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Selbstbewusstsein

People-Pleaser: Wenn man es allen recht machen will

Veröffentlicht am:03.01.2023

6 Minuten Lesedauer

Es allen recht machen zu wollen, ist auf Dauer anstrengend und kann das Wohlbefinden beeinträchtigen. Schließlich rücken die eigenen Bedürfnisse dabei in den Hintergrund. Doch wie können People-Pleaser lernen, Nein zu sagen?

Eine junge Frau am Schreibtisch spricht mit ihrem Kollegen und lächelt dabei.

© iStock / FG Trade

Dr. Bärbel Wardetzki, Diplom-Psychologin, Supervisorin, Coach und Autorin.

© Maik Kern, München

Dr. Bärbel Wardetzki ist Diplom-Psychologin, Supervisorin, Coach und Autorin. Im Interview erklärt sie, wie Menschen zu People-Pleasern werden und was ihnen hilft, zu sich selbst zurückfinden.

Was ist ein People-Pleaser?

Als People-Pleaser werden Menschen bezeichnet, die anderen ständig alles recht machen möchten. Ihre Gedanken kreisen stets um die Frage, wie sie es erreichen, dass die anderen um sie herum zufrieden sind. People-Pleaser beschäftigen sich übermäßig damit, wie sie für andere Menschen sein müssen. So richten sie nicht nur ihre Denkweise und ihr Verhalten nach anderen Menschen aus, sondern auch ihre Gefühle. Wer es allen recht machen möchte, versteckt beispielsweise die eigene Wut, wenn diese in Gesellschaft nicht angebracht zu sein scheint. Auch ihre Bedürfnisse stellen People-Pleaser für andere zurück. Das zeigt sich beispielsweise in Partnerschaften, in denen ein Partner oder eine Partnerin versucht, dem oder der anderen alle Wünsche von den Lippen abzulesen, die eigenen Bedürfnisse aber vernachlässigt. Auch wenn es für Betroffene sehr zermürbend sein kann, es allen recht machen zu wollen, gibt es in der Psychologie keine eigenständige Diagnose dafür. People-Pleaser haben keine psychische Erkrankung, sondern ein erworbenes Verhaltensmuster. Betroffene können aber auch lernen, sich wieder mehr um sich selbst zu kümmern, und zwar ohne Schuldgefühle.

Es allen recht machen wollen – was steckt dahinter?

Das Verhalten von People-Pleasern kann verschiedene Ursachen haben, zum Beispiel eine gewisse Sucht nach Anerkennung. Tun sie etwas für andere und erhalten dafür Lob, fühlen sie sich wahrgenommen. Die Psychologie sieht den Anerkennungswunsch aber nicht als einzige Erklärung für das Verhalten. Viele Menschen machen es anderen recht, um ihr eigenes Harmoniebedürfnis zu befriedigen. Auch die Angst vor Ablehnung begleitet People-Pleaser oft. Sie erhoffen sich durch ihr Verhalten, dass sie Menschen in ihrer Umgebung gefallen und diese sie akzeptieren. Übrigens hat das Verhaltensmuster seine Wurzeln häufig in der Kindheit. Haben Kinder das Gefühl, Liebe und Aufmerksamkeit gibt es nur, wenn sie für das Wohlbefinden eines Elternteils sorgen, kann das den Grundstein für People-Pleasing legen.

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Gibt es Persönlichkeitstypen, die eher zu People-Pleasing neigen?

Der Wunsch nach Anerkennung, ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis oder die Angst vor Ablehnung – das alles kann zum People-Pleasing beitragen und hängt oft mit einem geringen Selbstwertgefühl zusammen. Demnach sind Personen, die unsicher und davon überzeugt sind, dass sie selbst nur einen geringen Wert besitzen, häufig besonders gefährdet. Sie neigen dazu, sich den vermeintlichen Wünschen und Erwartungen anderer Menschen anzupassen. Dadurch, dass sie es allen recht machen wollen, fühlen sie sich sehr abhängig von den Reaktionen anderer, nach dem Motto: Nur wenn ich mein Gegenüber glücklich mache, erhalte ich die Chance, selbst glücklich zu sein.

