrankheit COPD leben, starten dagegen jeden Tag nur mit einer bestimmten Menge an Energie, beziehungsweise einer festen Zahl an Löffeln. Kleinere Aufgaben wie Duschen, Anziehen oder Zähneputzen kosten vielleicht einen Löffel, größere Aufgaben wie Kochen, Staubsaugen, zur Arbeit gehen oder ein Arztbesuch inklusive anschließendem Gang zur Apotheke erfordern dagegen bereits drei, vier oder mehr Löffel. An Tagen mit stärkeren Beschwerden können sogar kleinere Aufgaben schon mehrere Löffel kosten. Auch wenn sie erkältet sind, schlecht geschlafen oder ihre Medikamente vergessen haben, werden zusätzliche Löffel benötigt. Sind alle Löffel verbraucht, ist es zum Teil möglich, Löffel aus dem Kontingent des nächsten Tages zu nutzen. Das bedeutet aber auch, dass am nächsten Tag bereits entsprechend weniger Löffel zur Verfügung stehen, um den Alltag zu bewältigen.

Spoon Theory: Hilfe zur Selbstkontrolle

Viele chronisch Kranke erleben gute und schlechte Tage, da ihre Beschwerden täglich variieren können. An einem guten Tag neigen sie häufig dazu, sich zu überanstrengen. Darauf wiederum folgen mehrere Tage, an denen sie sich müde und besonders beeinträchtigt fühlen. Diese Extreme lassen sich teilweise vermeiden. Betroffene können lernen, ihr Aktivitätsniveau besser auszubalancieren, indem sie auf ihre begrenzte Energie achten und die Grenzen nicht überschreiten.

Die Löffel-Theorie kann chronisch Kranken also als Strategie zur Selbstkontrolle helfen und eine drohende Überanstrengung veranschaulichen: Wenn sie zum Beispiel an einem Tag besonders aktiv waren und bis zum Abend alle Löffel bis auf einen bereits verbraucht haben, ist klar: Sie benötigen weitere Löffel, um Abendessen zu machen, sich die Zähne zu putzen, sich auszuziehen und ins Bett zu gehen. Sie leihen sich also einen oder sogar mehrere Löffel vom nächsten Tag – in den sie dann bereits mit einem Löffel- beziehungsweise Energie-Defizit starten. Entsprechend sollte der folgende Tag von vornherein mit mehr Ruhephasen und weniger Aktivität geplant werden, um eine Überanstrengung zu vermeiden. Bei der Löffel-Theorie handelt es sich um ein Gedankenexperiment. Es geht also nicht darum, tatsächlich jeden Tag Aktivitäten zu zählen. Vor allem zu Beginn einer Erkrankung oder nach der Diagnose ist es wichtig, sich selbst über die begrenzte Menge an Energie klarzuwerden – die gedankliche Verbildlichung mittels Löffel kann dabei helfen.

Junge Frau mit einer schweren Krankheit erklärt ihrem Gegenüber die Löffel-Theorie.

© iStock / skynesher

Mit Hilfe der Löffel-Theorie können schwerkranke Menschen ihren Angehörigen die eigene Lage anschaulich verdeutlichen.

Löffel-Theorie: Erklärungsmodell für Außenstehende

Außenstehende wie Freunde, Familienangehörige oder Arbeitskollegen und -kolleginnen können oft nicht nachvollziehen, was es heißt, mit einer chronischen Erkrankung zu leben. Häufig fällt dabei der Satz: „Aber du siehst gar nicht krank aus!“ Die Löffel-Theorie kann dabei helfen, die Akzeptanz in der Gesellschaft zu fördern. Gerade wenn die Krankheit von außen nicht klar erkennbar ist, kann die Verbildlichung über die Löffel mehr Verständnis für die Erkrankten wecken. Übrigens: Viele Menschen, die die Löffel-Theorie nutzen, um ihr Umfeld über die Folgen ihrer Krankheit aufzuklären, bezeichnen sich selbst als „Spoonies“.

Die Löffel-Theorie funktioniert bei vielen Erkrankungen

Das Gedankenexperiment der Löffel-Theorie ermöglicht es, die Lebenssituation für andere, gesunde Menschen anschaulich darzustellen.

Das funktioniert nicht nur bei chronischen Krankheiten wie rheumatoider Arthritis, Lupus oder Multipler Sklerose, sondern auch beispielsweise bei Rücken- oder Kopfschmerzen. Menschen mit psychischen Problemen wie einer Angststörung oder Depression können ebenso von der Löffel-Theorie profitieren und mehr Verständnis für die Herausforderungen wecken, die sie täglich bewältigen müssen.

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