„Der Wunsch nach Anerkennung, ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis oder die Angst vor Ablehnung – das alles kann zum People-Pleasing beitragen und hängt oft mit einem geringen Selbstwertgefühl zusammen.“

Frau Dr. Wardetzki
Diplom-Psychologin, Supervisorin, Coach und Autorin

Welche negativen Folgen kann People-Pleasing haben?

Das Fatale beim People-Pleasing ist, dass Betroffene oft nur erahnen, was andere Menschen glücklich stimmt. Hier findet also kein offener Austausch über Wünsche statt. Vielmehr fantasiert sich ein People-Pleaser das zusammen, was bei dem Gegenüber gut ankommen könnte. Manchmal bewirken die vermeintlichen Wohltaten aber genau das Gegenteil. Schließlich weiß eine Mutter ohne Absprache mit ihrem Sohn beispielsweise gar nicht, ob es ihm gefällt, dass sie seinen 18. Geburtstag organisiert. Vielleicht reagiert er auch mit Enttäuschung oder Wut darauf. Handeln Betroffene häufig auf eigene Faust und erzielen damit nicht die gewünschte Reaktion wie Dankbarkeit, können sich Beziehungen durch Vorwürfe verkomplizieren. „Immer mache ich etwas für dich und nie bist du zufrieden“, könnte ein Vorwurf von einem People-Pleaser sein, der sich nicht wahrgenommen fühlt. People-Pleasing birgt grundsätzlich die Gefahr, dass Betroffene den Kontakt zu sich selbst verlieren – sie wissen dann gar nicht mehr, was sie sich wünschen und welche Bedürfnisse sie haben. Diese Entfremdung von sich selbst mündet oft in ein Gefühl der Fremdbestimmung. Zwar bestimmen die Mitmenschen die Betroffenen nicht, aber sie selbst fühlen sich durch das Bedürfnis, es allen recht machen zu wollen, fremdbestimmt. Dadurch kann sich eine große Unzufriedenheit in das Leben der People-Pleaser einschleichen.

Junges Paar streitet sich.

© iStock / urbazon

Für People-Pleaser ist es wichtig zu lernen, zu ihren Bedürfnissen zu stehen – auch wenn das zu einem Streit oder einer Diskussion führt.

Woran erkenne ich, ob ich ein People-Pleaser bin?

People-Pleaser denken immer zunächst an andere und sind oft nicht in der Lage, sich folgende Frage zu beantworten: Welche Bedürfnisse habe ich? Wenn die Weihnachtsfeier ansteht, beschäftigen sie sich beispielsweise damit, wie andere sich einen gelungenen Abend vorstellen, und nicht, welche Wünsche sie selbst dabei haben. Klassischerweise sagen People-Pleaser Ja, selbst dann, wenn sie eigentlich Nein meinen. So möchten sie zum Beispiel den Frieden bewahren oder anderen gefallen. Typisch ist auch, dass People-Pleaser Begegnungen mit anderen Menschen als anstrengend empfinden – einfach deshalb, weil sie dabei das Gefühl haben, ständig etwas machen oder sich in bestimmter Weise zu verhalten zu müssen. Der Wunsch, richtig zu sein oder sich richtig zu verhalten, ist bei Betroffenen sehr präsent. Der Begriff „richtig“ ist in diesem Fall eng verknüpft mit den Urteilen der Mitmenschen oder genauer gesagt mit dem, was Betroffene dafür halten: „Siehst du, da hast du dich zu sehr in den Vordergrund gespielt und die Wünsche der anderen nicht wahrgenommen“ – People-Pleaser haben häufig einen starken inneren Kritiker. Dieser straft Betroffene ab, wenn sie zur Abwechslung einmal selbstbestimmt handeln oder sich äußern.

„Klassischerweise sagen People-Pleaser Ja, selbst dann, wenn sie eigentlich Nein meinen.“

Frau Dr. Wardetzki
Diplom-Psychologin, Supervisorin, Coach und Autorin

Wie finden People-Pleaser zurück zu sich selbst?

Mit folgenden Tipps können People-Pleaser wieder in Kontakt zu sich selbst kommen:

  • Bedürfnis-Liste erstellen: Das Niederschreiben der eigenen Bedürfnisse kann für Betroffene anfangs schwierig sein, da sich People-Pleaser in der Regel mit den Wünschen anderer beschäftigen. Oft fällt ihnen die Erstellung der Liste leichter, wenn sie an ein bestimmtes Ereignis denken, zum Beispiel die Weihnachtsfeier: Wie müsste das perfekte Weihnachtsfest für mich aussehen? Nachdem die Liste mit den Bedürfnissen steht, können Betroffene sie mit der Realität abgleichen. Wie viele meiner Bedürfnisse erfüllt ein gewöhnliches Weihnachtsfest? Die Liste kann People-Pleasern helfen, mehr an die eigenen Bedürfnisse zu denken, zum Beispiel bei der Planung der nächsten Familienfeier.
  • Wünsche aussprechen: Nur wenn Betroffene Wünsche offen ansprechen, erfährt auch das Umfeld von ihren Bedürfnissen. Eine gute Übung ist es, jeden Tag einen kleinen Wunsch an den Partner, die Partnerin oder die Kinder zu richten. „Ich wünsche mir zehn Minuten Ruhe, damit ich das Kapitel in meinem Buch zu Ende lesen kann“, wäre zum Beispiel ein Wunsch.
  • Zu den eigenen Bedürfnissen stehen: Das, was Betroffenen wichtig erscheint, sollten sie sich von ihren Mitmenschen nicht ausreden lassen. Wenn sich ein Paar beispielsweise nicht auf einen Kinofilm einigen kann, bedeutet das nicht, dass der People-Pleaser in der Beziehung nachgeben muss. Das Paar könnte sich beide Filme nacheinander ansehen.
  • Selbstwertgefühl stärken: Indem Betroffene sich ihre Stärken bewusst machen, können sie ihr Selbstwertgefühl steigern und ihre Wünsche zukünftig selbstbewusster vertreten.

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Nein sagen lernen – was hilft People-Pleasern dabei?

Lernen, Nein zu sagen, ist eine besonders anspruchsvolle Aufgabe für People-Pleaser, denn sie neigen stets zum Ja-Sagen. Nicht Nein zu sagen bedeutet, sich vom Umfeld schlecht abgrenzen zu können. Grenzen sind in dem Zusammenhang sehr wichtig, denn damit gelingt es Menschen, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu erfüllen. Jemand, der sich beispielsweise immer dazu bereit erklärt, Überstunden zu machen, vernachlässigt damit vielleicht sein Bedürfnis nach Erholung. People-Pleaser fühlen sich oft sicherer, wenn sie sich bestimmte Formulierungen zum Nein-Sagen zurechtlegen. „Nein, ich möchte das so nicht“ oder „Nein, das geht gerade nicht“ sind Beispiele dafür. People-Pleasern, denen die Abgrenzung schwerfällt, können auch ablehnen, ohne das Wort „Nein“ zu nutzen: „Ich habe Ihren Wunsch gehört, kann die Aufgabe zurzeit aber nicht übernehmen.“ Neben bestimmten Formulierungen gibt es noch andere Vorbereitungstechniken. Das Nein-Sagen vor dem Spiegel oder in einem Fantasie-Szenario zu üben, eignet sich ebenfalls gut. Wichtig ist, dass Betroffene das „Nein“ im Bauch fühlen – das Bauchgefühl äußert sich aber nicht immer sofort in der betreffenden Situation. Am besten lassen sich People-Pleaser Zeit mit ihrer Entscheidung und loten zunächst ihre Gefühle aus. Vielen Menschen ist das Nein-Sagen ohne Schuldgefühle übrigens besonders wichtig. Für People-Pleaser kann das Schuldgefühl aber ein Freund sein. Es signalisiert ihnen nämlich, dass sie etwas nur für sich entscheiden.

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